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Als er vier war, kaufte sein Vater, Chef der isländischen Straßenbauverwaltung, eine Farm im nahen Laxness. Dort wuchs der Junge auf, und Laxness wählte er als Künstlernamen – ein Programm. Er besuchte die Lateinschule, fiel durchs Abitur und verließ die Schule ohne Abschluß. Mit Macht zog es ihn in die Welt hinaus: Berlin, Rom, London. 1922 Übertritt zum Katholizismus. Ordensbruder in einem luxemburgischen Benediktinerkloster. Sein Klosterausweis vom 21. März 1923 lautete auf Kiljan Gujónsson Laxness. Der neue Vorname war ein Bekenntnis zu dem irischen Missionar und Märtyrer Kilian, dem nachmaligen Patron der Franken. Bald legte er Katholizismus und Vornamen ab. 1926 geht er wieder auf Suche, diesmal nach Amerika. In Hollywood will er Filme über Bauernschicksale drehen, aber dort winkt man ab. Er macht die Bekanntschaft Upton Sinclairs, der mit kämpferischer Sozialkritik Roosevelts New-Deal-Politik den Boden bereitet. Der Sozialist öffnet Laxness die Augen für die Raubgier kapitalistischer Ausbeutung. Laxness findet im Kommunismus eine neue Heilslehre. Als er den Justizmord an den Anarchisten Sacco und Vanzetti anprangert, wollen die US-Behörden den lästigen Ausländer ausweisen. Er kehrt nach Island zurück. 1932 bricht er erneut auf, diesmal in die Sowjetunion, und wird auch dort ernüchtert. Später, im Zeichen des Kalten Krieges, priesen ihn seine bürgerlichen Biographen, er habe dem Kommunismus abgeschworen. Doch er blieb ein kämpferischer Sozialist. Nach früheren Werken mit religiösem Einschlag, zum Beispiel »Der große Weber von Kaschmir« (1927), schrieb er nun sozialkritische Romane (»Salka Valka«, 1932; »Unabhängige Menschen«, 1936; »Weltlicht«, 1937-1940). Geschichte und Politik seiner Heimat waren der Stoff des großen Epos »Islandglocke«, das von 1943 bis 1946 entstand. Stets blieb der Weitgereiste seinem Volk und den einfachen Menschen verbunden. Sein Staat dankte es ihm mit einem großzügigen Autorengehalt und der jährlichen Feier seines Geburtstags im Staatstheater von Reykjavik. Im Kalten Krieg geriet das kleine Land am Rande der Welt ins Visier der Mächtigen. Die USA wollten es zu einem Stützpunkt für nukleare Waffen machen. Dagegen schrieb Halldór Laxness sein Buch, das ihn in Deutschland berühmt machte: »Atomstation« (1948; deutsch 1955). Ugla, das Bauernmädchen aus dem Nordland, will in Reykjavik Orgel spielen lernen. Als Dienstmädchen beim Althingsabgeordneten Bui Arland lernt sie die verrottete »feine Gesellschaft« kennen, die ihr weltenfern ist und bleibt. Sie trifft Sonderlinge und Verlierer, begegnet versponnenen Sekten und kämpferischen Kommunisten, erfährt die Liebe zweier Männer, bekommt ein Kind und entschließt sich trotzdem, ihren Weg allein zu gehen. All das, mit skurrilem Humor und blühender Phantasie erzählt, rankt sich um einen politischen Skandal: In Keflavik soll eine Abschußrampe für amerikanische Atomraketen errichtet werden, und die Politiker belügen ihr Volk, das dagegen aufbegehrt. Ein pessimistisches Buch mit hoffnungsvollem Ausklang. Daß das Achtzehner-Gremium der Schwedischen Akademie der Künste Halldór Laxness den Nobelpreis zusprach, war gerade nach »Atomstation« eine Entscheidung von politischer Qualität. Immerhin verkündete der Roman den Sieg des Kommunismus, verteidigte das Recht kleiner Staaten, sich aus imperialistischem Machtkalkül herauszuhalten, und prangerte die USA als Aggressor an. Noch schwerer zu ertragen war, daß der Autor kurz zuvor den Stalinpreis erhalten hatte. So zeugt die Preisvergabe von der Unabhängigkeit der Akademie. Laxness' literarische Qualität war im übrigen nie zweifelhaft. Manch weiteres Werk hat er der Welt noch geschenkt, ehe er in Altersdemenz versank, so »Fischkonzert« (1957) und »Das wiedergefundene Paradies« (1960). In »Zeit zu schreiben« (1963) – er spricht von »Inventur eines Autors« – berichtet er über seine Reisen. Scharfsichtig schildert er den zerstörerischen amerikanischen Kapitalismus. Amüsant sind seine Anmerkungen zu Marx, Thomas Mann und der deutschen Romantik. Am 9. Februar 1998 starb Laxness in einem Pflegeheim nahe Reykjavik. Er hatte geirrt, als er die Weltherrschaft des Kommunismus voraussagte. Eine andere Diagnose der Welt scheint sich indessen zu erfüllen. Bui Arland läßt er am Ende von »Atomstation« sagen: »Die Barbarei steht vor der Tür.« Fünfzig Jahre später ist sie unsere Hausgenossin.
Erschienen in Ossietzky 23/2005 |
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