Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. DEFA im MoMAHeinz Kersten »Steht hinter Ihrer Einreise die Absicht, sich an strafbaren oder unmoralischen Handlungen zu beteiligen?« Die Frage bringt mich zum Nachdenken. Was ist heutzutage in den USA strafbar, was unmoralisch? Mir fallen Zeitungsmeldungen ein, wonach sich jemand mit einer Handlung strafbar gemacht hat, die unter normalen Umständen keineswegs Strafe verdient hätte. Und was gilt dem evangelikalen Mainstream nicht alles als unmoralisch? Mache ich mich schon strafbar, wenn ich mir in einem geschlossenen Raum eine Zigarette anzünde? In den folgenden Tagen mußte ich mich dazu immer ins Freie begeben. Und ich erinnere mich, wie ich vor Jahrzehnten in New Orleans von einer Polizeistreife mit aufs Revier genommen wurde, wo ich dann eine unbequeme Nacht verbrachte, bloß weil ich in einem schwarzen Viertel nachts auf der Straße gestanden und auf jemanden gewartet hatte. Nun, das würde mir heute wohl nicht einmal im Süden mehr passieren. Also verneine ich guten Gewissens die auf dem grünen Einreiseformular gestellte Frage und unterziehe mich auf dem John-F.-Kennedy-Airport der Prozedur des Fingerabdrucks und Photographiertwerdens, was immerhin schneller geht als erwartet. Doch dann regnet es in Strömen und hört nicht auf fast bis ans Ende meines New Yorker Aufenthaltes. In vielen Filmen regnet es ja gern, wenn irgendein Unheil droht oder ein Mord geschieht. Nach Singing in the Rain ist mir auch nicht zumute. »Hochzeitsnacht im Regen« hieß 1967 ein Babelsberger Musical, aber sonst regnete es in DEFA-Filmen höchst selten. Vielleicht weil es nicht zum erwünschten Optimismus paßte, den Manfred Krug (»Auf der Sonnenseite«) besang. Jedenfalls regnete es, wenn ich mich nicht irre, auch in keinem der 21 Filme, die das Museum of Modern Art in der bisher umfangreichsten DEFA-Retrospektive in den USA präsentierte, gemeinsam mit dem Goethe-Institut und der DEFA Film Library an der University of Massachusets Amhurst. Letzterer ist zu verdanken, daß die Produktionen der einstigen ostdeutschen Filmgesellschaft auch andernorts in den USA bekannt werden. Bald nach der »Wende« hatte Professor Barton Byg, schon vorher ein Fan von Konrad Wolfs »Sonnensucher« und »Der geteilte Himmel«, 35-Millimeter-Kopien an Land gezogen, die in der DDR-Botschaft lagerten. Er erwarb die Rechte und erweiterte inzwischen den Bestand der Library um Video und DVD. Damit werden Workshops für Deutsch-Lehrer veranstaltet. Die Icestorm Entertainment GmbH, die DEFA-Filme auch in Deutschland vermarktet, bietet in einem Katalog für die USA 60 Titel für Bildungszwecke an, zum Verkauf auch englisch untertitelte DVD-Kassetten zu Themen wie Märchenfilme und Antifaschismus. Die zuletzt erschienene mit drei in den sechziger und siebziger Jahren in Babelsberg produzierte utopischen Filme wurden im August lobend von der New York Times besprochen. So feiert in Deutschland Vergessenes in den USA ein Comeback. Die DVD-Ausgabe von Frank Beyers »Nackt unter Wölfen« mit englischen Untertiteln erlebte eine Premiere im Goethe-Institut. Für die MoMA-Retrospektive hatten die Kuratorinnen in Berlin 300 DEFA-Filme gesichtet. Ihre Auswahl stellte solche vor, die in den USA noch unbekannt und bisher nicht englisch untertitelt waren: zwölf Spiel-, vier Dokumentar- und fünf Trickfilme. Darunter befand sich selbst bei uns kaum Bekanntes und in der DDR Umstrittenes, das deshalb schnell aus den Kinos verschwand oder verboten wurde. Zu den Wiederentdeckungen gehörte »Das zweite Gleis« von Joachim Kunert (1962), »Dein unbekannter Bruder« von Ulrich Weiß (1981), »Das Fahrrad« von Evelyn Schmidt (1981), »Die Architekten« von Peter Kahane (1990) und der verbotene Film »Jahrgang 45« von Jürgen Böttcher (1966) – allesamt seinerzeit formal und thematisch Vorstöße in künstlerisches Neuland. Die Regisseure Evelyn Schmidt, Frank Beyer, Peter Kahane, Jürgen Böttcher, Günter Jordan und der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase führten ihre Filme selbst ein. Die Besucher standen zwar nicht wie bei der Berliner MoMA-Ausstellung Schlange, aber der Saal mit 600 Plätzen war meist gut gefüllt, und das Publikum zeigte sich beeindruckt von der handwerklichen Qualität und dem unorthodoxen Inhalt der Filme. »Rebels with a Cause« hatten die Veranstalter in Anlehnung an den Titel eines amerikanischen Kino-Klassikers die Retrospektive überschrieben. Wenn auch die Filmemacher keine Rebellen im Sinne von Dissidenten waren, so gehörten sie doch zu den Unbequemen, die den realen Sozialismus humanisieren wollten. Ob man die Filme bei ihrer Vorführung in den USA unterschiedlich zur damaligen Rezeption in der DDR gesehen habe, fragte der Moderator Barton Byg die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion im Goethe-Institut. Für den Film »Der Fall Gleiwitz« von Gerhard Klein, der 1961 in einem strengen dokumentarischen Stil rekonstruierte, wie der Zweite Weltkrieg beim Überfall auf Polen mit einer Lüge begann, traf das zu. Konnte man hier doch Parallelen zum Irak-Krieg ziehen. In New York begegnete man Zeichen des Widerstands. Vor dem Metropolitan Museum ein Stand mit Anti-Bush-Buttons. In der Cathedral Church of Saint John the Divine war der Boden mit unzähligen Schuhen bedeckt war, versehen mit Namensschildern im Irak gefallener US-Soldaten. Sie sollen 2000 Tote der Streitkräfte repräsentieren, andere, zivile Schuhe wenigstens 100 000 getötete Iraker. Dazu Fotos aus dem Irak. Und auf Tafeln die Information, daß über 35 GIs Selbstmord verübten und bis zu 600 wegen emotional-mentaler Probleme nach Hause geschickt wurden. Die Installation tourt durch die ganze USA. Auch die MoMA-Retrospektive geht dieser Tage auf Reisen in sieben amerikanische und acht deutsche Städte.
Erschienen in Ossietzky 23/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |