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In diesen kleinen Lehrstücken ging es Brecht um die Konfrontation mit dem Typ von Widersprüchen, die unlösbar sind, mit denen sich aber Menschen aller Gesellschaften auseinandersetzen müssen. In der Kunst werden sie gerne unter dem Tisch gehalten. Wenn man aber nicht weiß, daß es solche Widersprüche gibt, wird man sie schwerer aushalten, als wenn man ihre Existenz anerkennt und sich im Umgang mit ihnen übt. Eine Chance besteht nämlich darin, daß der Zeitenwandel oder auch ein Epochenumbruch, vor allem aber technologische Entwicklungen doch neue Möglichkeiten für Lösungen oder Teillösungen bieten. Deshalb lohnt es sich, der Quintessenz des Doppelstücks zu folgen: »in jeder neuen Lage neu nachzudenken«. Das von Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann aus dem Englischen übersetzte kleine japanische Stück »Taniko« zeigte, wie ein Junge, der mit einer Gruppe aufgebrochen ist, ein die Dorfgemeinschaft rettendes Medikament zu beschaffen, nach alter kollektivistischer Regel mit seinem Einverständnis ins Tal gestürzt wird, nachdem er selber krank und eine Belastung für das ganze Unternehmen geworden ist. Brecht bearbeitete das Stück so, daß im Publikum Widerspruch gegen den alten Brauch provoziert wurde, was auch sehr gut funktionierte. Zwischen 1930 und 1933 soll »Der Jasager« an die 200 mal aufgeführt worden sein. Die von den Urhebern gewünschte Reaktion richtete sich gegen die Opferideologie des 1. Weltkriegs wie auch gegen den von den stärker werdenden Nazis propagierten Volksgemeinschaftsgedanken. Daß sich Brecht trotzdem entschloß, dem Stück noch den »Neinsager« hinzuzufügen, hing sicher nicht nur damit zusammen, daß es bei dilettantischen Aufführungen auch mal Beifall von der falschen Seite gab. Der Sinn des »Neinsagers« erschließt sich erst, wenn man auch Brechts Skepsis gegenüber dem vom Stalinismus praktizierten Kollektivismus in Betracht zieht, der dem Individuum zwar Entwicklungschancen eröffnete, aber den qualitativen Umschlag in die emanzipierte Individualität zu verhindern suchte. Aus diesem Grund war es wichtig, daß nicht nur der Brauch geändert wurde, sondern daß der Junge selber »nein« sagte. Man kann streiten, ob Brecht nicht genau das mit seinem späteren Stück «die »Maßnahme« wieder in Frage stellte. Die Antwort lautet: Auch hier wurde keine Norm vorgegeben, auch diese Vorlage sollte dazu auffordern, »in jeder neuen Lage neu nachzudenken«. Der Musikpädagoge und -Wissenschaftler Gerhard Kirchner hat ein interessantes Büchlein zur Wirkungsgeschichte der wichtigsten deutschen Schuloper geschrieben. Eine 1960 in der DDR erschienene Arbeit von Hella Brock hatte erklärt, daß sie für das neue sozialistische System keinen erzieherischen Wert mehr habe. Trotz Brecht-Skepsis und Brecht-Boykott erlebte sie hingegen in der Bundesrepublik bis 1966 etwa dreißig Schulaufführungen. Erst 1966 kam es unter Schirmherrschaft des Berliner Ensembles zu einer künstlerisch niveauvollen Schüleraufführung in Ostberlin, deren emanzipatorischer Ertrag jedoch zumindest teilweise in Zweifel zu ziehen ist. Kirchner selbst hat umfangreiche philologische und musikwissenschaftliche Forschungen betrieben. Anläßlich seiner eigenen Inszenierung 1962/63 am Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach fand er heraus, daß es einen Gewinn an Differenzierung bedeutet, wenn die bis dahin als Nebenprodukt angesehene dritte Version, der sogenannten »Jasager I«, mit zur Aufführung gelangt. Kirchners Buch gibt auch Hinweise, wie man damit umgehen kann, daß Kurt Weill dem »Neinsager« die Musik verweigerte und Lotte Lenya sich lange gegen die Übernahme von Teilen der »Jasager«-Musik in den »Neinsager« sträubte. Man erfährt hier, daß Reiner Bredemeyer Anfang der neunziger Jahre eine Musik zum »Neinsager« geschrieben hat, die 1994 von der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst mit professioenbllen Künstlern urausgeführt wurde. Kirchners rezeptionsgeschichtliche Darstellung läßt jedoch keinen Zweifel, daß der Ertrag der Schuloper größer ist, wenn sie tatsächlich von Schülern für Schüler gespielt wird. Da es um Solidarität im Gesundheitswesen geht, ist sie gerade jetzt aktuell. Gerhard Kirchner: »Ein deutsches Lehrstück. Meine Beziehungen zum ›Jasager‹, Verlag Waldemar Lutz, Lörrach, 128 Seiten, 24.80
Erschienen in Ossietzky 23/2005 |
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