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Allerdings hatte sich der kürzlich verstorbene Apostolische Administrator der Diözese von Prizren, Marko Sopi, gewiß nicht ohne Rücksprache mit seiner Obrigkeit, schon im März des vergangenen Jahres ziemlich präzise festgelegt, indem er laut Radio Vatikan erklärte: »Wenn es nicht gelingt, den Status Kosovos genau festzulegen, wird es keinen wahren Frieden geben... Ich selbst denke, daß die Unabhängigkeit die einzig wirkliche Lösung ist.« Aus dieser Sicht ist es ein gottgefälliges Werk, an das sich der von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Sondergesandte Martti Ahtisaari, vormals finnischer Präsident, gemacht hat, um in den Verhandlungen über den künftigen Status Kosovos zu vermitteln und den Wünschen der Unabhängigkeitsbefürworter entgegenzukommen. Während seiner Pendeldiplomatie wird er dornenreiche Wege zurücklegen müssen, damit sein Stern als »Vermittlungswunderwaffe der UNO« weiterhin leuchtet. Die Positionen der streitenden Parteien sind meilenweit von einander entfernt. Belgrad, partiell unterstützt von Moskau und Peking, zeigt sich kompromißbereit, beharrt jedoch auf der Zugehörigkeit des Gebietes zur Republik Serbien und kann sich dabei auf die nach der NATO-Aggression gegen Jugoslawien verabschiedete UN-Resolution 1244 stützen, in der die »Anerkennung der Souveränität und territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien« festgeschrieben ist. Pristina dagegen verlangt kategorisch die sofortige Unabhängigkeit des Gebietes, aus dem dank des NATO-Krieges gegen die angebliche ethnische Vertreibung der Albaner mehr als zwei Drittel der noch 1999 dort lebenden Serben vertrieben wurden. Es bedarf keiner prophetischen Gabe, um vorauszusagen, daß die Vermittlungsmission Ahtisaaris mit einem Kompromiß enden wird, allerdings wahrscheinlich mit einem ziemlich faulen. Die Linie dazu haben NATO und EU vorgegeben: Kosovo soll nicht unabhängig, sondern in eine »bedingte Unabhängigkeit« entlassen werden, bei der eine »starke internationale zivile und militärische Präsenz«, wahrgenommen durch die EU, erhalten bleibt. Aus dem UN-Protektorat unter NATO-Führung würde so ein EU-Protektorat, oder wie die Kosovo-Albaner sagen: Aus »UNMIkistan« wird »EUMIKistan«. Das nahe dem Kosovo-Städtchen Urosevac liegende »Camp Bondsteel«, die größte Militärbasis der USA seit dem Vietnamkrieg (benannt nach einem damals gefallenen US-Soldaten, einem sogenannten Kriegshelden), dürfte wohl seinen Namen und Standort behalten, dient es doch dem Schutz der »Freien Welt« und der strategischen Interessen Washingtons auf dem Balkan. An der Wiege dieses »bedingt unabhängigen! EUMIKistans würden die deutschen Geburtshelfer in vorderster Reihe stehen, denn vor allem sie präferieren diese Lösung. Manche kosovo-albanischen Politiker in Pristina nennen diese sogar eine »Kreation aus dem Auswärtigen Amt«, die zu tragen man nicht bereit sei. Undank ist der Welten Lohn, während doch gerade deutsche Politiker einander in puncto Selbstlosigkeit und Edelmut überbieten, namentlich der Politische Direktor im Auswärtigem Amt, Michael Schäfer, der Mitte Oktober 2005 gegenüber der Belgrader Politika versicherte: »Eines ist klar: Es geht darum, einen demokratischen und rechtsstaatlichen Kosovo zu schaffen,... in dem jeder für sich und seine Familie eine Zukunft in Sicherheit und Prosperität aufbauen kann.« Doch ganz so uneigennützig sind die NATO- und EU-Menschenfreunde nicht. Kosovo ist ein armes, aber an Ressourcen reiches Gebiet. Es verfügt über beträchtliche Vorkommen an Blei, Zink, Chrom, Nickel, Silber, Gold und mit 17 Milliarden Tonnen über die zweitgrößten Braunkohlelagerstätten Europas. Begierig greift das deutsche und internationale Kapital nach diesen Reichtümern. Es begann mit dem Bergbaukombinat Trepca im Norden des Amselfeldes, das einst, in den Zeiten der sozialistischen Selbstverwaltung, 29.000 Beschäftigte zählte und in der Blei- und Zinkproduktion an zweiter Stelle in Europa lag. Im August 2000, ein Jahr nach der Eroberung Kosovos durch die NATO, wurde es von schwerbewaffneten KFOR-Truppen gestürmt und gegen den erbitterten Widerstand der Arbeiter der UN-Verwaltung unterstellt. Der serbische Direktor wurde davongejagt und durch einen Vertreter der »internationalen Gemeinschaft« ersetzt. Die Übernahme war laut Kofi Annan ein erster Schritt in Richtung Privatisierung. Diese ist in Trepca aufgrund der Zerstörungen durch NATO-Raketen und ungeklärter Eigentumsverhältnisse noch nicht abgeschlossen, aber in anderen Teilen Kosovos kommt sie, wenn auch schwerfällig, voran. Zuständig dafür ist die Kosovo-Treuhandagentur (KTA), die im Mai 2003 mit der Privatisierung von 540 Unternehmen begann. Ungeachtet der Proteste Belgrads gegen die rechtswidrigen Enteignungen »des privaten und staatlichen Eigentums des serbischen Volkes« wurden bisher 120 für den üblichen Apfel plus ein Ei verkauft. Höher liegt der Preis der Bodenschätze. Sie wurden für internationale Investoren ausgeschrieben und sollen mehr als 10 Milliarden Euro bringen. Bisher wurden 100 Millionen eingenommen. Unterstellt ist die Privatisierungsagentur dem 4. Büro der UN-Verwaltung in Pristina, und an dessen Spitze steht ein Vertreter aus dem treuhanderfahrenen Deutschland: Joachim Rücker, Spitzname »Yogi«, ehemaliger Oberbürgermeister von Sindelfingen und ein guter Bekannter des edelmütigen Direktors im Auswärtigen Amt, Michael Schäfer. In einer Rede vor der Südosteuropagesellschaft im März 2005 hatte dieser eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Kosovo unter anderem »durch Privatisierung der noch im gesellschaftlichen Eigentum befindlichen Unternehmen« gefordert, um fortzufahren: »Ich bin sehr froh, daß die Verantwortung des Wirtschaftsteils der UNMIK-Verwaltung seit kurzem in der Hand meines Freundes Joachim Rücker liegt. Sein Sachverstand und seine große Erfahrung werden dabei helfen, dieses vielleicht schwierigste Problem in Kosovo in den Griff zu bekommen. Ich freue mich sehr, daß Du heute bei uns bist und wünsche Dir, lieber Yogi, bei Deiner verantwortungsvollen Aufgabe viel Fortune.« Letztere stand dem lieben Yogi nicht immer zur Seite. Als er den in Drenica, 40 Kilometer nördlich von Pristina gelegenen Industriegiganten »Ferronickel«, in dem einst jährlich 7.000 Tonnen Nickel gefördert und verarbeitet wurden, für 33 Millionen Euro an die dubiose Firma »Alferon« verhökerte und zu diesem Zweck das Werk besuchte, schlugen ihn die Arbeiter mit dem Ruf »Rücker, go home!« in die Flucht. Die Firma »Alferon« hat ihren Geschäftssitz in Kasachstan, an ihr ist – welch ein Zufall – Thyssen-Krupp beteiligt. Die protestierenden Arbeiter hatten sich, unterstützt von ihrer Gewerkschaft, auf die Gesetze des »alten Jugoslawiens« berufen, wonach der Betrieb ihr selbstverwaltetes Gemeineigentum ist, weshalb sie sich als »die Herren des Verfahrens« bezeichneten. Doch »Herr des Verfahrens« bleibt Rücker, schließlich handelt er im höheren Auftrag, den sein Freund, der Politische Direktor Schäfer, in der erwähnten Rede nach der Aufzählung der bisherigen humanitären Hilfe für Kosovo mit den Worten umriß, es werde Zeit, daß »diese Investitionen endlich politische und wirtschaftliche Rendite bringen«. Wenn Ahtisaari die Statusverhandlungen so moderiert, daß sie zur »bedingten Unabhängigkeit« Kosovos unter EU-Aufsicht führen, dann werden auch Rückers Geschäfte besser laufen, und der humanitäre NATO-Krieg wird endlich auch die gewünschte Rendite abwerfen. Was macht es dann schon aus, wenn in einem solchen Falle das Völkerrecht erneut gebrochen und der Balkan gefährlich destabilisiert wird – ganz abgesehen von der Enteignung und Entrechtung der Menschen dort?
Erschienen in Ossietzky 4/2006 |
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