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Das Bild der Gottesmutter solle Pinochet vor einem Prozeß bewahren. Pinochet habe, so Jurek im polnischen Fernsehen, Chile vor dem Schicksal des kommunistischen Kuba bewahrt, dafür sei man ihm Dank schuldig. Die Ermordung tausender politischer Gegner in Chile tat er als Kleinigkeit ab –die meisten von ihnen seien Kommunisten oder deren Familienangehörige gewesen. Inzwischen ist Marek Jurek aufgestiegen. Nachdem Lech Kaczynski in der Stichwahl vom 26. Oktober 2005 zum polnischen Präsidenten gewählt worden war, wurde Jurek Sejm-Marschall, also Parlamentspräsident. Für ihn stimmten die Abgeordneten seiner Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS), der bäuerlichen »Selbstverteidigung« (SO), der »Liga polnischer Familien« (LPR) und der Bauernpartei (PSL). Mit der Kandidatur und der Wahl Jureks wurde die von den Rechtsparteien PiS und »Bürgerplattform« (PO) vor den Wahlen vereinbarte Regierungskoalition absichtlich vereitelt; abgesprochen war, diesen Posten der PO vorzubehalten. Nachdem jedoch im Wahlkampf um das Präsidentenamt zwischen den Stichwahlkandidaten Donald Tusk von der PO und Lech Kaczynski von der PiS die politischen Differenzen beider Parteien zu einer grundsätzlichen Gegnerschaft zwischen einem »liberalen« und einem »solidarischen« Polen hochstilisiert worden waren, handelte der neue Präsident Kaczynski nach dem Motto »Der Sieger nimmt alles«. Die PiS wollte nunmehr alle entscheidenden Posten selbst besetzen, vor allem das Innen-, das Verteidigungs- und das Justizministerium, die Generalstaatsanwaltschaft und die Geheimdienstkoordination. Die vereinbarte Koalition scheiterte nicht etwa deswegen, weil die PO zu wenig kapitulationsbereit war – viele ihrer Politiker wollten um beinahe jeden Preis mitregieren –, sondern weil die PiS nunmehr hofft, eine noch reaktionärere Politik allein durchsetzen zu können. Sie fand dabei prompt die Unterstützung einer »Koalition der Willigen« aus SO, LPR und PSL, die der Minderheitsregierung der PiS am 11. November zur parlamentarischen Mehrheit verhalf. Die PiS selbst hat im neuen Sejm nur 155 von 460 Abgeordneten, doch 272 Abgeordnete sprachen ihr das Vertrauen aus. In der neuen Führungsmannschaft stellt sie mit Lech Kaczynski den Staatspräsidenten, mit Marek Jurek den Sejm-Marschall und mit Bogdan Borusewicz den Senatsmarschall. Der anstelle von Jaroslaw Kaczynski, dem PiS-Vorsitzenden und Zwillingsbruder des Präsidenten, als Premier amtierende Kazimierz Marcinkiewicz entschied sich dafür, vorerst keine formelle Koalition mit den »Willigen« einzugehen, sondern alle Posten selbst zu besetzen. Seine Regierung besteht aus zehn von der PiS gestellten Ministern und acht parteilosen Fachministern. Innenminister wurde Ludwig Dorn, Justizminister Zbigniew Ziobro, Koordinator der Geheimdienste Zbigniew Wassermann. Alle sind erprobte militante Antikommunisten – Dorn sprach 1989 öffentlich davon, Kommunisten nur dann nicht aufhängen zu wollen, wenn sie auf Händen angekrochen kämen – und gleichzeitig erprobte Akteure wirtschaftlicher oder politischer Skandale. Für eine Regierung, die von der Partei »Recht- und Gerechtigkeit« geführt wird und dem Kampf gegen die Korruption höchste Priorität zuschreibt, ist die Kaderauswahl bezeichnend. Der neue Geheimdienstkoordinator Wassermann ist dafür berüchtigt, daß er ausgerechnet in seiner zeitweiligen Tätigkeit als Generalstaatsanwalt seine Geringschätzung geltenden Rechts bewiesen hat. Justizminister Ziobro beging gleich als eine seiner ersten Amtshandlungen einen krassen Rechtsbruch, indem er befahl, korruptionsverdächtige Anhänger seiner Partei aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Der neue Premier ist von Beruf Lehrer, gilt aber als Wirtschaftsfachmann. Im Wahlkampf, besonders seiner letzten Phase, versprach die PiS den Ärmsten der Armen solidarische Unterstützung und kündigte eine Senkung der Arbeitslosigkeit an. Konkret will sie den Unternehmen Steuererleichterungen gewähren und die Kapitalertragssteuer abschaffen. Wie er die dadurch entstehenden Löcher im Etat schließen will, vermag der neue Finanzminister Cesary Mech nicht zu sagen, wie die Lage der verelendenden Arbeitslosen, der Arbeiter und der kleinen Gewerbetreibenden praktisch verbessert werden soll, ebenfalls nicht. Wenn die Kaczynski-Brüder und ihre PiS vom »solidarischen« Staat für eine »solidarische« Gesellschaft reden, ist das nichts als christlich verbrämte nationale Demagogie. Besonders üble Erinnerungen weckt ihre Losung von der »moralischen Erneuerung« der polnischen Gesellschaft: Nach dem Staatsstreich des Generals Pilsudski von 1926 proklamierte die polnische Regierung eine »Gesundung« (»Sanacja«) und richtete 1930 ihr erstes Konzentrationslager für politische Gegner in Bereza Kartuska als »Lager der moralischen Erneuerung« ein.
Erschienen in Ossietzky 24/2005 |
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