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Als Gräfin von Kinsky wurde die spätere Bertha von Suttner 1843 in Prag geboren. Als sie zehn Jahre alt war, standen, erstmals seit den Napoleonischen Kriegen, europäische Großmächte wieder gegeneinander im Krieg; die »Heilige Allianz« war zerbrochen. Mit dem Krim-Krieg und den Einigungskriegen Italiens begannen sie sich in wechselnden Konstellationen gegenseitig zu bekriegen. Nationale Einigungsbestrebungen, Kolonialkriege und imperialistische Großraumpolitik, das Aufbegehren unterdrückter Ethnien und Klassen bestimmten die Jahrzehnte, die das Leben Bertha von Suttners umfaßte. Dem Krim-Krieg (eine halbe Million Tote) und den italienischen Kriegen folgten der deutsch-dänische, der preußisch-österreichische, der deutsch-französische Krieg, die Fern-ost-Konflikte mit Boxeraufstand und Opiumkrieg, der Burenkrieg, die Sezessionskriege, der chinesisch-japanische, der russisch-japanische, der spanisch-amerikanische Krieg, die Balkankriege. 1873 wurde die junge Erzieherin bei der Familie von Suttner mit ihrem späteren Ehemann Baron Arthur Gundaccar von Suttner bekannt, einem politisch engagierten Mann, der unter anderem einen Verein gegen den grassierenden Antisemitismus in Wien gründete. 1876, während einer kurzzeitigen Anstellung in Paris als Sekretärin und Empfangsdame des schwedischen Industriellen Alfred Nobel (1833–1896), der das Dynamit erfunden hatte, entwickelte sich zwischen ihr und ihm eine dauerhafte Freundschaft. Bertha von Suttner bewog ihn, zusätzlich zu seinen wissenschaftlichen und literarischen Preisen den Friedensnobelpreis zu stiften. Den ersten erhielt Henri Dunant, der Arzt aus Genf, dessen Augenzeugenbericht über die Grausamkeiten der Schlacht von Solferino (1859) die Öffentlichkeit aufgeschreckt hatte und dessen Initiative für die Kriegsverletzten (1863) zur Gründung des Internationalen Roten Kreuzes sowie 1864 zur Genfer Konvention zur Versorgung der Kriegsverwundeten und -gefangenen führte. 1876 nahm Bertha von Suttner ihre schriftstellerische Tätigkeit auf. In ihren Texten analysierte sie weitsichtig Bedingungen der Kriegsgefahren. Sie befaßte sich mit der Einführung des Bajonetts und der dazugehörigen Vorschrift für den Nahkampf in der deutschen Armee, sie kritisierte die Entwicklung der Luftfahrt und technischer Erfindungen für Kriegszwecke, sie wandte sich gegen den Erlaß des österreichischen Unterrichtsministers für den Schießunterricht an Mittelschulen, sie wies auf die Nützlichkeit des Krieges für diejenigen Machtgruppen hin, die damit innenpolitische Probleme umschiffen wollen, sie nannte Völkermord das größte Verbrechen gegen das Völkerrecht, forderte einen »festungs- und zollfreien Europabund«, eine »pan-europäische Union«, und erklärte Zusammenhänge zwischen Kriegshetzern und interessierter Waffenindustrie. Zur Blütezeit des Imperialismus gab es bereits eine internationale Friedensbewegung, die das Ziel verfolgte, den Krieg als Mittel der Politik zu ächten. Seit 1816 bestand die britische »Peace Society«, seit 1828 die »American Peace Society« und seit 1830 die »Friedensgesellschaft« in Genf, die seit 1848 internationale Kongresse veranstaltete; 1867 kam die »Ligue internationale de la Paix et de la Liberté« in Frankreich hinzu. Bertha von Suttner begründete 1891 die »Österreichische Friedensgesellschaft«, deren Präsidentin sie wurde. In Bern wurde im selben Jahr ein (1910 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnetes) »Friedensbüro« eingerichtet, zu dessen führenden Mitarbeitern neben Bertha von Suttner der (1914 ermordete) französische Sozialist Jean Jaurès, Henri Du-nant, Alfred H. Fried, Elihu Burrit und Friedrich Wilhelm Foerster gehörten. Zusammen mit Alfred H. Fried gründete sie 1892 die »Deutsche Friedensgesellschaft«. Durch ihr Engagement gegen den Krieg und ihre zahlreichen Schriften gelangte Bertha von Suttner zu ungeahnter Publizität, besonders durch ihren Roman »Die Waffen nieder!« (1889), der weltweit in vielen Übersetzungen Verbreitung fand. Sie hinterließ gesammelte Werke in zwölf Bänden, hoch politisch, analytisch, aktuell. Darunter sind Texte wie »Das Maschinenzeitalter entsteht« (1886), »Rüstung und Überrüstung« (1909), »Die Barbarisierung der Luft« (1912). Sieben Jahre gab sie die Monatszeitschrift Die Waffen nieder heraus, bekannt vor allem durch ihre Glossen zur Zeitgeschichte, die später, bis 1914, in dem von Fried herausgegebenen Nachfolgeorgan Friedenswarte erschienen. Auf dem Weltfriedenskongreß in Rom 1891 hielt Bertha von Suttner erstmalig eine öffentliche Rede. In der Folgezeit sprach sie auf fast allen Friedenskongressen. Der nächste, 1892 in Bern, behandelte einen Antrag zur Gründung eines »Europäischen Staatenbundes« – eine Forderung, die erst nach Beendigung des Weltkrieges 1918 in die Tat umgesetzt werden konnte; Woodrow Wilson erhielt 1920 unter anderem dafür den Friedensnobelpreis. Die Haager Friedenskonferenz 1899, die umfassende Programme der Pazifisten zur Friedenssicherung erörterte, forderte ein »Internationales Schiedsgericht«. 1904 reiste Bertha von Suttner zum Bostoner Weltfriedenskongreß, traf mit Präsident Roosevelt zusammen und hielt in mehreren Städten der USA Vorträge. Eine zweite USA-Reise folgte 1912 mit Vorträgen in rund 50 Städten. Auch in Europa versuchte sie mit ihren friedenspolitischen Vorträgen in zahlreichen Städten gegen die drohende Kriegsgefahr und die ständig gesteigerte Aufrüstung zu agitieren. Nachdem ihr – erstmals einer Frau – der Friedensnobelpreis zuerkannt worden war, schrieb sie in ihrem Bericht über ihre Skandinavienreise zur Entgegennahme des Preises ahnungsvoll am Schluß: »Die Mittelstaaten Europas – die beiden großen Militärstaaten – sind diejenigen, in welche die Kenntnis und das Ansehen der Friedensbewegung noch am wenigsten eingedrungen sind, und in ihnen wäre ein so offizielles Feiern der pazifistischen Ideen und ihrer Vertreter noch undenkbar.« Wenige Jahre später begannen die Mittelstaaten, Deutschland und Österreich-Ungarn, den Krieg. Bertha von Suttner starb am 21. Juni 1914, eine Woche bevor die Schüsse in Sarajevo fielen.
Erschienen in Ossietzky 25/2005 |
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