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Kriminelle Phantasie wirkte auf den Friedhöfen wenig innovativ: Skulpturen aus jener Zeit zeigen die Typen mit Spielkarten oder »Mercedes«-Autoschlüssel in der Hand. Doch inzwischen hat die Unterwelt erkennbare Fortschritt gemacht. Berühmte Bildhauer bieten ihr jetzt ihre Dienste an. Künstler, die noch gestern Heilige oder Dichter verewigt haben, scheuen sich heute nicht, um die Darstellung der umgelegten Bandenchefs zu wetteifern. Marmor- oder Granitmonumente von drei bis vier Meter Höhe sollen jedem Friedhofsbesucher anschaulich machen: Hier ruht eine ganz besondere Person. Neben dem Klotz erhebt sich die Figur des (im direktesten Sinne des Wortes) teuren Verstorbenen, ein tonnenschweres Kreuz umarmend oder die Gesellschaft zweier Engel genießend. Einem dieser Mafiosi ließen die Berufsgenossen einen Obelisk in Form eines riesigen Handys errichten – mit der Inschrift: »Der Teilnehmer ist außerhalb des Empfangsbereichs.« Die verdienten Mörder, Diebe oder Erpresser scheinen die Binsenweisheit widerlegen zu wollen, daß man ins Jenseits nichts mitnehmen könne. Ihre Grabmonumente sind oft größer als öffentliche Puschkin-Denkmäler. Im Vergleich zur Pracht der Neureichen sehen Gogols oder Tschechows Grabstätten bescheiden aus. Es versteht sich nachgerade von selbst, daß die Kriminellen die besten Grundstücke erwerben, an den zentralen Alleen der Friedhöfe. Auch in alte, eigentlich geschlossene Ruhestätten sickert die Kriminalität bazillenartig ein; jeder Friedhofsdirektor hat eine »eiserne Reserve«, für zigtausend Dollar jederzeit erhältlich. Die Gangster kaufen auch ganze Felder auf Friedhöfen vorsorglich auf. Nach dem Tode wollen sie zusammenbleiben. Das Geld macht's möglich. Zum Verfassen der Inschriften werden jetzt bisweilen bekannte Literaten her-angezogen. Mit ihrer käuflichen Kunst können sie Tränen der Rührung hervorrufen. Zum Beispiel: »Hier ruhen die Herzensgüte und Gerechtigkeit.« Oder: »Die Zeit wird die bestrafen, die den Weg hierher vergessen.« Aber die Besuche sind wirklich ein Problem – aus zwei Gründen: Erstens sind Schwerkriminelle nur relativ kurze Zeit auf dieser Erde zu Gast und werden dem frisch beigesetzten vielleicht schon bald folgen. Oder für lange Jahre im Knast verschwinden. Zweitens ziehen es die Ganoven vor, die Friedhofsbediensteten für ein sattes Honorar zu beauftragen, die Grabstätte in Ordnung zu halten und gelegentlich mit Blumen zu schmücken. So entledigen sie sich der Sorge und brauchen kein Trauertheater mehr zu spielen. Um so mehr Zeit bleibt ihnen fürs Spielkasino und für die Sauna mit käuflichen Damen, wo diese Herren mit Zinnaugen und Affenstatur ihre intellektuellen Bedürfnisse befriedigen. In den letzten Jahren wurde Rußland von einer neuen Seuche heimgesucht. Arbeitslose klauen alle Metallerzeugnisse, die man verkaufen kann, vom Blechgeschirr bis zum Stromdraht, und die Vandalen schonen auch die Friedhöfe nicht. Man baut ab und schleppt weg – vor allem die bronzenen Skulpturen und Kränze oder die Umzäunung. Nur die Gräber der Mafia-Bosse bleiben unangetastet. Haben die Diebe Angst vor der Macht der Kriminellen im Jenseits? Weil die Preise des Bestattungsgewerbes steigen und steigen, gelingt es vielen Menschen nicht mehr, ihre Verwandten anständig beizusetzen; manche Leichen werden in Plastiksäcken unter die Erde gebracht. In der U-Bahn sah ich einmal ein etwa dreizehn- bis vierzehnjähriges Mädchen mit starrem, abwesendem Blick, bescheiden gekleidet, eine Plastiktüte in der Hand, ein handbeschriebenes Kartonschild vor der Brust: »Mutti ist gestorben. Habe kein Geld fürs Begräbnis. Helfen Sie bitte, soviel Sie können.« Einzelne Fahrgäste warfen kleine Geldscheine in die Plastiktüte. Die meisten eilten mit teilnahmslosen Gesichtern vorbei. Hartherzigkeit, Gleichgültigkeit? Keinesfalls. Wir alle wissen allzu gut, daß der Hauptteil der Bettlerbeute den Kriminellen zufließt. Wer nicht für die Unterwelt arbeitet, wird – besonders in der U-Bahn – nicht lange Geld sammeln dürfen; in fünf bis zehn Minuten verschwindet er. Die Mafia füttern? Nein danke, lieber nicht. Trotzdem habe ich in diesem Fall gespendet. Konnte es nicht ausnahmsweise doch stimmen, was das traurige Mädchen geschrieben hatte? |