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In einer der Geschichten, die er in diesem Buch vereint hatte, gestand Heinz Knobloch seinen »Papierfetischismus«, seine Suche nach einem »(teuren) Laden für Schreibwaren, der dann länger haltende Farbbänder führen würde und Durchschlagpapier, das acht Kopien erlaubt, und schon Anfang Oktober neue Taschenkalender«; zugleich sorgte er sich, daß es mit ihm ein schlechtes Ende nehmen würde, wenn es »zu viele Schreibwaren« gäbe. Ich arbeitete damals in einem Betrieb, der Papier und überhaupt alles fürs Büro vertrieb. Es lag nahe, daß mich der Hilferuf wach machte, ohne daß ich zugleich die Sorge um sein Seelenheil geteilt hätte. Ich schickte ihm einige Muster von Dingen, die seinem Interesse entsprechen mochten, und bot ihm an, Bezugsquellen dafür nachzuweisen. Gelernten DDR-Bürgern wird solcher Umgang mit scheinbar Banalem kaum abwegig erscheinen; zu meinem Angebot gehörten auch Artikel, die nur für »gesellschaftliche Bedarfsträger« bestimmt und daher nicht preisgestützt waren. Seine Offerte, auch »Teures« zu nehmen, konnte also durchaus angenommen werden. So begann es. Der Kontakt zwischen uns wandelte sich in verschiedene Formen, eine davon war der Austausch schriftlicher Mitteilungen. Zuerst öfters wegen des Papierbedarfs, der für mich als Handelsmann ungeahnte Größe annehmen konnte: »Ich wollte Ihnen schon einen Hilferuf senden wegen eines Taschenkalenders... Da rennt man seit Mitte November täglich und vergebens... Schließlich gelang es früh um 7 am 4. Dezember an einem Zeitungskiosk in Halle, den kolibri terminus zu kaufen (Woran liegt das... Man kennt doch das Kalendarium und den Bedarf).« Seine Art zu schreiben war bemerkenswert: Postkarten, neue wie alte oder uralte, Fotos, von ihm zu Postkarten erhoben, Schnipsel von Vordrucken, die ihm geeignet erschienen, sie mit seinen Nachrichten zu ergänzen und ihnen neue Bestimmungen zu geben. Auf einem solchen Foto versteckt er sich fast hinter dem Grabmal Heinrich Heines in Paris, im Oktober 1985 kommen »schöne Grüße aus Amerika« mit dem Bericht: »Viel gesehen, viel notiert und gesammelt, und mit dieser Karte sollen Sie ein bißchen daran teilhaben« (was man gern tat). Ein anderes Mal bedankt er sich für die Zusendung eines Exlibris, wieder mit einer selbstgeschneiderten Karte auf der Rückseite eines wohl auch selbstaufgenommenen Fotos, läßt auf einer Karte, mit der die geänderte Telefonnummer mitgeteilt wird, einen Blick auf seinen wohl gerade verlassenen Arbeitsplatz zu Hause in Berlin-Pankow zu, ein andermal wird schnell ein alter Bildkarton aus Tirol – Bruneck mit der Rienz – genommen, um einen Brief zu bestätigen und zugleich daran zu erinnern, daß man sich bei der Postleitzahl geirrt hatte. Genauigkeit gehörte zu seinen Tugenden, das galt keineswegs nur für die lite-rarische Arbeit, sondern auch für den Alltag, wo sie manchmal durchaus notwendig war – man erinnere sich an sein hintergründiges Lob für das Postamt in Oranienburg, dem er schnelle Arbeit bescheinigte (wenngleich er sehr wohl wußte, daß Sendungen aus Berlin auf ihrem Weg zum Empfänger anders behandelt wurden als solche, die nicht in der Hauptstadt aufgegeben worden waren). Ein großer Umschlag, auf dem der Absender nicht angegeben war, benötigte fast drei Wochen, um sein Ziel zu erreichen. Sofort nach Erhalt – er mußte die Sendung zu allem Überfluß auch auf dem Postamt abholen – rief er an, um dringend zu raten, künftig besser aufzupassen. Die Post hatte es ihm auch sonst angetan. Am 30. Juni 1990 verschickte er eine Postkarte, nur um mitzuteilen, daß dies »die Letzttagskarte zum alten Tarif« sei. Und sicherlich hatte er nicht etwa nur zufällig dafür die 10-Pfennig-Marke der DDR-Post mit dem Porträt von Carl von Ossietzky und dem Titel der Weltbühne gewählt. Natürlich war er stolz auf seine Arbeit, und er wünschte sehr, von den Lesern zu hören oder zu lesen, wie seine Bücher bei ihnen angekommen waren. Nicht wenige der Briefe, die zwischen uns gewechselt wurden, enthalten daher auch alles andere als nur Probleme der Versorgung mit Papier oder Kalendern. 1984 schrieb ich ihm und erlebte, daß ihn nichts mehr erbosen konnte als Ignoranz, dazu auf dem Gebiet, auf dem er zuhause war. Deutlich wurde sein Ärger über die Redaktion der Illustrierten Freie Welt , die einen Text, den er 1966 veröffentlicht hatte, im Abstand von zehn Jahren gleich zweimal als Rückübersetzungen aus dem Russischen brachte. Und das, obgleich er bereits bald nach der ersten »Neuentdeckung« in der im gleichen Verlag herausgegebenen Wochenpost über das Phänomen berichtet hatte. Wenn wenigstens der Stil annehmbar gewesen wäre, so jedoch tröstete er sich mit dem Hinweis darauf, daß wenigstens sein Name mit dem Ganzen nicht in Zusammenhang gebracht worden war. Man darf sicher sein, daß er darüber genau so dachte, wie er später in anderem Zusammenhang schrieb: »Dank für Ihren schönen Brief, der mich an längst Vergangenes erinnerte! Ansonsten gilt, was Goethe an Schiller schrieb: ›Wir zwey müssen fest zusammenhalten, da die Welt voller Scheyßkerle ist.‹« In einer Reihe von Büchern stecken bis heute Briefe und Fotos, Postkarten und kleine Zettelchen (davon die meisten auf der Maschine getippt), ein Exlibris-Motiv, bei dem das Gesicht des Autors aus dem geöffneten Buch blickt, dazu auch ein elegantes Lesezeichen, das er an seinem 75. Geburtstag vergeben hatte und auf dem sein »Wappen« abgebildet ist: Ein altertümlicher Schild, der drei Knoblauchknollen umschließt, die mit grünem Lauch auf dem Felde stehen. Es hat mir schon oft gegen Vampire der unterschiedlichsten Art gute Dienste geleistet. Das kann ich bezeugen. Seit zwei Jahren fehlt Heinz Knobloch, nicht nur als Korrespondenzpartner. Man hätte zu seinem 80. am 3. März sehr gern mit ihm gesprochen oder wieder irgend eine Nachricht gewechselt. Vielleicht auch wieder ein neues Buch aufgeschlagen. So bleiben nur die Erinnerungen.
Erschienen in Ossietzky 4/2006 |
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