Arbeitslosigkeit macht frei

Otto Köhler

Aber ja, Gerd Appenzeller, Redaktionsdirektor des Westberliner Tagesspiegel, schreibt die Wahrheit: »Der neue Verteidigungsminister Franz Josef Jung scheint sich in seiner ruhigen, Verläßlichkeit ausstrahlenden Art als ein guter Griff bei der Besetzung des Amtes zu erweisen – er würde damit ein würdiger Nachfolger von Peter Struck.« Das ist er. So wie der Hindukusch-Mann ein würdiger Nachfolger von Rudolf Scharping war, dem wir den ersten deutschen Angriffskrieg seit Hitler zu danken haben. Konsequent, daß die erste Auslandvisitation des neuen Ministers für weltweiten Einsatz dem Protektorat Kosovo galt, das nun schleunigst – entgegen allen geltenden Beschlüssen und Verträgen – auch amtlich von Serbien abgetrennt werden muß. UCK-Kriegsverbrecher wurden soeben in Den Haag zwecks politischer Karriere freigesprochen.

Das sozialdemokratische Vermächtnis einer offensiven Kriegspolitik ist gut aufgehoben bei dem CDU-Mann, der im Jahre 2000 nach der antisemitischen Erfindung der »jüdischen Vermächtnisse« zur Tarnung von CDU-Korruptionsgeldern als Leiter der hessischen Staatskanzlei aus dem Verkehr gezogen werden mußte – zum Selbstschutz seines Freundes Roland Koch. Zuvor hatte Jung die vaterländische Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ersonnen, mit der die Hessen-CDU die Landtagswahl gewann und Koch ins Amt des Ministerpräsidenten gelangte. Mit der fürchterlichen Folge, daß der in Wiesbaden abgewählte Hans Eichel Nachfolger von Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine werden und den Sozialstaat kaputtsparen konnte.

Und davon profitiert jetzt Franz Josef Jung, Kochs V-Mann im Merkefering-Kabinett, indem er Wolfgang Clements Parasiten in nützliches Kanonenfutter verwandelt.

Die Große Koalition verkürzt Hartz IV, indem sie junge Arbeitslose unter 25 durch Streichung des Wohngeldes ins Vaterhaus zurücktreibt. Doch Jung hat die kostenlose Alternativlösung zum Rückzug in die elterliche Bedarfsgemeinschaft: die Kaserne mit der garantierten Aussicht zu glänzend bezahlten Abenteuern in der ganzen Welt.

Zu Jungs ersten Amtshandlungen gehörte die konsequente Forderung, im Rahmen der Entlastung des Haushalts von Sozialkosten den Sold für Auslands-einsätze zu erhöhen. Und zwar kräftig. Die Soldaten müssen finanziell mit den hochbezahlten Beamten im teuren Brüssel gleichgestellt werden, verlangt der neue Bundeseinsatzminister unter dem Jubel seiner Truppe.

So treibt man ahnungslose abenteuerlustige junge Menschen in die Bundeswehr, zu lukrativen Einsätzen in aller Welt. Arbeitslosigkeit macht frei.

Erschienen in Ossietzky 25/2005