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Er wurde Sanitätshelfer, zuerst in Ostpreußen, dann in Flandern, arbeitete im Typhuslazarett und im Operationssaal, bis er 1915 zusammenbrach und beurlaubt werden mußte. Die Kunsthalle Hamburg zeigt bis zum 19. Februar Zeichnungen und Druckgraphik »Max Beckmann und der Krieg« aus der Sammlung Hegewisch (ab 12. März »Die Hölle«, Lithographien von 1919, und ab 10. September »Jahrmarkt« und »Berliner Reise«). Die Brutalität des Krieges veränderte auch seinen Stil, die Technik. Die Weichheit von Bleistift und Kreide wurde durch die Schärfe der Feder abgelöst. Die herkömmliche Perspektive war einem horror vacui gewichen. Schon das Blatt »Die Kriegserklärung« ist bedeckt bis an den Rand mit Gesichtern, fragend, angsterfüllt, die Augen aufgerissen. »Gesichter« heißt einer der Zyklen. Die Physiognomie der »Zwei Autooffiziere« von 1915, dumm, aalglatt, uninteressiert. Was spielen Kinder, damals? Krieg, den sie mit Knüppeln und Holzgewehren nachmachen. Im Oktober 1914 schreibt Beckmann, dass er Furchtbares erlebt habe, er sei schon einige Male gestorben, »aber je öfter man stirbt, um so intensiver lebt man.« Seine Blätter von Operationen – er war dabei – lassen hautnah spüren, wie der Verletzte von Pflegern festgehalten wird, halb sitzend, vielleicht ohne Narkotikum. Kommentar des Künstlers: »Schön sind die Ansammlungen im Operationssaal, mit den dunklen verwilderten Gesichtern, den großen Bärten und den weißen Verbänden.« Auch das »Leichenhaus«: sezierend genau dargestellt. Beckmann wohnte eine Zeitlang darüber. Um nicht verrückt zu werden, überhöhte er alles ins Mythische, gab in seinem Blatt »Auferstehung« den Toten ein neues Leben. Nackt und zusammengedrängt, das Gesicht bedeckend oder aufblickend zur schwarzen Sonne, kriechen sie aus dunklen Löchern. Unverständlich seine frühere Faszination: »Draußen, das wunderbar großartige Geräusch der Schlacht... wie wenn Tore zur Ewigkeit aufgerissen werden, ist es, wenn so eine große Salve herüberklingt.« Er wünschte, es malen zu können, dieses Geräusch. Das Grausame, das er erlebte, ins Zeitlose zu übersetzen und es für seine Kunst verwertbar zu machen, brachte ihn in die Nähe religiöser Darstellungen. In der »Kreuzabnahme« wird ein ausgemergelter, halbverhungerter Christus mit spitzen Knochen, die Arme noch steif ausgebreitet, von Schergen mit zweifelnd ängstlichem Blick, um den Körper gefaßt, von der Leiter genommen. Beckmann, der Künstler, sieht allein die Form: »Manchmal denke ich, ich muß verrückt werden, so ermüdet und quält mich diese schmerzliche Wollust. Alles versinkt, Zeit und Raum, und ich denke nur immer, wie malst du den Kopf des Auferstandenen gegen die roten Gestirne am Himmel des Jüngsten Tages.« Im Jahr 1919, der Krieg ist zu Ende, Beckmanns Euphorie längst verflogen, gewichen einem gesteigerten Bewußtsein für die Realität. Er schafft nun eine Reihe von Lithographien unter dem Titel: »Die Hölle«. Das heißt Gewalt – ganz still und unauffällig als »Hunger« oder laut in Straßenkämpfen. Und als »Martyrium«. Dieses Blatt ähnelt auf merkwürdige Weise der Christusdarstellung. Der Mord an Rosa Luxemburg hat den das Mythische suchenden Künstler so berührt, daß er ihn darstellt, als wäre er auch hier dabeigewesen. Die nackten Arme auseinandergerissen von Soldaten, ein Bein festgeklemmt unter dem Arm eines eleganten grinsenden Herrn im Noske-Habitus. Mit Gewehren wird auf das Opfer eingeschlagen, sie knien vor ihr, um sie genüßlicher töten zu können. Rosas Augen wirken erloschen. Was hier mit Beckmann geschehen ist, das hat er schon 1918 formuliert: »Vielleicht wird auch durch verringerte Geschäftstüchtigkeit, vielleicht sogar, was ich kaum zu glauben wage, durch ein stärkeres kommunistisches Prinzip die Liebe zu den Dingen um ihrer selbst willen größer werden...« Der Katalog (176 Seiten, 23 Euro) ist nützlich, um Blätter zu vergleichen, die nicht gleichzeitig ausgestellt werden konnten. * Vergnügt lächelt Christus vom Kreuz, beschützt durch einen Engel. Alle Menschen lächeln auf der »Alsterdorfer Passion«, die 1986 entstanden ist. Werner Voigt, 1935 geboren, gelernter Schneider, malte sein Leben, seine Anstalt, in die ihn die Mutter steckte, 1939, als es den Tod bedeuten konnte. Den kindlichen weißen Figuren, vereinfacht wie im Comic dargestellt, sind Erläuterungen beigefügt über die alkoholkranke Mutter, über Schläge des Meisters mit dem Bügelbrett, über Schläge in der Badewanne im Wachsaal und über einen Diebstahl. »Auch ich habe gesündigt, bei Karstadt habe ich Odol Mundwasser gestohlen…« Er tröstet sich mit der Bibel. Das riesige Gemälde »Die Speisung der Fünftausend« und vor allem ein Zyklus zur Schöpfungsgeschichte nach Meister Bertram gehen darauf zurück. Jemand brachte ihm die Reproduktionen. Das Original vom Hochaltar St. Petri befindet sich heute in der Hamburger Kunsthalle. Dort ist auch die Ausstellung »Die Schlumper – Kunst in Hamburg« zu sehen, noch bis Ende Januar. Die Schlumper sind ein Zusammenschluß geistig behinderter Künstler, betreut von ihrem Mentor Rolf Laute. Eine Ateliergemeinschaft, die jetzt 25 Jahre besteht, früher in einem Haus am Schlump, nun in der ehemaligen Rinderschlachthalle beheimatet. Der Einfallsreichtum und die Vielfältigkeit lassen vergessen, daß es sich um »nicht normale« Künstler handelt. Um genau diesen Aspekt nicht besonders hervorzuheben, sagt der Katalog (136 Seiten, 14,80 Euro) wenig über die Lebensgeschichten der Zweiundzwanzig. Bei Klara Zwick, die 2003 starb, sind es grimmig aussehende Wesen, die auf ihrem großen Bild »Engel kommen runter« vom Himmel kommen. Und ihr blaues »Treppenhaus« übt einen Sog aus, zieht hinein. Karl-Ulrich Idens »Narrenschiff«, eine Installation, füllt einen ganzen Raum. Das Segel ähnelt einer Fahne mit erdfarbener Geheimschrift, wie ein Schild aus Ozeanien. Mit Schriftzeichen, die niemand lesen kann, bedeckte auch Inge Wulff manche Blätter. Für sie, die nie eine Schulausbildung erhielt, änderte sich das Leben, als ihre Begabung entdeckt wurde. Sie malte ihre starkfarbigen Bilder unter heftigen Gefühlsausbrüchen von Weinen und Lachen, lebte nur noch im Malen – 1997 ist sie gestorben.
Erschienen in Ossietzky 1/2006 |
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