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Und wenn die Kapitäne der Ausflugsboote auf der Spree das Kanzleramt »Kanzlerwaschmaschine« nennen, sollte man daraus hinwiederum nicht unbedingt auf die Beliebtheit der wechselnden BewohnerInnen dieses Gebäudes beim Volk schließen. Um den geplanten Palast-Abriß plausibel zu machen, wurde nach der Asbestverseuchung (einem Faktum, das mindestens für das gewaltige Kongreßzentrum am Westrand der Stadt so dringlich bis zum heutigen Tag nicht zu sein scheint) die angebliche Häßlichkeit des Hauses geltend gemacht. Architektur-Ästheten wie unser verflossener Kanzler übersahen bei ihrem Urteil geflissentlich den wilhelminischen Berliner Dom in all seiner protzigen Gründerzeit-Häßlichkeit eines nachgeäfften italienischen Barock gleich daneben. In der Reichsbank am Werderschen Markt hatten deren Präsident Hjalmar Schacht und seine Leute für Hitler den Zweiten Weltkrieg durchgerechnet, ehe es dem Zentralkomitee der SED als Großes Haus diente. Die Herren des Auswärtigen Amts versteckten ihr ruhmloses neues Domizil hinter einem Vorbau, der dem Palast der Republik zwar durchaus ähnelt, aber wahrlich nicht hübscher ist als das so heftig verunglimpfte Gebäude. Als Symbol des »Unrechtsstaates DDR« soll der Palast des Volkes für alle Zeiten verschwinden. Niemand kam auf die einfache, versöhnende Idee, den Palast schlicht und ideologiefrei nicht als ein Überbleibsel der »SED-Herrschaft«, sondern als ein Geschenk der Ostdeutschen, die ihn ja zu guten Teilen für hart erworbene West-Devisen gebaut hatten, ein Geschenk der Architekten, Ingenieure, Bauarbeiter an alle Deutschen zu betrachten. Einfach, aber unvorstellbar. Hierzulande wächst niemand über sich hinaus, koste es, was es wolle. Und jeder, der die Macht hat, hat Recht, auf Teufel komm raus. Der Bau muß weg, weil Honecker dort zum Tag der Republik den Tanz eröffnet und die SED Parteitage abgehalten hat. Und das Schloß, oder etwas, was an das Schloß erinnert, muß wieder her. Da sei aber nun wenigstens einmal, zum Schluß, ein ebenfalls ideologisches Argument dagegengesetzt. Denn der Klügere gibt nach (und das Schloßportal IV auf der Lustgartenseite, von dem aus Karl Liebknecht einst die Republik ausgerufen hat, das werden wir ja dann gleich zweimal am Platze haben; das Original ist schräg gegenüber an der Fassade des einstigen DDR-Staatsratsgebäudes zu sehen, in das inzwischen eine Managerakademie eingezogen ist). Eine alte Postkarte »aus großer Zeit« zeigt das Schloß am 1. August 1914, davor eine jubelnde Menschenmenge. Auf einem der Balkone Wilhelm II.: »Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche« und »Es muß denn das Schwert entscheiden!« Muß es oder soll es? Fakt ist, daß genau in diesem Schloß die verderbenbringenden Kriegspläne gefaßt wurden. Sie waren nicht nur prinzipiell verwerflich, sondern obendrein noch ohne jede Ahnung von den damaligen aktuellen Machtverhältnissen in Europa und in der Welt. Der Krieg, der im Berliner Schloß ausgeheckt wurde und von dort aus seinen Anfang nahm, fand auf der Grundlage eines damals schon neun Jahre alten militärischen Geheimplanes statt, den auch der jüngste Generalstabsoffizier in London längst kennen konnte. Die Schlächterei begann mit dem illegalen und unerlaubten Einmarsch der kaiserlichen Truppen ins souveräne Königreich Belgien und wurde auf der Stelle durch die damit verbundene, klar vorhersehbare Kriegserklärung Großbritanniens an Deutschland ad absurdum geführt: Im träumerischen Schlieffen-Plan für die ersten kriegsentscheidenden Wochen war das englische Empire als dritter möglicher und ernsthaftester Gegner neben Rußland und Frankreich nicht vorgesehen. Das hoffärtige Abenteuer war an der Marne, genau fünf Wochen nach seinem Beginn, für Deutschland endgültig verloren. Mit dem vorweggenommenen nationalistischen Siegestaumel vor und in diesem Schloß begann der Krieg, und er endete mit 1,8 Millionen ohne jeden Sinn zu Tode gekommenen deutschen Männern, dem vollkommen zerstörten nördlichen Teil Frankreichs und dem zur Hälfte zerstörten Belgien und mit all den toten Soldaten und Zivilisten in diesen und vielen anderen Ländern. Wofür das deutsche Volk dann zur Verantwortung gezogen wurde und zu zahlen hatte – nicht aber die Majestät samt ihrer arrogant-dümmlichen Generalität und nicht die deutschen Industriebosse. Der Kaiser in all seiner Erbärmlichkeit hatte sich aus seinem Hauptquartier im belgischen Badeort Spa ins sichere holländische Doorn zurückgezogen. An den dort raren Bäumen kühlte er sein Mütchen. Nach dem einst so innig geliebten Schloß im Berliner Zentrum spürte er keinerlei Verlangen mehr. Später gratulierte er Adolf Hitler in einem Telegramm noch zu der endlichen, von ihm selbst so heiß ersehnten Eroberung der Hauptstadt Frankreichs. Als das Volk von Paris die Deutsche Wehrmacht rausschmiß, war dieses ganz besondere Exemplar eines hochwohlgeborenen großmäuligen Feiglings und Mörders seiner Landsleute bereits in seinem warmen Bett gestorben. Bald darauf brannte das Schloß aus, von alliierten Bomben getroffen. Die erste Republik hatte es 1921 verstaatlicht, aber zur Verwendung des ererbten, teuer genug bezahlten Prunkstücks war ihr nichts Gescheites eingefallen. Ginge doch nur wieder etwas von dem Augustgefühl des Jahres 1914 wie ein »Ruck« durchs derzeitige Deutschland – das »auch du bist«! So hoffen die Ideologen von heute, alle die in ihren Herzen »national« fühlenden Politiker, Industriellen, Journalisten, Juristen, Pastoren, Professoren unserer täglichen Talk-Show. Selbstverständlich Demokraten allesamt. Der Krieg, der am 1. August 1914 im und vorm Berliner Schloß begann, ist er eigentlich schon zu Ende?
Erschienen in Ossietzky 3/2006 |
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