Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Das Laster der ArmenWerner René Schwab Schon im Mittelalter warnten diejenigen, die über den rechten Glauben wachten, eindringlich vor dem abscheulichen Laster Neid, auch Mißgunst geheißen. Aber es gelang nicht immer, das Volk in Ehrfurcht vor den Reichen und in dem schönen schlichten Glauben zu bewahren, daß Reichtum der Lohn großer Tugend sei, vor allem der Sparsamkeit. Vergeblich mahnte im Jahre 1512, kurz vor dem Bauernkrieg, der eifrige Mönch Thomas Murner: »Anstatt selbst sparsam zu leben, sind die Bauern nur von Neid auf den sparsamen Adel und die Geistlichkeit zerfressen.« Das Laster schlich sich weiter durch die Geschichte und führte zur Französischen Revolution. Voller Entsetzen mußte 1792 eine großbürgerliche Gazette feststellen: »Das jakobinische Gesindel und ihre Zeitungen sind voll des Hasses und des Neides gegen die Reichen.« Konservative Historiker haben diese Feststellung dann über die Jahrzehnte hinweg kolportiert. Der Neid-Vorwurf ist immer schnell zur Hand, wenn es den Wohlhabenden an den Geldbeutel gehen soll. Kaum hatte die neue Koalition in Berlin die »Reichensteuer« beschlossen, war auch sie diesem Vorwurf ausgesetzt. Als erste meldeten sich natürlich Politiker der FDP zu Wort. Ihr Generalsekretär Dirk Niebel stimmte die Melodie an: »Ich nenne die Reichensteuer nur Neidsteuer.« Natürlich gesellte sich sofort der von allen Fernsehsendern bekannte Experte Arnulf Baring hinzu. Im Wahlkampf 1998 hatte die FDP die Gewerkschaften einer »Neidkampagne« bezichtigt, weil sie auf den wachsenden Reichtum weniger und die wachsende Armut vieler hingewiesen hatten. Vor der Bundestagswahl 2002 attackierte sie gemeinsam mit der CDU die IG Metall: Deren Hinweise auf hohe Unternehmergewinne und steil ansteigende Managergehälter bei zunehmender Arbeitslosigkeit führten zu einer »Neiddiskussion, die nicht weiterhilft«. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann (elf Millionen Euro jährlich), nannte im vorigen Jahr den gegen den ehemaligen Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser (48 Millionen Mark Anerkennungsprämie nach dem Verkauf des Unternehmens an den Vodafone-Konzern) sowie gegen Mitglieder des Mannesmann-Aufsichtsrats, darunter ihn selber, angestrengten Prozeß »Ausdruck des destruktiven Sozialneids«. Zwei Drittel der börsennotierten Unternehmen lehnen es ab, die individuellen Vergütungen ihrer Vorstandsmitglieder anzugeben, und begründen ihre Weigerung mit dem Argument, das würde »Neidgefühle mit üblen Folgen« erwecken. Bekannt ist nur, daß im Jahre 2002 das durchschnittliche Gehalt eines Vorstandsmitglieds das 52fache des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens (26 374 Euro) betrug. »Neiddebatten« entfacht auch, wer von Raubtierkapitalismus spricht, wenn sich beispielsweise die Vorstandsmitglieder des Allianz-Konzerns ihre Gehälter innerhalb eines Jahres um 46 Prozent und die des Energiekonzerns eon gar um 108 Prozent erhöhen – und das in einer Zeit von Massenentlassungen, Lohnkürzungen und Sozialraub. Kühl lassen die Großverdiener wissen, außerordentliche Leistungen müßten eben entsprechend bezahlt werden. Wie originell heutige Tugendwächter argumentieren, soll schließlich noch eine Schlagzeile aus der Badischen Zeitung zeigen: »Wo sind die Carnegies? In den USA engagieren sich viele Reiche als Stifter und Mäzen, in Deutschland verhindern Neid und Mißgunst derartige Wohltaten.« Sind die Reichen hierzulande wirklich so arm dran? Das Volk in seiner Frömmigkeit ist zu großen Opfern bereit. Aber man kann nicht ausschließen, daß es sich vom abscheulichen Laster Neid, sprich: vom Streben nach Gleichheit, irgendwann wieder zu revolutionären Eigenmächtigkeiten radikalisieren lassen wird. Wie gut, daß wir so viele eifrige Prediger des neoliberalen Glaubens haben und daß sie in den Medien jederzeit zu Wort kommen, um die Armen zu lehren, sich ihrer Neidgefühle zu schämen. Kontext:
Erschienen in Ossietzky 24/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |