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Hymnenredaktion statt Schutz polnischer Putzfrauen vor Ausbeutung. Nebenbei: Der Text der Hymne stammt von einer Frau. Derlei auszusprechen, gilt als ungehörig. Nichts ist heute so sehr tabuiert wie die Frauenbewegung. Hätte diese nur halb so viel Selbstkritik betrieben wie die Studentenbewegung, dann wäre manche Monstrosität zur Sprache gekommen. Für diesen Mangel könnte man Nachsicht aufbringen – falls sie auch gegenüber den 68ern gezeigt würde! Wie die Dinge aber stehen, schweigen die Frauen aus falsch verstandener Loyalität und Männer aus purem Opportunismus zu den krassesten Widersprüchen und Dummheiten von Frauen, die den nach wie vor dringend nötigen Forderungen der Frauenbewegung nur schaden. Hannelore Hoger hat der Zeitschrift Der Feinschmecker anvertraut, was sie nicht mag: geizige Männer. Hannelore Hoger ist eine überragende Schauspielerin. Man kennt sie zudem als politisch interessierte Frau, die ohne Zweifel dem linken Spektrum zuzurechnen ist. Was bringt diese intelligente Frau dazu, Männer als geizig zu charakterisieren, die ihre, Hannelore Hogers, Restaurantrechnung nicht bezahlen wollen? Hat man jemals gehört, daß eine Frau als geizig gekennzeichnet wurde, weil sie nicht mit größter Selbstverständlichkeit die Rechnung übernahm, wenn sie mit einem Mann essen ging, der weniger verdient als sie? Das soll ja vorkommen. Die Frauen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten viele – viel zu wenige, aber immerhin beachtliche – Rechte erkämpft. Sie haben in der Öffentlichkeit ein Bewußtsein dafür hergestellt, daß nichts dazu berechtigt, sie ökonomisch, politisch, menschlich schlechter zu behandeln als Männer. Sie wollen nicht benachteiligt werden, und darin kann sie jeder vernünftige Mann nur unterstützen. Aber viele Frauen – nicht alle, aber immerhin erstaunlich viele – wollen trotzdem von den Vorteilen profitieren, die eine patriarchalische Ordnung für Frauen bereithielt. Sie sind nicht bereit, den Preis der Emanzipation zu zahlen. Sie mokieren sich über Männer, die trotz gleichen oder geringeren Einkommens nicht automatisch für sie zahlen, also nicht mehr die traditionelle Rolle des ökonomischen Beschützers spielen wollen, die nichts anderes impliziert als verkleidete Prostitution. Sie nehmen gerne die patriarchalischen Vorurteile konservativer Richter in Anspruch, die ihnen bei einer Trennung unter Berufung auf den Mythos von der Priorität des Mütterlichen die Kinder zusprechen. Sie erwarten von männlicher Seite Höflichkeitsgesten, die sie nicht erwidern. Und es gilt nach wie vor als gesellschaftlich akzeptabel, daß eine Frau darüber reflektiert, ob ein Heiratskandidat sie erhalten, ihr ein »standesgemäßes« Leben garantieren kann, während ein Mann, der solche Überlegungen öffentlich anstellt, der Lächerlichkeit, wenn nicht der Verachtung anheimfällt. Die Rede von der »guten Partie«, die keineswegs ausgestorben ist, bezieht sich fast immer auf einen Mann. Wohl wahr: Da die Berufschancen für Frauen nach wie vor schlechter sind als für Männer, gibt es für solche langlebigen Zustände auch objektive Gründe. Aber die Arbeitslosigkeit betrifft Männer heute nicht weniger als Frauen. Unter diesen Umständen relativiert sich die Frage, wer von wem ökonomisch abhängt. Empörte Reaktionen voraussehend und in Kauf nehmend, behaupte ich (und lasse mich gerne durch verallgemeinerbare Erfahrungen, nicht aber durch Dogmen widerlegen): Die bürgerliche Frauenbewegung – und eine andere ist zur Zeit nicht auszumachen – hat die historische Chance verschenkt, der Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft eine humanere Alternative entgegenzusetzen. Stattdessen überbieten Frauen die männliche Potenzprotzerei. Alles, was an Männern immer schon widerlich war, ihr Karrierismus und ihr wetteiferndes Verhalten, ihre Angabe mit Statussymbolen und ihre Anerkennung von Hierarchien an Stelle von Solidarität, ist nicht etwa, wie man um 68 und danach noch hoffen konnte, verschwunden oder auch nur reduziert worden, es wird vielmehr, oft in geradezu karikaturistischer Verzerrung, von Frauen adaptiert. Wie in der Politik, so wollen sie offenbar auch im Alltag beweisen, daß sie, wenn schon nicht das Recht auf gleichen Lohn, wenigstens das Recht auf gleiche Dummheit und auf gleiche Gemeinheit haben wie Männer. Die Frauenbeauftragte etwa, die schweigt, wenn ihr männlicher Vorgesetzter und Förderer eine Kollegin desavouiert oder demütigt, weil sie mit dieser um eine Stelle konkurriert, ist leider kein Einzelfall. Der Verdacht drängt sich auf, daß es in vielen Fällen nicht um die Rechte von Frauen, geschweige denn von anderen benachteiligten Gruppen und Individuen, sondern stets nur um persönliche Vorteile ging. Es wird viel geheuchelt in der Geschlechterfrage. In einem eben erschienenen Buch über die »Politische Kultur in Österreich 2000–2005« verurteilt die Politikwissenschaftlerin und Ökonomin Gabriele Michalitsch die Bestellung eines Mannes zum Frauenminister: »Biologische Männlichkeit stellt weder ein Programm noch ein Qualifikationsmerkmal dar, politisches Problembewußtsein aber ist nicht von persönlichem Erfahrungshorizont zu trennen. Sensibilität für Diskriminierung und Sexismus, feministische Sozialisation und Verbindungen zur Frauenbewegung, die dem Frauenminister allesamt fehlen, prägen Zugang zu Geschlechterpolitik, Willen zu Gleichstellung und politische Durchsetzungsbereitschaft. Des Ministers Leiblichkeit erwies sich denn als durchaus programmatisch.« Diese Aussage ist, sieht man von dem sinnwidrigen, weil keinen Gegensatz markierenden »aber« im ersten Satz ab, offenkundig richtig. Sie ist so offenkundig richtig, daß man sich fragen muß, warum andere, analoge Aussagen nicht ebenso offenkundig richtig erscheinen, zum Beispiel, daß es einen programmatischen Unterschied macht, ob eine Frau oder ein Mann mit gutem Einkommen oder eine Sozialhilfeempfängerin, ein Sozialhilfeempfänger Sozialministerin oder Sozialminister ist; ob ein Kind von Akademikern oder ein Absolvent des zweiten Bildungswegs Wissenschaftsminister ist; ob ein Unternehmer oder ein Gewerkschafter Wirtschafts- oder Arbeitsminister ist; ob eine Autofahrerin oder eine Radfahrerin Verkehrsministerin ist; ob ein Gläubiger oder ein Agnostiker Unterrichtsminister ist; ob eine Behinderte oder eine Unversehrte Gleichstellungsbeauftragte ist; ob ein Christ oder ein Jude eine Forschungsstelle zum Antisemitismus leitet. Ist es nicht bemerkenswert, daß keine andere gesellschaftliche Gruppierung eine Lobby hat, die, jener der Frauen vergleichbar, ihre offenkundig richtigen Forderungen der Öffentlichkeit mitteilte? Und wie kommt es, daß den Frauen, die einst vorgaben, mehr Gerechtigkeit erkämpfen zu wollen, all diese Erfahrungshorizonte und Leiblichkeiten nicht ins Visier geraten? Sind sie etwa gegenüber Sozialhilfeempfängern, Behinderten etc. ebenso blind und borniert wie der von der blau-schwarzen Regierung in Wien bestellte Frauenminister ihnen gegenüber? Das würde den Frauenminister nicht von seiner Verantwortung entlasten. Aber es ließe wenig Hoffnung zu auf eine humanere Welt.
Erschienen in Ossietzky 24/2005 |
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