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Demokratisches Herz Deutschlands
Matthias Biskupek
In Thüringen ist man sehr verärgert, wenn man mit Sachsen verwechselt wird.
Die Welt kennt sächsisches Barock, sächsisches Kabarett, sächsische Vigilanz und neuerdings sächsische Landtagshoheiten der NPD. Daß die NPD in Dresden nichtsächsische Führer besitzt, ob sie nun Marx oder Apfel heißen, muß die Welt nicht wissen.
Von Thüringen aus aber läßt man die Welt sehr gern wissen: Wir sind keine Sachsen! Wir sind streng christdemokratisch! Das Eichsfeld ist nicht die Sächsische Schweiz. Bei uns gibt es auch keine Nazis im Landtag.
Bei der jüngsten Wahl, bei der die Wählerzahl für die NPD in Deutschland um eine halbe Million stieg, war Thüringen – nach Sachsen – das Land mit den meisten Nazional-Wählern: an die vier Prozent. NPD-Direktkandidat Uwe Bäz-Dölle aus dem schönen Glasbläserort Lauscha kratzte in seinem Wahlkreis (»Von der Orla bis zur Itz«) an der Fünf-Prozent-Marke. In einigen lieblichen Thüringer Dörfern, in denen die Wirtshäuser manchmal »Deutsches Haus« und manchmal »Eiche« heißen, gab es auch schnell mal eine zweistellige Nationalwählerschaft. Von NPD-Plakaten lächelt bis heute in vielen Orten Thüringens eine ältere Dame, Dr. Rita Hoffmann aus Wildeck, die verkündet, daß Bildung das Wichtigste sei. Vielleicht meint sie die Bildung nationaler Nester? Mit zweistelligen NPD-Ergebnissen?
Die »Frische Quelle«, eine Kneipe in Mosbach nahe Eisenach, ist ein solches Nest. Der Wirt hatte Zahlungsschwierigkeiten, wie sie Kneipen auf dem flachen Lande gemeinhin haben – da nahm er eben mal vor Jahren eine größere Gruppe in Kost und Logis. Und weil es allen so gut schmeckte, kommen sie immer gern wieder: die nationalen Vordenker mit ihren nationalen Gehirnstürmen, wie wir korrekt das braune brain-storming nennen wollen.
In den frühen Neunzigern war das Dorf Heilsberg – welch hübscher Name für ein niedliches Dorf – in die Schlagzeilen geraten. Ahnungslos hatte man die Dorfkneipe an Kameraden vermietet, die ihr Kameradentum mit Lautstärke zelebrierten. Es dauerte seine streng gesetzliche Zeit, also viele Jahre, bis die Kneipe von diesen Kameraden befreit war. Dafür hat sich im Nachbardorf Engerda ein Verlag etabliert, dessen Chef früher mal – eine Jugendsünde – der Wiking-Jugend angehörte. Jetzt verlegt er nur noch germanisch-esoterische Werke wie die Speer-Erinnerungen.
Ahnungslos waren auch die Verkäufer des Schützenhauses in Pößneck. Ein gewisser Jürgen Rieger erwarb das Objekt – ein Mann, den man wirklich nicht kennen kann, den Hamburger Rechtsanwalt von Rechtsaußen. Er hat mit der NPD natürlich nichts zu tun. Als in seinem Objekt der thüringische NPD-Landesparteitag stattfand, verwehrte »Stützpunktleiter Sascha S.« der Presse den Zutritt. Die Ostthüringer Zeitung hat das demokratisch exakt beschrieben: Die NPD-Kandidaten konnten da gar nichts machen. Hausrecht bleibt Hausrecht. Die Pressekonferenz mußte unter freiem Himmel, im Schützenpark, stattfinden, wegen des streng demokratischen Hausrechts. Deshalb gibt es im Schützenhaus auch kein türkisches Restaurant mehr, und wenn in der Grundschule nebenan und dem Gymnasium Nazi-Materialien auftauchen, kann das natürlich nie und nimmer in Verantwortung des Stützpunktleiters Sascha liegen. Daß Sascha früher die Jungen Nationaldemokraten, die Kampfreserve der NPD, in Norddeutschland leitete, ist reiner Zufall.
Wie gesagt, mit Thüringen hat das alles nichts zu tun. In Teichel, einem Ort, der zu Berühmtheit gelangte, weil er einst kleinste Stadt der DDR war, wurde die Schule geschlossen, wie das in Thüringen aus Volkstumsgründen so vorkommt. Das Gebäude wurde verkauft, natürlich ahnungslos. Die neuen Besitzer wollen Wohnungen und vielleicht – vielleicht – auch ein kleines, hübsches Schulungszentrum aus der alten Schule machen. Tradition steht in Thüringen hoch im Kurs. Alte Schule und neues Schulungszentrum Hand in Hand. Aber alles nur aus Zufall. So zufällig, wie einst der NPD-Verbotsprozeß aufflog, weil ein paar Verfassungsschützer mitmischten. Deren wichtigste nebenberufliche Mitarbeiter Brand und Dienel kamen zufällig aus Weimar und Saalfeld, Orten, die zufällig im Herzen des Grünen Herzens liegen.
Noch immer gibt es nämlich diesen Slogan von Thüringen als Grünem Herzen Deutschlands. Doch das ist irreführend, in der politischen Farbgebung. Sollte Thüringen sich nicht stolz »Demokratisches Herz Deutschlands« nennen? Das wäre dann schon für die lichte Zukunft gedacht. In der kann man vor das »demokratisch« noch ein bißchen »National« setzen.
Erschienen in Ossietzky 21/2005
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