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Sie zog zum 1.1.2004 aus der elterlichen Wohnung aus und lebt seitdem mit Herrn G, der 1981 geboren wurde, in einer gemeinsamen Wohnung. Mit dem Vorgenannten besteht ein Untermietvertrag, ausweislich dessen die Antragstellerin 153 Euro Miete und 44,60 Euro Nebenkosten monatlich zu zahlen hat. Die Antragstellerin erhält Kindergeld in Höhe von 154 Euro monatlich. Unter dem 10.6.2005 stellte sie einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II. Die Antragsgegnerin beauftragte daraufhin ihren internen Ermittlungsdienst damit, Nachforschungen über das Verhältnis der Antragstellerin und des Herrn G anzustellen. Der Ermittlungsdienst der Antragsgegnerin befragte daraufhin die Eigentümerin des Hauses, Frau I. Diese teilte dem Ermittlungsdienst angeblich mit, sie sei sich sicher, daß es sich bei der Antragstellerin und Herrn G um eine »Liaison d' amour« handele. Mit Bescheid vom 19.7.2005 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II mit der Begründung ab, die Antragstellerin lebe in »eheähnlicher Lebensgemeinschaft« und müsse sich daher Einkommen ihres Partners anrechnen lassen. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache Erfolg. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn sie hat versichert, derzeit von lediglich 154 Euro Kindergeld leben zu müssen. Diese Geldmittel reichen zur Bestreitung des Lebensunterhalts erkennbar nicht aus. Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn nach der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung dürfte der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Ablehnung von Leistungen nach SGB II erfolgreich sein, denn der ablehnende Bescheid ist rechtswidrig. Die Antragstellerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II... Eine Leistungsgewährung kann auch nicht unter Hinweis auf ein Einkommen des Herrn G versagt werden. Aber selbst wenn Herr G über ausreichendes Einkommen verfügen sollte, kann eine Anrechnung seines Einkommens – nach dem derzeit bekannten Sachstand – nicht erfolgen. Es ist nämlich nicht wahrscheinlich, daß die Antragstellerin mit Herrn G in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zuläßt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen. Eine gegenseitige Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist – nach der vorgenannten Rechtsprechung – nur bei solchen Gemeinschaften gegeben, in denen die Bindungen der Partner so eng sind, daß von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann… wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr füreinander verantwortlich fühlen, daß sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden… Für eine derartige Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Streng genommen wird dies von der Antragsgegnerin auch gar nicht behauptet, denn die Antragsgegnerin schließt aus dem von der Vermieterin der Antragstellerin gebrauchten Begriff der »Liaison d' amour« auf eine »eheähnliche Lebensgemeinschaft«. Liaison (französisch »Bindung«) aber ist – in der deutschen Umgangssprache – der Begriff für eine nur »kurzzeitige Liebesbeziehung«. Das Wort wurde in dieser Bedeutung geläufig durch den Roman »Les liaisons dangereuses« (Gefährliche Liebschaften) von Pierre Ambroise-Francois Choderlos de Laclos. Unabhängig davon, daß die Antragsgegnerin also die Aussage der Vermieterin wohl fehlinterpretiert hat, deutet keines der von der Rechtsprechung entwickelten Indizien vorliegend auf eine »eheähnliche Lebensgemeinschaft« hin... Das jugendliche Alter der Partner spricht vorliegend deutlich gegen die Annahme eine »eheähnlichen Lebensgemeinschaft«. In der gesellschaftlichen Realität der Bundesrepublik Deutschland ist es äußerst unüblich, daß 18-jährige eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft eingehen, die mit einem gegenseitigen Einstehen füreinander verbunden ist. Auch die Ermittlungen der Antragsgegnerin machen das Vorliegen einer »eheähnlichen Lebensgemeinschaft« nicht wahrscheinlich. Ob die Antragstellerin ein Liebesverhältnis zu Herrn G unterhält – was das Gericht durchaus für wahrscheinlich hält – ist für die Frage, ob eine »eheähnliche Gemeinschaft« vorliegt, zunächst einmal ohne Belang. Der Begriff der »eheähnlichen Gemeinschaft« knüpft nämlich an den Begriff der »Ehe« an. Wesentliches Element der Ehe ist nach § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch die gegenseitige Unterhaltspflicht... Würde man wie die Antragsgegnerin allein auf ein Zusammenleben abstellen, so wäre die Antragstellerin völlig rechtlos gestellt. Als Partnerin einer nur vermeintlichen »eheähnlichen Lebensgemeinschaft« hat die Antragstellerin nämlich keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, aber gleichzeitig auch keinen Anspruch auf Leistungen von ihrem Partner, weil sie mit diesem nicht verheiratet ist und ein Unterhaltsanspruch für Unverheiratete gesetzlich nicht vorgesehen ist... Das Düsseldorfer Gericht stellte ferner fest, die Behörde habe rechtswidrig gehandelt, indem sie ohne Kenntnis der Betroffenen von der Vermeterin Auskünfte über die sozialen Verhältnisse in der Mietwohnung einholte. Dieses behördliche Vorgehen sei bußgeldpflichtig. Urteile dieser Art beunruhigen die Exekutoren der »Sozialreformen«. Deshalb hat sich der Vizepräsident der Bundesagentur für Arbeit etwas Neues einfallen lassen: Bei den »eheähnlichen Gemeinschaften« müsse eine »Umkehr der Beweislast« eingeführt werden: Menschen, die in einer Wohnung zusammenleben, sollen bei Anträgen auf Sozialleistungen in Zukunft nachweisen müssen, daß sich bei ihnen nichts Eheähnliches abspielt. Wer sich Leistungen »erschleicht«, soll mit einer Haftstrafe belegt werden. Die Familienförderung, von der so viel die Rede ist, geht, wie wir sehen, ganz neue Wege. A.K.
Erschienen in Ossietzky 3/2006 |
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