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Ausgegrenzt in Hamburg
Monika Köhler
Am Ende der Ausstellung »Ausgegrenzt. Kunst in Hamburg 1933–1945« in der Hamburger Kunsthalle hängt als »Epilog« das »Große rote Logenbild«: Menschen teilnahmslos, gelangweilt, die Hände aufgestützt auf der Balustrade, sehen tatenlos von oben dem Schauspiel Welttheater zu. Heinrich Stegmann hat es gemalt. 1944, ein Jahr bevor er starb.
Es begann mit den drohenden Gefahren, die sich in Landschaftsbildern widerspiegeln. So in den blutigen »Wegespuren«, einem 1933 gemalten Bild von Karl Kluth, das damals den Anlaß zur eiligen Schließung der 12. Sezessionsausstellung gab. Die Hamburger Sezession, der viele der hier gezeigten Künstler angehörten, löste sich im Mai 1933 selbst auf, bevor jüdische Mitglieder von der Reichskammer der bildenden Künste herausgeworfen wurden.
Ausgesperrt. Eine »Winterlandschaft«. Kahle Bäume, die wie Gitterstäbe ein Feld absperren, selbst der Himmel wirkt vergittert. Alma del Banco malte dieses Bild 1942. Ein Jahr später nahm sie sich das Leben, weil sie abtransportiert werden sollte – da war sie über achtzig.
Menschen verlieren ihr Gesicht, ihre Identität, werden zu »Figuren«, tragen Masken oder verstecken sich hinter weißen Tüchern. Die ausweglose Situation der Künstler: Fritz Flintes fast lebensgroßes Bild zeigt ihn im Malerkittel mit Pinsel und Farbtopf, sein Mund ist ausgestrichen mit heller Farbe
Anita Rèe zog sich schon 1932 nach Sylt zurück, weil sie als Jüdin Repressalien ausgesetzt war. Ein Jahr später machte sie ihrem Leben ein Ende (das der Katalog als »Freitod« verharmlost). Die kleine Bleistiftzeichnung aus dem Todesjahr: Traurig blickt sie mit verschatteten Augen auf den Betrachter. Die Augen im Selbstbildnis von Paula Gans scheinen erloschen – auch sie brachte sich um, 1941, einen Tag bevor sie deportiert werden sollte.
Von Annemarie Ladewig ein bräunliches Tuschbild, »Spitzel«, aus dem Jahr 1944: Menschen an einer Litfaßsäule, ein Mann mit Hut, leicht abgewandt. Die Künstlerin kam 1945 ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel, dann nach Neuengamme, wo sie noch im April 45 ermordet wurde.
Die Linolschnitte – alle von 1935 – des KPD-Mitglieds Franz Kammingan sind realistisch, aber auch symbolisch zu sehen. »Deutschland«, das ist ein großer Mann, der unsicher vorwärtstappt, die Hände nach vorn gestreckt, als wäre er blind. Und der »Kofferträger« mit Schrankkoffer auf dem Rücken vor dem Bahnhof, wohin will er reisen, oder führen die Schienen auch ihn ins Lager?
Was blieb: Der »Hochbunker Feldstraße«, 1944 gemalt. Vor dem grauen Koloß eine Masse sich zusammendrängender Menschen, alle gleich gekleidet, Zwangsarbeiter oder Häftlinge aus Neuengamme, die Leichen abtransportieren mußten. Davor zwei Bewacher mit Gewehr, die fast aus dem Bild herausfallen. Bernhard Heyde sah diese Szenen von seiner Praxis gegenüber, wo er als Arzt wirkte. Er war der Ehemann der Schauspielerin Ida Ehre. Er kam nach Hamburg, weil er mit ihr auswandern wollte – was nicht gelang.
Zum Schluß seltsame Vögel von Herbert Spangenberg, der die Nazis überlebte: »Flucht in Verkleidung«. Wer flieht da 1946 in der Maske von Gänsen nach Übersee, weit weg, vielleicht nach Argentinien? Der Menschengeier dahinter kann sich nicht ganz verstecken, der Anzug eines Biedermanns schaut hervor.
Die Ausstellung läuft bis zum 13. November. Der Katalog ist im H.M. Hauschild Verlag erschienen, 112 Seiten, 14,80 Euro.
Erschienen in Ossietzky 20/2005
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