Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Sind Demokratien friedlicher?Edelbert Richter Die postmoderne Welt muß sich an den Gedanken der Doppelmoral gewöhnen, meint Robert Cooper, ein enger Berater von Tony Blair. Untereinander mögen die Europäer »auf der Basis von Gesetzen und offener, kooperativer Sicherheit« agieren. Doch im Umgang mit der außereuropäischen Welt »müssen wir auf die rauheren Methoden einer früheren Epoche zurückgreifen – Gewalt, Präventiv-schlag, Täuschung und was sonst noch notwendig sein mag«. Coopers Grundsatz lautet: »Im Umgang miteinander halten wir uns an Recht und Gesetz, doch wenn wir im Dschungel agieren, müssen wir uns nach den Gesetzen des Dschungels richten.« Seine Argumentation geht an die Adresse Europas, verbunden mit der Aufforderung, der Kontinent solle seine physische und psychologische Verteidigung nicht länger vernachlässigen. Diese Doppelmoral findet unter Politiktheoretikern mehr und mehr Befürworter. Zugleich halten viele nach wie vor an der These fest, daß demokratische Systeme grundsätzlich und jedenfalls im Verhältnis zueinander Konflikte friedlich lösen. Sie können dafür auch zahlreiche Belege liefern, die meist nur weniger bekannt sind, weil gewaltsame Konflikte mehr Aufmerksamkeit finden. Dennoch bleibt da ein böser Widerspruch. Prüfen wir mit unbefangenem Blick einige Argumente, die die Theorie vom demokratischen Frieden vorbringt. Das älteste, sozusagen klassische Argument ist, daß die Bürger, wenn sie nur in der Frage von Krieg und Frieden mitentscheiden können, nüchtern Aufwand und Nutzen ins Verhältnis setzen und so im allgemeinen zu dem Ergebnis kommen werden, daß sich der Aufwand eines Krieges (zumal die persönlichen Kosten und Opfer) nicht lohne. Der naheliegende Einwand ist aber: Was geschieht, wenn der Gegner gerade so schwach und unterlegen ist, daß der Aufwand sich in Grenzen hält? Oder wenn er über solche Reichtümer verfügt, daß der Nutzen ihrer Eroberung die Kosten überwiegt? Oder wenn der demokratische Staat der nüchternen Kalkulation seiner Bürger Rechnung trägt, indem er ihre persönlichen Opfer zum Beispiel durch High-Tech-Rüstung oder durch das Anwerben von Söldnern so gering wie möglich hält? Das ist seit langem schon die Strategie der US-amerikanischen Führungen. Die Kosten-Nutzen-Kalkulation reicht offenbar nicht aus, um den demokratischen Frieden zu garantieren. Versuchen wir es also mit dem zweiten, in gewisser Hinsicht entgegengesetzten Argument. Es lautet, daß die Bürger im demokratischen Gemeinwesen gelernt haben, ihre Konflikte gewaltfrei auszutragen, und daß sie dieses Verhaltensmuster, da sie ja mitentscheiden, nun auch auf die Außenpolitik übertragen. Daß sie also von dem Staat, der ihnen vermöge seines Gewaltmonopols ein friedliches Verhalten beigebracht hat, mit gutem Recht dasselbe Verhalten nach außen verlangen. Nun kann aber – siehe den deutschen Zitatenschatz – der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt, und das läßt sich so ausdeuten: Die bösen Nachbarn brauchen die demokratischen Frommen gar nicht zu bedrohen, es genügt, daß sie sich in ihren eigenen Ländern oder untereinander nicht an die Regel der Gewaltfreiheit halten. Wie lange sollen die Demokraten sich das dann mit ansehen? Gerade wenn sie nicht nur Egoisten sind, sondern an gemeinsame Normen des Zusammenlebens glauben, sehen sie sich berechtigt und geradezu verpflichtet einzugreifen, also die Souveränität des anderen Staats zu mißachten und Krieg zu führen. Warum soll den anderen nicht endlich beigebracht werden, was man selber doch auch unter Schmerzen hat lernen müssen? Auch das moralisch-politische Argument reicht demnach nicht aus, den Frieden zu sichern, es kann sogar ein ausgezeichneter Grund zum Kriegführen sein. Es steht nur scheinbar besser um die Theorie vom demokratischen Frieden, wenn sie sich nun eben auf beide, den egoistischen Bourgeois und den engagierten Citoyen, zugleich zu stützen versucht. Denn Eins und Eins ergibt zwar Zwei, aber durch die Summierung zweier unsicherer Größen entsteht nicht mehr Sicherheit. Gewiß kann es sein, daß beide an einem Strang ziehen, aber womöglich gerade für einen Krieg – wenn nämlich der Fall eintritt, daß das Kosten-Nutzen-Verhältnis akzeptabel und der Gegner moralisch verwerflich erscheint. Daher sollte die Friedenstheorie wohl besser vom egoistischen oder tugendhaften Charakter der BürgerInnen abstrahieren und sich auf die Institutionen der Demokratie stützen. Denn Egoismus und Tugend gibt es ja auch in anderen Staatsformen, die Institutionen aber sind es, die die Demokratie von ihnen unterschieden. Werden nicht zum Beispiel die Gewaltenteilung, das Mehrheitsprinzip oder die öffentliche Kontrolle des staatlichen Handelns die Entscheidung und Mobilisierung für einen Krieg erschweren? Das ist ein plausibles Argument, aber nur unter einer Voraussetzung: Die Institutionen der Demokratie müssen so stark und gefestigt sein, daß sie nicht doch unterlaufen oder gar aus den Angeln gehoben werden können. Werden zum Beispiel wirtschaftlich starke und gut organisierte Minderheiten nicht doch die Öffentlichkeit manipulieren, die Balance der Gewalten aufheben und sich so gegenüber der Mehrheit durchsetzen? Wir sehen es nicht nur in den USA. Folglich ist das, was von der Theorie als stabile Grundlage des Friedens vorausgesetzt wird, vielmehr höchst labil, und was als Tatsache angenommen wird, ist zunächst nicht mehr als eine Forderung. Wenn es aber darauf ankommt, allererst die demokratischen Institutionen zu stärken, dann drehen wir uns im Kreise, denn das können wieder nur die BürgerInnen tun: Es gibt keine Demokratie ohne Demokraten. Die Theorie vom demokratischen Frieden hat aber noch eine weitere schwankende Voraussetzung: Die verschiedenen Institutionen müssen derart ideal zusammenspielen, daß Widersprüche zwischen ihnen irgendwie überwunden werden. Ein Volksentscheid ist aber bekanntlich etwas ganz anderes als eine Parlamentsentscheidung. So wären zum Beispiel in den 80er Jahren in der Bundesrepublik keine neuen Mittelstreckenraketen stationiert worden, wenn ein Volksentscheid darüber hätte stattfinden können. Auch hier kommen die egoistischen oder tugendhaften Menschen durch die Hintertür wieder herein. Denn die einen werden für mehr indirekte und die anderen für mehr direkte Demokratie plädieren. Wenn aber schon der Begriff der Demokratie so in sich widersprüchlich ist, wie soll die Demokratie selber dann eindeutig in Richtung Frieden weisen? Zumindest wäre immer erst einmal zu klären, wie demokratisch denn ein Land, das sich demokratisch nennt, tatsächlich ist: wem beispielsweise die Medien gehören und wie kommerzielle Interessen möglicherweise demokratische Institutionen penetrieren und pervertieren können, wenn das Wirtschaftsleben nicht demokratisch organisiert ist. Was die heutige Situation betrifft, so kommt auch der namhafteste Vertreter der liberalen Schule in Deutschland, Ernst-Otto Czempiel, nicht umhin, schon seit Mitte der 90er Jahre deutliche Rückschritte im Aufbau jener Weltgesellschaft zu konstatieren, die zwischenstaatliche Gegensätze relativieren könnte! Und zwar hauptsächlich aufgrund der Außenpolitik der ältesten Demokratie der modernen Welt. Was bleibt da von der liberalen Hoffnung noch übrig? Vom Autor ist soeben erschienen: »…daß die Macht an sich böse ist« – Eine Aktualisierung von Jacob Burckhardt, VSA Verlag, 118 Seiten, 9.80
Erschienen in Ossietzky 4/2006 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |