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Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR«. Der Autor, Henry Leide, Mitarbeiter der Außenstelle Rostock der »Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik«, entdeckt darin, daß in der DDR »eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit... von Anfang an ausgeblendet« wurde und »NS-belastete Personen« als inoffizielle Mitarbeiter oder als Spione angeworben wurden. Laut »Kulturreport« beweist das, daß »der zur Staatsdoktrin geronnene Antifaschismus... am Ende nur Fassade« war. Zu dieser umwerfenden Erkenntnis mag und kann Richard Schröder nicht schweigen. Also gibt er seinen Senf dazu und zu wissen, »in den zurückliegenden 15 Jahren von vielen Leuten gehört« zu haben, »daß vieles an der DDR schlecht war, aber daß sie doch ein antifaschistischer Staat war«. Diese Leute führt er auf den rechten Weg: »Die so argumentiert haben, die sich gewissermaßen über das, was an unerfreulichen Dingen schon zu Tage lag, hinweggetröstet haben, daß die Grundorientierung doch o. k. gewesen ist, die werden sich leider auch das noch abschminken müssen.« Ja, er hat Recht, der nach seinem Glauben christliche und nach seinem Parteibuch sozialdemokratische Professor! Die zum Abschminken Aufgeforderten, die sich über »unerfreuliche Dinge« hinwegtrösteten, brauchen nur seinem weisen Rat zu folgen, und der sonst so steinige Weg zur Wahrheit öffnet sich ihnen wie eine glatte Straße in das Reich der Erkenntnis. Sie müssen lediglich die Entschiedenheit ignorieren, mit der im Osten Deutschlands nach 1945 die Herren der Großindustrie und der Hochfinanz, die Hitler gefördert und gestützt hatten, enteignet, die Nazi- und Kriegsverbrecher verfolgt und jegliche Formen nazistischer Propaganda unter strenge Strafen gestellt wurden. Die Älteren unter ihnen sollten sich auch nicht mehr daran erinnern, welche Aufklärungsarbeit nach der Befreiung vom Faschismus geleistet wurde, um den Deutschen das unermeßliche Leid vor Augen zu führen, das sie unter dem Hitlerregime anderen Völkern zugefügt hatten. Ebenso ist aus der Erinnerung zu streichen, wieviele Straßen und Plätze, Kulturhäuser, Schulen und später auch Kasernen die Namen von ermordeten antifaschistischen Widerstandskämpfern trugen und daß Millionen von Schülern Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück und andere Stätten des Gedenkens an die Leiden in den Konzentrationslagern besuchten. Nicht erinnern dürfen sie sich daran, daß der Antifaschismus ein zentrales Thema der Kunst und des gesamten Kulturschaffens war, und sollten sie – um als Beispiel nur die Filmkunst zu erwähnen – solche Filme wie Wolfgang Staudtes »Die Mörder sind unter uns«, Kurt Maetzigs »Ehe im Schatten«, Konrad Wolfs »Professor Mamlock«, »Sterne« und »Ich war neunzehn«, Frank Beyers »Nackt unter Wölfen« und »Jakob der Lügner« oder Günter Reischs und Günther Rückers »Die Verlobte« gesehen haben, dann sollten sie das schnellstens aus ihrem Gedächtnis tilgen. Auch die Tatsache sollte nicht länger schöngeredet werden, daß nahezu alle zentralen Führungspositionen in der DDR von Antifaschisten eingenommen wurden, die in der Illegalität, in den Internationalen Brigaden und im Exil gekämpft, in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern gelitten hatten. Verdrängt werden muß schließlich nur noch, daß der Antifaschismus durch das Wirken von Widerstandskämpfern, Künstlern, Schriftstellern, Wissenschaftlern und Lehrern zur herrschenden Überzeugung und zu einem wichtigen Bindeglied der Gesellschaft wurde. Wie man sieht, ist es gar nicht so schwer, Schröders Rat zu folgen und sich abzuschminken, daß die DDR ein antifaschistischer Staat war. Und wer es schafft, wird belohnt. Wenn das bißchen Schminke weg ist, dann endlich ist sie zu sehen, die Visage der »zweiten Diktatur in Deutschland«, des »Unrechtsstaates DDR«. Das Rezept ist allerdings nicht originell. Versuche, den Antifaschismus in der DDR in Zweifel zu stellen, begannen mit zahlreichen Publikationen des famosen »Untersuchungsausschusses freiheitlicher Juristen«, setzten sich unter anderem mit dem 1981 erschienenen Pamphlet »Braunbuch DDR. Nazis in der DDR« fort, das dem »Braunbuch Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Berlin West« entgegenwirken sollte, und nahmen nach dem Untergang des ostdeutschen Staates den Charakter einer Dauerkampagne an. Das schmalbrüstige Werk des Henry Leide ist nur ihr jüngstes Produkt. Ihr Ziel ist es, eine tragende Säule der Legitimität der DDR auch im nachhinein zu zerstören. Daß sich der Theologe Richard Schröder, der eigentlich durch Gottes Gebot verpflichtet wäre, nicht falsch Zeugnis zu reden, daran besonders eifrig beteiligt, zeigt ein weiteres Mal, welches Potential in ihm gärt. Der politische Tausendsassa und nicht unbegabte Mime, der vor allem, wie jetzt im »Kulturreport«, im komischen Fach brilliert, wurde 1998/99 sogar als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt. Damals wurde nichts daraus. Aber wer weiß? Verfassungsrichter, wenn auch nur in Brandenburg, ist er schon.
Erschienen in Ossietzky 23/2005 |
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