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Ebbe Palm
Jochen Reinert
An dem Türschild der kleinen Zweizimmerwohnung am Stockholmer Lindvallsplan ist noch der Schriftzug Ossietzky-Palm zu lesen; den hat Mutter Rosalinda anbringen lassen. Ebbe, ihr 1943 geborener Sohn, bescheiden bis zur Selbstverleugnung, hat nie Anstalten gemacht, den Namen seines Großvaters Carl von Ossietzky in irgendeiner Form aufzunehmen. Von Anfang an hat er alle seine Bilder schlicht mit »Ebbe Palm« signiert; in Björn Palm, seinem Stiefvater, hatte er einen verständnisvollen Partner gefunden.
Ossietzky-Enkel Ebbe, der etliche Male im Berliner Haus der Kulturen der Welt an der Verleihung der nach seinem Großvater benannten Medaille der Liga für Menschenrechte teilnahm und dort gewöhnlich einen halben Schritt hinter Mutter Rosalinda stand, ist unversehens in die Jahre gekommen. Über seinem markanten, viel Freundlichkeit ausstrahlenden Gesicht wölbt sich volles graues Haar. Rings um Ebbe herum viele Familienerinnerungen, die er nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter im Februar 2000 wohl nur selten angerührt hat. Neben einem Bildnis von Großmutter Maud von Ossietzky, das er vor vielen Jahren zeichnete, hängt eine Farbgrafik von Großvater Carl, die einst, so glaubt Ebbe, der österreichische Autor Bruno Frei der Familie überließ. Ein Aquarell, auf dem er seine Mutter in jungen Jahren festhielt, holt er aus dem Nebenzimmer und hält es ein wenig unsicher vor seine Brust.
Im Bücherschrank die acht blauen Bände der großen Ossietzky-Ausgabe und eine ganze Reihe von Werken über den Chef der Weltbühne und seine Zeitschrift, die dieser Tage ihr 100-jähriges Jubiläum feierte. Nachdem Mutter Rosalinda schon in den 1980er Jahren große Teile des Ossietzky-Erbes der Oldenburger Universität übergeben hatte, legt Ebbe Wert darauf, daß auch alle verbliebenen Dokumente in deren Archiv eingehen. Die Oldenburger Archivarin Antje Bonitz, berichtet er, sei erst voriges Jahr in Stockholm gewesen und habe wieder einiges Material mitgenommen.
Über dem Gewirr von Büchern und Andenken eine Gruppe mittelgroßer Bilder Ebbe Palms, die auf zwei seiner Hauptmotive hinweisen: von den Impressionisten beeinflußte Ansichten der Großstadt und eher von naiver Malerei geprägte bäuerliche Figurengruppen vergangener Jahrhunderte vor ländlicher Holzarchitektur. Im Nachbarraum dann ein großformatiges Bild, das Odysseus’ Heimkehr zeigt, ein Exempel des dritten Hauptmotivs Palms: die griechische Götterwelt. Auffällig die leuchtenden Farben der ländlichen und griechischen Motive – als wollte sich der Schöpfer in schöne Traum-Welten begeben, die nur zufällig in so verschiedenen Zeiten wie denen des schwedischen Bauernführers Engelbrekt oder des Griechen Homer angesiedelt sind.
Die Stockholm-Bilder spiegeln reale Umwelten des Malers, der, wie er sagt, »den langen Weg« vom Autodidakten zum bestallten Mitglied des schwedischen Künstlerverbandes KRO ging und sich derzeit mit zwei anderen Malern ein Atelier in dem Stockholmer Vorort Årsta teilt. Dabei kam ihm seine zunächst angestrebte Profession – 1971 hatte er an der Technischen Hochschule sein Architekturexamen abgelegt – durchaus zugute. Viele seiner frühen Stockholm-Motive zeugen davon: Hinterhöfe, Industriearchitektur verflossener Jahrzehnte, Bauten, von den viele dem Abrißhammer zum Opfer fielen.
Heute indes überwiegen in seinem Oevre stimmungsvolle, nicht selten heitere Stadtlandschaften wie »Im Kungsträdgården«, »Reimersholms alte Brauerei« oder »Ansicht von Västerbron« – Bilder, die auch in seinen wenigen Ausstellungen Furore machen. So hat er vor einiger Zeit von den 29 Stücken einer Schau mit Stockholm-Motiven zehn verkaufen können – für einen Künstler, der halbtags jobben muß, ein Fest.
Über Schweden hinaus sind Ebbe Palms Bilder bisher nur selten zu sehen gewesen. Besonders gern erinnert er sich an seine Bremer Ausstellung von 1990, wo er auch Bilder zeigte, zu denen ihn die weltweiten Antikriegsproteste der 80er Jahre angeregt hatten: frohgemute Friedensdemonstranten, Frauen, die Rosen an spalierstehende Soldaten verteilen. Hat hier auch der Pazifismus seines Großvaters Pate gestanden? Ja, nickt der wortkarge Maler, der auf den Spuren des Nazigefangenen Ossietzky im Emsland ausdrucksstarke Kohlezeichnungen mit Motiven des Gedenkfriedhofs KZ Esterwegen schuf.
Erschienen in Ossietzky 20/2005
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