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Als ich dankbar die gelbe Karte wegstecke, die er mir gegeben hat, eine Art Ausweis, ein Berechtigungsschein, kommen Retamar Bedenken: Werde ich es ganz auf mich allein gestellt schaffen, ohne Spanisch, ohne Landeskenntnis? Ein paar Tage hätte er einen Begleiter für mich, sagt er. »Heißt Homer Tax, ein verwegener Typ, fährt den Cadillac von ICAP, unserer Freundschaftsgesellschaft, und Englisch kann er auch.« Verwegen in der Tat, sage ich mir, als der Mann durch die Tür kommt: ein Milizionär mit Colt am Gürtel, klein von Wuchs, drahtig, eine Mischung von Afrika und Orient, die schrägen Augen blicken scharf, im schmalen Gesicht bewegen sich die Backenknochen, er kaut Tabak. Einen Augenblick lang läßt er das, begrüßt mich mit kräftigem Handschlag, dann ruft er: »Adelante – let's go!«, spuckt Tabaksaft durchs offene Fenster, schiebt den Colt auf die Hüfte und verschwindet. Auf der Treppe klappern die Stiefelabsätze. Ich folge ihm. In der Seitengasse entdecke ich ihn vor dem Cadillac. Er fragt nichts, sagt nichts, kaut seinen Tabak. Als ich eingestiegen bin, schwingt er sich hinters Steuer. Nach rasanter Fahrt bremst er vor einer Hafenbar, drinnen knallt er die Autoschlüssel auf die Theke und fragt mich: »Can you drive?« Ich nicke. Er nickt auch – entschlossen irgendwie. Sechs Tage Fremdenführer reichten ihm, sagt er. Gagarin quer durch Kuba zu kutschieren, sei kein Kinderspiel gewesen, ihm stünde Freizeit zu. »You can drive, then you drive!« Mir verschlägt es die Sprache. »Any problems?« – »None«, lüge ich, und das beruhigt ihn – für die nächsten zwei Tage sei das mein Cadillac. »But«, warnt er, »no scratches und no dints!« Das gesagt, trinkt er seinen Rum aus und verläßt das Lokal. Mit den Autoschlüsseln gehe ich zum Cadillac, mache mich mit der Schaltung vertraut, lasse den Motor an, und während ich im Schrittempo durch die schmalen Straßen von Havanna manövriere, denke ich nur eins: Keine Kratzer, keine Beulen! Als zum dritten Mal von draußen ein scharfes »Adelante!« laut wird, fahre ich rechts ran. Der Polizist auf dem Motorrad tut das auch, bockt die Maschine auf, steigt ab und nähert sich. Warum ich den Verkehr behindere, will er wissen. Ich zucke die Achseln, reiche ihm den gelben Ausweis, nur drei Worte wird er mir entlocken: Alemania Este und ICAP. Danach lasse ich den Cadillac einfach stehen – am Malecon beim Meer... Bis ein Entschluß in mir reift – und ich weiß, was zu tun ist. Tief unten im Tal von Pinar del Rio, auf das ich nach langer Fahrt und etlichen Umwegen hinunterblicke, entdecke ich zwischen Bananenhainen das Haus: blau das Dach, die Wände weiß, Farben wie am Schornstein des kubanischen Frachters, auf dem Rodrigo Lopez, mit dem ich im Hafen von Szczecin bekannt geworden bin, als zweiter Offizier fährt. Im Hof sind Menschen zu sehen, Salsa- Klänge dringen zu mir hoch, das läßt mich hoffen, Rodrigo anzutreffen. Hat er nicht um diese Zeit heiraten wollen? Das könnte kürzlich gewesen sein, womöglich feiert man noch – wie lange feiert man Hochzeiten auf Kuba? Mühsam schaffe ich es, den Cadillac auf der steilen Serpentinenstraße zu wenden, im ersten Gang lenke ich das Gefährt die Anhöhe hinunter auf das Haus zu, dessen Lage mir Rodrigo in einer polnischen Kneipe auf einem Bierdeckel skizziert hat. »Legt ihr mal in Havanna an, komm vorbei – weit ist das nicht«, versicherte er. Nicht wirklich glaubte ich damals an eine solche Gelegenheit, noch hielt ich diesen Ausflug im Cadillac für möglich. Ich erkenne Rodrigo eher als er mich. Er steht im Hof und starrt auf das Auto. Die Salsa-Klänge verklingen, und alle im Hof starren wie er. Als ich aussteige, schreit Rodrigo auf, ruft meinen Namen, breitet die Arme aus. Wir liegen uns in den Armen. Aber den Anblick des schwarzen Cadillac verkraftet er nur schwer, traut seinen Ohren kaum, als ich ihn aufzuklären versuche. »Mann, oh Mann!« Schließlich lacht er, daß es ihn schüttelt. »Kommst zu spät«, ruft er, die Hochzeit sei vor zwei Tagen gewesen. »Aber trotzdem, besser spät als gar nicht.« Er ruft nach seiner Frau: »Täubchen, schau her!« Die junge Frau kommt gelaufen, die Braut von vorgestern, höchstens achtzehn ist sie alt, dunkelhaarig, dunkeläugig, bildschön – und üppig. Und staunt arg: ein Bekannter ihres Mannes aus Alemania Este in einem Yankee-Auto. »Willkommen, willkommen!« Und schon eilt sie ins Haus zurück, bringt Cola, bringt Rum, bringt Früchte an den Tisch im Hof und wundert sich weiter. »Amigo, daß du gekommen bist«, ruft Rodrigo immer wieder, »mit mehr als hundert Pferdestärken, aber ohne Braut.« »Woher nehmen, wenn nicht stehlen?« frage ich ihn. »Das regeln wir«, verspricht er, »wir regeln das. Iß, trink, verschnauf dich, und dann nichts wie rein in den Cadillac – wäre doch gelacht, wenn wir in Pinar del Rio keine Braut für dich fänden. Mit dem Auto!«
Erschienen in Ossietzky 4/2006 |
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