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Über den Ort seiner Schöpfung ist nichts bekannt; das Gerücht, er sei von einer gelähmten Näherin adoptiert worden und habe seine ersten Bärenjahre an einem Fluß verbracht, kommentiert er prinzipiell nicht. Unbestätigten Sammlerberichten zufolge hielt sich Mr. Pye eine Zeitlang in einer Weltstadt auf, das kann vor fünfzig oder zehn Jahren gewesen sein. Getreuliche Angaben zu seiner Biographie verweigert er schon deshalb unbeirrt, weil er als altersloser Kosmopolit in die Geschichte eingehen will. Ob Mr. Pye viele Sprachen beherrscht, Psychologie studiert hat, gerne in der Kneipe sitzt, gefärbte Kontaktlinsen trägt, echtes Mohair billigem Plüsch vorzieht, unter Migräneanfällen oder Motten leidet und Marotten oder keine hat, sollte man ihn nicht fragen. Ganz zu schweigen von Auskunftsersuchen über sein wahres Geschlecht. In Mr. Pyes Kreisen schickt sich das nicht. War es Mr. Pye, mit dem ein weltmächtiger Präsident in besonders ernsten Situationen Zwiesprache hielt? Trug er eine Zeitlang womöglich ein Pseudonym und fuhr bis 1967 Autorennen mit? Darf er für sich in Anspruch nehmen, der liebste Reisebegleiter einer berühmten Schriftstellerin gewesen zu sein? Inspirierte Mr. Pye gar einen Musiker zu dem Hit: »Just want to be your Teddybear«? Kann sein – oder auch nicht. Und was steht fest? Zunächst so viel: Für Fang- und alle anderen persönlichen Fragen hat Mr. Pye kein Verständnis. Da bleibt er stumm. Für die Selbsterforschung aller möglichen Vorgänge in seiner Gegenwart sitzt er dagegen immer parat. * An ganz bestimmten Tagen hat Mr. Pye nicht die geringste Lust, in die Tageszeitung zu schauen, sich der Werbung im Fernsehen auszusetzen oder im Schlepptau seiner Freundin durch die Fußgängerzone zu bummeln. An ganz bestimmten Tagen will Mr. Pye nur asketisch vor dem großen Spiegel im Flur sitzen und mit seinem puren Konterfei konfrontiert sein. Natürlich achtet er strikt darauf, daß die Sitzung nicht in eitle Selbstbewunderung ausartet. Geckenhaftigkeit verstößt gegen seine Standesehre. Wenigstens an ganz bestimmten Tagen möchte Mr. Pye ganz der alte sein und nicht den Zwang verspüren, sich unablässig selbst erfinden und obendrein vermarkten lassen zu müssen. Etwa in einer Friedhofsgärtnerei als teddyförmig geschnittener Buchsbaum, um hinterbliebene Kaufkraft zu wecken. Oder als kommerzieller Lockteddy, neben dessen rechtem Ohr der knallbunte Hinweis prangt: »Mich kann man gewinnen!« Markenwerbung mit Bären ist ungemein beliebt! hat Mr. Pye neulich von einem Kommunikationsdesigner erfahren. Der hatte gerade einem wegen ausbeuterischer Entlohnungspraktiken ins Gerede gekommenen Reinigungsunternehmen einen neuen Firmennamen verpaßt: Die Putzbärchen. Mr. Pye empfindet das nur deshalb verzeihlich, weil lebende Bären als tapsig verrufen sind und mit einer blitzschnellen, streifenfreien Scheibenpflege ihre liebe Not haben dürften. Vor allem aber machen ihm an ganz gewissen Tagen seine völlig aus den konventionellen Bahnen ausgebrochenen Artverwandten zu schaffen. Die soziologisch als gemeine Plüschteddys kategorisierten Massenartikel geistern inzwischen permanent als Werbeträger und Gefühlsanimateure durch Kaufhäuser, Geschäftsauslagen und Reklamebilder und magnetisieren allgegenwärtig das Publikum auf Volksfesten, Wochenmärkten und Messen. Offenbar verführt ihr treuherzig-anrührender Blick die Menschen, die ihnen zu nahe kommen, prompt zum Spontankauf oder Gewinnspiel. Ganz zu schweigen von jenen gemeinen Plüschteddys, die in den Medien als prominente Superstars gefeiert werden, obwohl sie gar keine besonderen persönlichen Leistungen vorweisen können. Ganz gleich, ob der gemeine Plüschteddy von brauner, gelber, schwarzer oder weißer Hautfarbe ist, ob er Kuller- oder Schlitzaugen hat oder mit Fistel-, Bariton- oder Baßstimme auftritt – sowie er Teil einer Show wird, ist er bereits ein gefeierter Star. Mr. Pye glaubt, daß heutzutage Medienpräsenz allein bereits prominent macht. In der Politik allemal. In einem wodkadurchflossenen Land stimmen gemeine Plüschteddys mit ihren Musikchips sogar Lobeshymnen auf den Präsidenten an. Die sich kuschelig gebärdenden Politstarteddys sind nach Mr. Pyes Informationen ein unglaublicher Verkaufsschlager und inzwischen beliebter als der hymnisch besungene Landesvater. Was Wunder, daß sich Mr. Pye an ganz bestimmten Tagen die kontrollierte Nichtbeachtung der im Starwesen gefangenen gemeinen Plüschteddys verordnet. Während die sich in einem fort selbst inszenieren und schamlos um Öffentlichkeit buhlen, überläßt er sich allen Modernisierungsschüben zum Trotz asketisch seinem getreuen Abbild und hofft leidenschaftslos auf mehr gesellschaftliche Weisheit. Zur Not wird er sich eines Tages im Markenregister registrieren lassen, um von gemeinprominenten Plüschteddys so ununterscheidbar wie als Gentleteddy gesetzlich geschützt zu sein.
Erschienen in Ossietzky 25/2005 |
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