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Korruptionsaffäre mit Happy-End
Sergej Guk
Orwells Verfassungspostulat - alle Tiere seien gleich, aber es gebe welche, die noch gleicher seien – ist unter den furchtbaren Verhältnissen russischer Demokratie zur alltäglichen Praxis geworden. Schonungslos verfolgt und bestraft der Rechtsstaat die Kleindiebe. Ihr Gestammel über die hungernden Kinder zu Hause lassen die Richter nicht gelten. Anders ergeht es den großen Tieren, die Millionen klauen: Sie können sich auf Großzügigkeit und Verständnis der russischen Justiz immer verlassen.
Zum Beispiel Olga Sergejewa, die Frau des jüngst arbeitslos gewordenen Gouverneurs von Saratow, Dmitrij Ajazkow. Bereits im Herbst 2004 hatte die Generalstaatsanwaltschaft gegen sie Ermittlungen eingeleitet. Die Beschuldigung lautete auf gesetzwidrige Aneignung von zwei auf Steuerzahlerkosten gebauten Prachtvillen, die einige Millionen Dollar wert waren. Zum Gerichtsurteil kam es im Mai 2005: Die Dame wurde verpflichtet, die gestohlenen Objekte ins Staatseigentum zurückzugeben.
Danach ging es los. Olga Sergejewa fühlte sich tief gekränkt und reichte einen Revisionsantrag ein. Gleichzeitig versuchte sie, einen Belastungszeugen zu ihren Gunsten zu beeinflussen und ihn zu Falschaussagen zu bewegen. Vergeblich. Mehr noch: Sie kriegte dadurch eine neue Ermittlung an den Hals. Und hatte in dieser Situation keine bessere Idee als zu fliehen.
Bald wurde dieser Flüchtling jedoch in einer Privatklinik für Chirurgie in Moskau entdeckt, in der jeder Aufenthaltstag mehr kostet, als andere im Monat verdienen. So vergingen Wochen. Schließlich mißfiel der unternehmenslustigen Person jedoch die Vorstellung, bis zum Lebensabend in der Klinik zu bleiben; sie entschloß sich, den Revisionsantrag zurückzupfeifen.
Dieser Tage triumphierte endlich die Gerechtigkeit: Das Diebesgut wurde als Staatseigentum besiegelt. Und Frau Sergejewa? Wurde von der strafrechtlichen Verfolgung befreit. Durch Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. Grund: Sie habe ihre Schuld anerkannt, Reue gezeigt und den Schaden ersetzt.
Man muß das einfach so verstehen: Hier wurde nicht über einen armen Familienvater entschieden, der ein Stück Brot geklaut hat, sondern über eine millionenschwere Repräsentantin unserer Elite. Gegen ihren Mann, den ehemaligen Gouverneur, wurde selbstverständlich nicht ermittelt. Obwohl die Affäre in seiner Amtszeit entstand. Nur der Provinzfürst konnte die private Aneignung von Staatsvermögen in solcher Größenordnung ermöglichen. Nun ist er vorübergehend vom Staatsdienst entfernt. Aber in Pessimismus verfällt auch er nicht. Man nannte ihn schon als Anwärter auf einen Botschafterposten, doch diese Aussicht vermasselte er sich mit unhöflichen Äußerungen über den rechtschaffenen Präsidenten des Landes, in dem er Rußland vertreten sollte. Den Medien hat Ajazkow versichert, solche wie er würden im heutigen Rußland weiterhin gebraucht. Er soll wohl wissen, wovon er redet.
Erschienen in Ossietzky 20/2005
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