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Über Eiserne Vorhänge, die in diesem Film ständig heruntergelassen werden, wo sonst in Filmen nur normale Abblenden sind, muß eigentlich nichts mehr gesagt werden, da im Kalten Krieg darüber alles gesagt wurde: Kommunisten schotteten sich mit Eisernen Vorhängen nicht nur von der Freien Welt ab, sie zerdrückten unter der Last der Eisernen Vorhänge jeden Funken von Freiheit, auch auf den Theatern. Brecht zählte man damals anständigerweise noch zu jenen »Zerdrückern«. Hatte er doch, gefragt, warum er hinter dem Eisernen Vorhang lebe, geantwortet: »Ich habe nicht meine Meinung, weil ich dort lebe, ich lebe dort, weil ich meine Meinung habe.« Konsequenterweise boykottierte man dann jedesmal nach solchen Äußerungen seine Stücke in der Freien Welt. Und als das Berliner Ensemble den Eisernen Vorhang wieder einmal hinter sich ließ und 1960 mit dem »Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui« in Frankfurt am Main gastierte, empfingen es dort an den Litfaßsäulen Plakate mit klarem Text: »Die Kosaken kommen«. Und die Junge Gemeinde bildete einen festen Kordon um das Frankfurter Schauspielhaus und versuchte – leider eben vergeblich – das Publikum vor den Kosaken zu schützen. Das war Alltag in der freien Wertegemeinschaft und muß in einer »politischen Biographie«, wie sich jener RBB -Film nennt, nicht besonders erwähnt werden. Auch ich glaubte bis zum 3o. Januar 2006, eben bis zur Ausstrahlung jener »politischen Biographie«, daß solche eindrücklichen Erfahrungen nicht zu überbieten seien. Irrtum! Die »politische Biographie« setzt neue Maßstäbe. Dem Mitautor Schütt gelingt es, den schon fast vergessenen Eisernen Vorhang, einen bewährten Kampfbegriff, von Churchill kreiert, wieder herunterzurollen. Trennte man einst, um Brecht für die freie Wertegemeinschaft salonfähig zu machen, den Dichter Brecht von dem Politiker Brecht, um zu zeigen, wie der Dichter Opfer des Politikers wurde, macht die »politische Biographie« nun aus dem ganzen Brecht ein einziges Opfer. Brecht wird zum »Schmerzensmann« am Kreuze des Kommunismus. Man belegt das natürlich mit Zitaten. So Fred Oelsner, Mitglied des Politbüros der SED, über Brechts »Die Mutter« 1951: » …das ist kein Theater, das ist irgendeine Kreuzung vom Meyerhold und Proletkult«. Oder noch schlimmer Fritz Erpenbeck über Brechts »Der kaukasische Kreidekreis« 1954 in Theater der Zeit : »Vorsicht, Sackgasse!«. Und die »politische Biographie« weiß noch Schlimmeres: Das Neue Deutschland , die Parteizeitung!, brachte überhaupt keine Kritik über den »Kaukasischen Kreidekreis«. Daß hingegen der Kritiker der Täglichen Rundschau , immerhin die Zeitung der sowjetischen Besatzungsmacht, sowohl »Mutter Courage und ihre Kinder« als auch »Die Mutter« als »grandiose Rückkehr großen Nationaltheaters« und »Sieg des politischen Theaters über die schwärzeste Zeit Deutschlands« bejubelte, kann in einem solchen Film natürlich nicht erwähnt werden. Auch Max Schröders Kritik im Aufbau , der Zeitschrift des Kulturbundes, die vom »Kaukasischen Kreidekreis« als »Theaterereignis des Jahrhunderts« spricht, paßt nicht zu einem Brecht als Schmerzensmann am Kreuze den Kommunismus. Und daß der Schmerzensmann nach dem 17. Juni 1953 die »Kulturkommission beim Politbüro des SED« nicht nur in Gedichten verspottete, sondern im praktischen Zugriff verjagte und dafür den Dichter Johannes R. Becher als Kulturminister durchsetzte, muß ebenso unerwähnt bleiben – das hätten sich die Kommunisten hinter dem Eisernen Vorhang nie gefallen lassen! Daß das Berliner Ensemble mit den von den Kommunisten verfemten Stücken wie »Mutter Courage« und »Die Mutter« auf dringenden Wunsch eben jener Kommunisten immer wieder zu den »Theaterwochen der Gewerkschaften« in vielen Städten und Großbetrieben gastierte, muß eine »politische Biographie« mit dem Titel »Der Eiserne Vorhang« selbstverständlich außer acht lassen. Und so weiter. Die heutigen Streiter für Freiheit und democracy können nicht akzeptieren, daß es unter Kommunisten unterschiedliche, ja gegensätzliche Meinungen gibt. Das stört ihr Bild vom Kommunismus. Ich habe mich entschlossen, dem beherzten Mitautor der »politischen Biographie«, Hans Dieter Schütt, das Buch »Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts« von Heinz Dieterich, Berater von Hugo Chàvez, zu schenken. Nicht, um damit Hans Dieter Schütts Lieblingsthese von der Alternativlosigkeit unserer Gesellschaft zu widersprechen, sondern um ihm eine kleine Widmung hineinzuschreiben: Lieber Hans Dieter Schütt, wie Sie diesem Buch entnehmen, finde ich eine Annäherung an Leute wie Hugo Chàvez weitaus nützlicher und vor allem heiterer, als heute eine erneute Annäherung an McCarthy vorzunehmen. Oder gar eine an den Politischen Ausschuß des Europa-Rates in Strasbourg, der am 16. Dezember 2005 den (vorläufig noch) geistigen Bürgerkrieg gegen den Kommunismus eröffnete. Auch was die Alternativlosigkeit unserer Gesellschaft betrifft, halte ich es, wie ich Ihnen kürzlich mitteilte, eher mit Noam Chomsky. Dennoch wünsche ich Ihnen für die Lektüre des Buches viele Anstöße. Ihr ManfredWekwerth
Erschienen in Ossietzky 3/2006 |
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