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Der im Vergleich zu Deutschland spätere Redaktionsschluß macht die italienischen Tageszeitungen oft zu den aktuelleren; viele Redaktionen rotieren noch nach 21 Uhr im Bestreben, sich den letzten TV-Meldungen anzupassen. In jeder Presselandschaft spiegeln sich historische und soziale Gegebenheiten. In Italien gab es keine vergleichbaren Zäsuren im Pressewesen wie in Deutschland 1933 und 1945. Die meisten Blätter haben eine Tradition, die weit zurückreicht, oft ins 19. Jahrhundert. Lediglich die römische La Repubblica ist eine erfolgreiche Neugründung (1976), die dauerhaft neue breite Leserschichten erschloß und landesweit zur zweitgrößten Tageszeitung wurde. Auflagenmäßig sind die großen überregional rezipierten Blätter den entsprechenden deutschen überlegen (zum Beispiel Corriere della Sera mit rund 880.000 verkauften Exemplaren gegenüber der Frankfurter Allgemeinen mit circa 375.000) – aber die Statistik weist für Italien heute insgesamt nur noch etwa 5,5 Millionen verkaufte Tageszeitungen aus (anderthalb Millionen weniger als im Jahre 1990). Das sind 120 Exemplare auf 1.000 Einwohner, kaum halb so viele wie in Deutschland. Der augenfälligste Unterschied gegenüber der übrigen westlichen Presselandschaft besteht darin, daß es keine Zweiteilung in sogenannte Qualitäts- und Boulevardpresse gibt. Letztere hat sich aus historischen Gründen nicht entwickeln können, jahrzehntelange Gehirnwäsche durch eine Bild -Zeitung blieb den Italienern deshalb erspart. Eine ernstzunehmende Art der Verdummung trat erst mit der raschen Verbreitung des Privatfernsehens am Beginn der achtziger Jahre ein. Damit baute Silvio Berlusconi den wesentlichen Teil seines Imperiums auf. Trotz Pressekonzentration gehören die – wie in Deutschland regional und lokal geprägten – Tageszeitungen immer noch überwiegend Verlegern, die nicht ausschließlich solche sind, sondern ihr Geld in anderen Industrien verdienen. So hält sich zum Beispiel der Fiat-Konzern die Turiner La Stampa. Außerdem existiert – trotz aller Auflösungserscheinungen – immer noch eine nennenswerte Parteipresse von links bis rechts, die Zahl der Parteien hat sich ja nach dem Zusammenbruch des traditionellen Parteiensystems Anfang der neunziger Jahre keineswegs verringert, ganz im Gegenteil. Der amerikanische Mythos einer überparteilichen Nachrichten-Presse hat in Italien nie großen Raum gefunden; jeder geübte Leser weiß, wem die Zeitung gehört, die er gerade liest, kennt die Abhängigkeiten ihrer Berichterstattung und Kommentare, kann diese also einordnen. Der mächtige Medienkonzern des derzeitigen Ministerpräsidenten Berlusconi (Mediaset) kontrolliert zwar neben dem Fernsehen den gesamten Anzeigenmarkt sowie inzwischen auch den größten Buch- und Zeitschriftenverlag (Mondadori), aber die direkte Kontrolle über die großen überregionalen Tageszeitungen ( Corriere della Sera, La Repubblica, La Stampa, L'Unità, Il Messaggero, Il Sole 24 ore ) hat er bisher nicht erreicht. Die zu seinem Familienclan gehörenden Tageszeitungen ( Il Giornale, Libero, Il Foglio ) haben keine so hohe Auflage. Er bemühte sich zwar massiv um den Corriere della Sera , und tatsächlich gelang es ihm im Mai 2003, dessen Chefredakteur zum Rücktritt zu veranlassen, aber seine verdeckten finanziellen Übernahmeversuche scheiterten bisher. Der massive Interessenkonflikt zwischen Berlusconis Medienmacht und seiner Regierungsfunktion ist aus der öffentlichen Diskussion verschwunden. Der kritische Impetus und der ethische Anspruch der frühen neunziger Jahre, als italienische Zeitungen manche gefährliche Seilschaften aufdeckten (Tangentopoli), sind längst vergangen. Die meisten der oppositionellen Blätter üben sich seit langem in Opportunismus und setzen einfach darauf, daß Berlusconi auch ohne ihr Zutun voraussichtlich im kommenden Frühjahr abgewählt wird. Die rasche Verbreitung des Privatfernsehens und die wirtschaftliche Rezession haben die finanzielle Basis des Zeitungsgeschäftes, den Anzeigensektor, immer schmaler werden lassen, wie in anderen Ländern auch. Seit gut fünfzehn Jahren wechseln sich die Versuche ab, die Zeitungen über Beilagen, Billigangebote aller Art (Videos, DVDs, Buch-Sonderausgaben und anderes mehr) attraktiver und mehr zu Werbeträgern zu machen, was nur partielle Erfolge brachte, aber die Zeitungskioske in kleine Warenlager verwandelte. Denn Zeitungen werden nach wie vor am Kiosk verkauft, sieben Tage pro Woche, fast alle Titel sind landesweit erhältlich; Abonnements sind bei Tageszeitungen unüblich, eine rechtzeitige Postzustellung wäre schwerlich zu garantieren. Der Anpassungsdruck, der vom TV auf die Presse ausgeht, überträgt sich in vieler Hinsicht auf die Rolle und Stellung der Journalisten selbst, die in Italien traditionell eine Berufsgruppe mit verhältnismäßig hohem Sozialprestige bilden; bis in die neunziger Jahre zählten zu ihnen die namhaftesten Intellektuellen. Dieser Journalistenstand, der mehrheitlich noch immer in einer inzwischen anachronistisch wirkenden Standesorganisation (Ordine dei Giornalisti) organisiert ist, weist auch einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad auf: Die Federazione della Stampa umfaßt rund 70 Prozent der etwa 13.000 Journalisten, die in festen Arbeitsverhältnissen tätig sind. Die systematische Aushöhlung der Garantien der nationalen Tarifverträge durch Ausweitung des berüchtigten Gesetzes Nr. 30, das seit 2002 alle privaten Arbeitsverhältnisse flexibilisiert und prekarisiert hat, stellt im Mediensektor einen massiven Angriff auf die Pressefreiheit dar und wird jetzt als solcher angeprangert und bekämpft. Nicht weniger als siebenmal im letzten Halbjahr streikten deshalb landesweit sowohl die Zeitungsjournalisten als auch die TV- und Radio-Berichterstatter der öffentlichen Sender und verursachten vom 9. bis 11. Dezember einen regelrechten Nachrichten-Blackout. Lediglich die Presse der politischen Rechten, überwiegend von der Familie Berlusconi kontrolliert, war am Kiosk erhältlich, neben den wenigen genossenschaftlich verfaßten Blättern der Linken wie il manifesto . Dieses berichtete denn auch von den finanziellen Erpressungsversuchen einiger Verleger: Um die Streiks zu brechen, versprach das Giornale di Sicilia denen, die dazu bereit wären, Prämien von 5.000 bis 10.000 Euro, was andeutet, wie hoch die Anzeigenverluste gerade in der Vorweihnachtszeit waren. Tatsächlich erschien eine reduzierte Ausgabe der Zeitung, gemacht von einer Art Parallel-Redaktion. Die innerredaktionelle Auseinandersetzung im hundert Jahre alten Prestigeblatt des Südens wird nun vor dem Arbeitsgericht in Palermo fortgesetzt. Mit dem Haushaltsgesetz für 2006 versucht die Regierung nun, oppositioneller Berichterstattung, wie sie von il manifesto und von linken Parteiblättern geliefert wird, die staatlichen Zuschüsse zu streichen, was das finanzielle Ende dieses Teils der Presse bedeuten würde. Aus Protest gegen diese Bedrohung und aus Solidarität mit den Streikenden legte auch das Kollektiv von il manifesto seine Arbeit einen Tag lang nieder, obwohl es hier keine Arbeitgeberseite gibt und die Genossen sich selber unter Tarif bezahlen, wodurch sie seit nunmehr 35 Jahren ihre politische Unabhängigkeit bewahren können. Trotz der Zwänge zur inhaltlichen Anpassung an die Mediendiktatur des Regierungschefs und trotz seines Anzeigenmonopols gehört die italienische Tagespresse immer noch zur politisch vielfältigsten in Europa. Mehrheitlich steht sie in Opposition zur Regierung Berlusconi, was diesen immer wieder erbost. Er schimpfte, die Printmedien seien eine wahre Hochburg der ihn verfolgenden Kommunisten. Für diesen Monat sind zwei weitere Streiktage angekündigt, denn ohne Druck setzen sich italienische Verleger nicht an den Verhandlungstisch.
Erschienen in Ossietzky 1/2006 |
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