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Jan Henrik Stahlberg, der als Darsteller und Co-Autor der No-Budget-Produktion »Muxmäuschenstill« vor drei Jahren einen Überraschungscoup landete, will mit seinem Regiedebüt einen Beitrag zu den italienischen Parlamentswahlen am 9. und 10. April leisten. Durch Sprüche wie »Nur Napoleon hat noch mehr getan als ich. Aber ich bin viel größer als er« oder er fühle sich »wie der Jesus Christus der italienischen Politik« entlarvte sich der für Stimmengewinne jetzt mit Neofaschisten paktierende Ministerpräsident schon selbst als Real-Satiriker. Dagegen hält sich die filmische Satire in dem von ihr inszenierten Prozeß wegen Korruption, Steuerhinterziehung und Mafia-Nähe streng an die juristischen Fakten. Um Berlusconi mit diesen Vorwürfen zu konfrontieren, wird er entführt und die Realisierung dieses Einfalls als Film im Film vorgeführt, Karikierung drohender Zensureingriffe inbegriffen. Ein harmloser Spaß, durch den das Festival noch nicht zu einem politischen wurde, wie es ihm die Medien immer wieder attestierten. Versteht man freilich auch das Private als politisch, konnte man in jungen deutschen Filmen über Kontaktarmut, Sprachlosigkeit und Beziehungskrisen einen Spiegel der Gesellschaft sehen. Leider verharrte der meistgelobte von vier deutschen Wettbewerbsbeiträgen, »Requiem« von Hans-Christian Schmid (ab 2. März im Kino), in der Darstellung eines miefig-bigotten familiären Umfelds, wo man, nicht zuletzt angesichts des weltweiten religiösen Fanatismus, eine Kritik an katholischem Obskurantismus erwartet hätte. Der authentische Hintergrund des Films ist der Fall einer an Epilepsie leidenden jungen Studentin aus dem Fränkischen, die 1976 Opfer eines Exorzismus wurde. In der amerikanischen Provinz gab es ein Pendant, dessen Vermarktung im Gewand eines Hollywood-Horror-Thrillers als »Der Exorzismus von Emily Rose« Ende vergangenen Jahres in unsere Kinos kam und auch christlichen Fundamentalisten in den USA gefallen konnte. Nun tut das »Requiem« der römischen Kirche, die unlängst mit päpstlichem Segen einen Exorzistenkongreß veranstaltete, nicht weh. Einen authentischen Einblick in islamischen Fundamentalismus gewähren »Hamburger Lektionen«, wie Romuald Karmakar seine ganz aufs Wort konzentrierte Rekonstruktion zweier Sitzungen nennt, die der Imam Mohammed Fazazi zur Beantwortung von Fragen Gläubiger im Januar 2000 in der Hamburger Al-Quds-Moschee abhielt. Die Predigten wurden von einer unbekannten Person auf Video festgehalten und in islamischen Buchhandlungen vertrieben. Bei der Auswertung verfährt der Filmemacher wie bei seinem »Himmler-Projekt«, wo er ganz ohne bildliche Zutaten eine Geheimrede des SS-Führers von dem Schauspieler Manfred Zapatka lesen ließ. Derselbe Rezitator spricht nun im nüchternen Ambiente eines Studios ebenso nüchtern die deutsche Übersetzung der Koranauslegungen Fazazis nach, der im Oktober 2001 in seine Heimat Marokko zurückkehrte. Der Exegese des Imams, der sich oft ein Hintertürchen offen ließ (»Gott weiß es besser«), über zwei Stunden folgend, hatte ich zunehmend den Eindruck: Was für ein Schwätzer. Eine Reaktion exemplarisch für die Fremdheit der Kulturen. Trotz gelegentlichem, in Inserts vermerktem Gelächter war die Wirkung auf die Zuhörer in der Moschee gewiß eine andere, sollen unter ihnen doch auch Mohammed Atta und zwei weitere mutmaßliche Attentäter des 9. September 2001 gewesen sein. Was die Explosion der Twin Towers auslöste, war mehrfach Thema dieser Berlinale. Mit Michael Winterbottoms »Road to Guantanamo« wurde sie – einmal pathetisch ausgedrückt und so von der Festivalleitung sicher zurückgewiesen – zu einer Tribüne der Anklage US-amerikanischen Unrechts. Man weiß seit Jahren und hat sich daran gewöhnt, daß es das gibt: dieses Lager der Marines für angebliche Terroristen ausgerechnet auf kubanischem Boden. Aber man hat wenig davon gewußt, wie die Gefangenen dort behandelt werden. Der britische Regisseur zeigt es in aller Härte: die Drahtkäfige unter freiem Himmel, in denen die Häftlinge wie Vieh gehalten werden, die Brutalität der Verhöre, die Ignoranz der Bewacher. Winterbottom hat es aus Gesprächen mit amerikanischen Verhör-Offizieren erfahren und aus Berichten der drei »Helden« seines Films, die aus Tipton in England zu einer Hochzeit nach Pakistan gereist waren und in Afghanistan von der Nordallianz gefangengenommen und amerikanischen Truppen ausgeliefert wurden. Nach mehr als zwei Jahren läßt man sie aus Guantanamo frei, keines Verbrechens überführt, wie es auch gegen die mehr als 500 noch immer dort Internierten an Schuldbeweisen fehlt. Der Film kommt gerade recht, um der von Kofi Annan und selbst Tony Blair aufgenommenen Forderung einer Expertengruppe der UN-Menschenrechtskom-mission nach sofortiger Schließung des Lagers Nachdruck zu verleihen. Seine Mischung aus Archivmaterial, Interviews und inszenierten Passagen überzeugt. »Eins ist sicher«, sagt der US-Präsident in der ersten Einstellung, »das sind schlechte Menschen«, und einmal wird sein Verteidigungsminister Rumsfeld mit der Feststellung eingeblendet, die Gefangenen würden »korrekt behandelt«. In Großbritannien zeigt im März Channel Four »The Road to Guantanamo«, später soll er dort auch im Kino laufen. Von einem Start in den USA ist noch nichts bekannt, für Deutschland gilt trotz des Regiepreises der Berlinale das Gleiche. Vielleicht fürchtet man Proteste und Forderungen nach Absetzung des Films, wie sie Edmund Stoiber, Reinhard Bütikofer und andere gegenüber dem türkischen Film »Im Tal der Wölfe« erhoben. Prompt nahm ihn die Cinemaxx-Kinokette trotz geschäftlichen Erfolgs nach nur zwei Wochen aus ihrem Programm. In der Türkei hat der mit zehn Millionen Dollar teuerste aller bisherigen Filme des Landes seine Produktionskosten längst eingespielt, bei einem Migrantenpublikum war er außerhalb der Berlinale auch ohne Werbung ein Renner. Wenn Politiker, die das Objekt ihrer Empörung meist gar nicht gesehen haben, und FAZ -Journalisten von einem »haßerfüllten Angriff gegen den Westen« sprechen, liefern sie ein Musterbeispiel moralischer Heuchelei. Das aus einer türkischen Fernsehserie mit Kultstatus hervorgegangene Action-Spektakel ist ein umgekehrter »Rambo« in dem einmal die Amis die Bösewichter sind. Regisseur Serdar Akar mußte dazu gar nicht allzuviel erfinden. Auch der Ausgangspunkt ist authentisch: Am 4. Juli 2003 nahmen US-Soldaten im Nordirak elf türkische Offiziere fest und stülpten ihnen wie Terroristen Säcke über die Köpfe – was nun im Film an dem amerikanischen Oberschurken exerziert werden soll. In der Eingangssequenz begeht ein türkischer Offizier aus Scham über jene Erniedrigung Selbstmord und fordert in einem Abschiedsbrief einen befreundeten Geheimagenten zur Rache auf. Was dieser populäre Serienheld auch besorgt, wobei sich der Film im Fundus bekannter TV-Bilder bedient: Nachgestellt werden nackte Gefangene in Abu Ghraib, Freudenschüsse einer Hochzeitsgesellschaft als Auslöser ihrer Massakrierung durch GIs, Eindringen in Häuser alleinstehender Frauen, mit einem entführten Journalisten posierende irakische Terroristen. Die Befreiung der Geisel erfolgt durch eine Scheich, der überhaupt als guter Geist des Islam durch den ganzen Film geht und auch Selbstmordattentate verurteilt, während sein CIA-Gegenspieler im Sinne Bushs vor einem Kruzifix für den Sieg des christlichen Glaubens betet. Ein Propagandafilm gewiß, mit allen Klischees des Genres. Manchmal könnte man an »Apokalypse Now« und Karl Mays »Durchs wilde Kurdistan« denken. Jedenfalls nicht der ganzen Aufregung wert, die wohl auch als Retourkutsche im Karikaturenstreit interpretiert werden kann. Sicher ist dies nicht der letzte Kinobeitrag zum Thema Irak. Der nächste lief schon als Berlinale-Special und kommt Ende März auf unsere Leinwände: »Der Tiger und der Schnee«, Bagdad nach der US-Besetzung als Kulisse für die clowneske Selbstdarstellung des italienischen Regie- und Schauspiel-Starkomikers Roberto Benigni.
Erschienen in Ossietzky 5/2006 |
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