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Wenn Frau Merkel schon im Juli erklärt hat: »Eine große Koalition wird es nicht geben«, so kann das zweierlei bedeuten: Entweder sie hat gelogen, oder demnächst bestimmt die Richtlinien der Politik eine Kanzlerin, die nicht in der Lage ist, Entscheidungen auch nur zwei Monate im voraus zu kalkulieren. Vermutlich trifft beides zu. Bei Stoiber liegen die Dinge anders; er hat schon drei Wochen vor der Wahl gewußt: »Eine große Koalition in der jetzigen Lage wäre schlecht fürs Land.« Offenbar um die Stichhaltigkeit dieser hellsichtigen These schlagend zu beweisen, will er jetzt mithelfen, als Minister Schlechtes fürs Land zu tun. Bei Gerhard Schröder und Franz Müntefering muß man nicht groß fragen; trotz gegenteiliger Äußerungen wollten sie mit der vorgezogenen Bundestagswahl nichts anderes erreichen. Hieß es nicht nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, nun sei der Kanzler wegen der Mehrheit unionsgeführter Länder nicht mehr handlungsfähig? Aber selbst wenn Spezialdemokraten und Olivgrünen bei der Bundestagswahl am 18. September ein haushoher Wahlsieg gelungen wäre, hätte das an der Situation im Bundesrat nichts geändert. Die gleisnerische Spiegelfechterei der vorgeblichen Vertrauensfrage ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie von vornherein als elegante Hintertreppe zum schwarzroten Salon des Etablissements der Bessergestellten angelegt war. Daß sich Systemveränderer Gerhard Schröder hierbei persönlich verschätzt oder das Kalkül seines Parteifreundes Münte nicht durchschaut hat, steht auf einem anderen Blatt. Auf dem Blatt nämlich, das uns die bürgerlichen Medien täglich servieren: Haben jetzt Glos oder Schönbohm plötzlich doch noch Chancen? – Was meint Merkel zu Seehofer? Oder Stoiber zu beiden? – Wer ist eigentlich der zurückhaltende »Herr Merkel«? Trägt Schäuble den Dolch schon im Gewande? – Schafft es Beckstein? Oder doch Huber? »Wie fühlen Sie sich als Bundeskanzler in spe?« ... Personalien. Natürlich der übliche schmierige Postenschacher wie eh und je; haust du meinen Bauern, tret ich deinen Hansel: Herr Schulze-Rodenbruck muß sich den Minister leider abschminken, kriegt als Ausgleich dafür jedoch die feste Zusage eines hochdotierten Spitzenjobs in Brüssel oder bei einem Energiekonzern. – Natürlich, das gibt schon etwas her. Der Umstand, daß wir mit Schröders bisheriger grauer Eminenz Frank-Walter Steinmeier einen Außenminister bekommen, der als Architekt der unseligen Agenda gilt, vor allem jedoch die bundesdeutschen Geheimdienste höchstinstanzlich dirigierte, fällt daneben nicht weiter auf. Die kollegiale Zusammenarbeit mit der CIA wird dann schon klappen, wenn es wieder gilt, die Terrornester irgendwelcher extremistischer Belutschen auszuräuchern. Eine entscheidende politische Tatsache findet – obwohl offensichtlich – in den Einheiz-Medien kaum Beachtung, und wenn doch mal, dann nur in verschämtem Nebensatz: Die neue Regierung wird unzweifelhaft eine fähige sein – nämlich eine zu allem fähige. Die satte verfassungsänderungsfähige Zweidrittelmehrheit im Parlament führt dazu, daß man sich zukünftig nicht mal mehr an das Grundgesetz halten muß. Da kann notfalls alles durchgepeitscht werden. Opposition? Macht nach außen einen guten Eindruck, aber Mehrheit ist Mehrheit, gelle? Sollte aber wider Erwarten das nach Parteienproporz besetzte Verfassungsgericht doch mal ein neues Gesetz als verfassungswidrig beanstanden, so ändert man selbstverständlich. Nicht das Gesetz – die Verfassung. Abstimmungen über die Entsendung deutscher Soldaten zum Schutz unserer deutschen Siedler in Namibia etwa werden dann reine Formsache. Eigentlich sogar überflüssig. Nicht mal parlamentarische Untersuchungsausschüsse wird es in Berlin noch geben. Das Quorum für die Einsetzung eines solchen Gremiums beträgt nämlich bekanntermaßen 25 Prozent der Stimmen aller Volksvertreter. Da müßten dann schon nahezu alle Abgeordneten von FDP, Linkspartei und Grünen gemeinsam für einen solchen Antrag stimmen. Illusorisch – noch dazu, wenn man bedenkt, daß die Regierung jetzt sogar in der »Opposition« Hilfstruppen hat, nämlich zumindest einen großen Teil der Gefolgsleute Westerwelles und Künasts. Das Mobbing gegen die Linkspartei bei der Abstimmung über Lothar Bisky als Bundestagsvizepräsidenten (die Medien benutzten in der Berichterstattung voll unübersehbar klammheimlicher Freude nahezu einhellig die Vokabel »durchgefallen«, »abgestraft« oder »Schlappe für Bisky«) war da nur ein Vorgeschmack. Ein nicht unerheblicher Teil der ausgezählten Stimmzettel trug laut Zeugenaussagen unflätige Bemerkungen, aber auch hoch politische Zusätze wie »Keine Kommunisten!«, »auch nicht im 245. Wahlgang« oder »Keine Stasi!« Nach Gesetz muß bei allgemeinen Wahlen ein Stimmzettel mit persönlichen Anmerkungen als ungültig gewertet werden. Wäre hier nicht eine Beschwerde oder Feststellungsklage geboten?– Ach, wir wissen schon: Quod licet Jovi, non licet bovi – oder zu deutsch: Vorschriften gelten immer nur für das gemeine Volk. Zukünftig wird man in den Nachrichten vermutlich immer häufiger die Formulierung hören: »Heute beschloß der Bundestag mit der Mehrheit aller Fraktionen gegen die Stimmen der Linkspartei ...« Desto wichtiger, daß es die letztgenannte gibt, daß sie auf der Tribüne des Parlaments dem Protest eine Stimme gibt, daß sie unüberhörbar Nein ruft, etwa wenn – wie zu erwarten – die extremrechts-rechte Koalition sich anschickt, Hartz V bis Hartz XX durchzupauken. Ich kann mich noch gut an die weiland große Koalition der sechziger Jahre erinnern. Es wurde miefig im Land. Druck nahm zu. Medien wurden strikt gleichgeschaltet. Die Arroganz der Mächtigen wuchs. Das war 1966. Nur zwei Jahre ließ das Ergebnis auf sich warten: 1968, die außerparlamentarische Opposition, der Aufstand der Belogenen. Das nun wiederum macht Mut.
Erschienen in Ossietzky 22/2005 |
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