Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Allein in der FrauenkircheKai Agthe In der Frauenkirche fand ich mich allein. Es war Sonnabend, kurz nach zwölf Uhr mittags. Wie kann das sein, fragen Sie, wo doch täglich viele tausend Besucher Einlaß begehren? Dazu bedarf es weder der Verbindung in höchste Kreise noch der Bestechung einer Aufsicht. Man muß einfach bescheiden sein und zunächst mit der kleinen Frauenkirche, nämlich der in Loschwitz, Vorlieb nehmen. Dort aber ist zu erleben, was die Replik von George Bährs Wunderwerk noch lange entbehren wird: Ruhe, die einlädt, über die Schrecken des Krieges und die – vor allem in Dresden ungebrochene – Kraft zum Wiederaufbau nachzudenken. Wie die Frauenkirche im Zentrum, so ging auch das barocke Kirchlein im Stadtteil Loschwitz in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 unter. Wie bei der großen Schwester, so blieben von dem 1705 bis 1710 erbauten Gotteshaus am östlichen Elbufer nur Außenmauern stehen. Auch dieser vor 60 Jahren von Bomben verzehrte Sakralbau blieb in der DDR eine Ruine, die aber – wohl wegen ihrer dezentralen Lage – nicht zum Mahnmal taugte. Zwar gab es Versuche, den Loschwitzer Zentralbau mit seinen beiden Emporen wieder aufzubauen, doch die blieben bis 1989 unausgeführt. Ein 1990 gegründeter Verein, dem die Sänger Theo Adam und Peter Schreier ihre Namen liehen, warb Spenden für den Wiederaufbau. 1991 konnten die Arbeiten beginnen. Die Weihe der nach Originalplänen errichteten Kirche erfolgte 1994, die der Orgel drei Jahre später. Der Nosseni-Altar, dessen Teile man bereits in den sechziger Jahren aus dem Schutt geklaubt hatte, war 2002 restauriert. Weil ihr Schicksal dem der Kirche Bährs gleicht, spricht der ADAC-Stadtplan von der »kleinen Frauenkirche«. Die Gemeinde spricht von der Loschwitzer Kirche. Den Gedenkstein für den Maler Gerhard von Kügelgen (1772–1820) und dessen Sohn, den Maler und Schriftsteller Wilhelm von Kügelgen (1802–1867), den ich vor allem als Hofmaler zu Ballenstedt kannte, hielt ich zunächst für den Grabstein der Familie. Eine Informationstafel auf dem historischen Friedhof, dessen handvoll Gräber sich wie frierende Küchlein um die Kirche sammeln, unterrichtet den zweifelnden Besucher jedoch, daß Vater und Sohn seit dem Jahr 1920 mit diesem Stein vor allem als »langjährige Sommergäste in Loschwitz« geehrt werden. Gerhard von Kügelgen freilich wurde 1820 im nahen Waldschlößchen auch ermordet – jener Örtlichkeit, die seit einiger Zeit im Zusammenhang mit dem geplanten Bau der Waldschlößchenbrücke nicht aus den Schlagzeilen kommt. Die UNESCO droht, bei Realisierung des Bauwerks das Dresdener Elbtal von seiner Kulturerbeliste zu streichen. Davon unbeeindruckt verbindet das Blaue Wunder Blasewitz und Loschwitz. Es wäre überraschend, dachte ich beim Gang über die sehnige, mehr graue als blaue Konstruktion, wenn vor ihrer Errichtung nicht ähnliche Befürchtungen, die Beeinträchtigung der Silhouette Dresdens durch das genietete Trumm betreffend, geäußert worden sein sollten wie derzeit in der Diskussion über die ästhetische Verträglichkeit der Waldschlößchenbrücke. Man muß kein Freund von Ingenieurbauwerken sein, um selbst feststellen zu können, daß gerade hier eine Entlastung vom Straßenverkehr dringend geboten ist. Beim Verweilen am Schillerhäuschen, in dem der Dichter auf Einladung seines Freundes Christian Gottfried Körner zwischen 1785 und 1787 am »Don Carlos« schrieb, kann man erleben, wie sehr dieser Bereich Dresdens unter dem Verkehr ächzt. Kaum eine Minute Stille gewähren die Götter des Verkehrs der in den Berg eingeschnittenen Schillerstraße, deren Kopfsteinpflaster den Verkehrslärm noch verstärkt. Auf der Bank vor dem Schillerhäuschen sitzend, würde es nur mit Mühe gelingen, das (am Kohlmarkt entstandene) »Lied an die Freude« anzustimmen, das zu vertonen Freund Körner sich angelegen sein ließ, bevor Schubert und Beethoven es genial in ihre Musik umsetzten. Körner übrigens ist auf dem Brunnen, der gegenüber dem Schillerhäuschen in die Stützmauer eingelassen wurde, zweifach zu sehen: Auf dem linken Relief reicht er Schiller die Hand, auf dem rechten steht er hinter seinem in die Uniform der Lützower gekleideten Sohn Theodor. Und dennoch kann man auch heute noch lyrisch berührt werden, wenn man jenes Stückchen Dresden aufsucht, dessen Klammer das Blaue Wunder bildet. Die Erlebnisse dieses meines Besuchs vom 26. November 2005 fanden im ICE 1552 in Richtung Frankfurt am Main umgehend in die folgenden Zeilen; eingeflossen (kursiv) ist ein Zitat des Verlegers Göschen aus einem seiner Briefe an Schiller, in dem er eine Abschrift des »Liedes an die Freude« und der Vertonung von Körner erbat: Von Striesen kommend Der Schillerplatz bietet Vegetabilien, / keine Verse feil. Dem genieteten Wunder / folgend, der Freude von Loschwitz her / ein Lied zu singen, einen Rundgesang / zur Erhebung des Herzens , der in der / kleinen Frauenkirche widerhallen soll.
Erschienen in Ossietzky 25/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |