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Immerhin stehen gute, oft ausgezeichnete Sänger aus fast allen Erdteilen zur Verfügung, ebenfalls Regisseure und Dirigenten. Anfangs waren es vor allem ältere und ausgewiesene. Inzwischen kamen Jüngere wie der junge ungarisch-israelische Dirigent Ferenc Gábor, der brasilianische Regisseur Marcelo Cardoso Gama, der deutsche Szenograf Mathias Rümmler, um die experimentellen Produktionen zu leiten. Beispielhaft war im vergangenen Jahr die Aufführung von sechs Szenen aus sechs Opern junger Librettisten und Komponisten unter dem Titel »Vielleicht war ich ein Azteke« (s. Ossietzky 19/04: »Wider die Oper als Museum«). Der Erfolg dieser Bemühungen hat sich herumgesprochen: Drei Opern der jungen Künstler Thomas Bartel, Ralph Hammerthaler und Alex Nowitz wurden oder werden in größeren Theatern aufgeführt. In diesem Jahr wurden wiederum sechs Szenen von sechs in Entstehung begriffenen Werken vorgestellt. Gesamttitel: »Träum' mich wach«. Zweimal hieß die Librettistin Gabriele Strassmann: »Hyazinth« wurde komponiert von Peter Francesco Marino, »Dunkelrot« von Karola Obermüller. Am antiken Mythos handelt Strassmann ein psychologisches Fehlverhalten eines selbstverliebten Poeten ab, der nicht recht zu seiner Identität findet, nur noch zu einem Weltverhältnis im Todesbewußtsein. Die streckenweise zarte, gar sphärische Musik hinterließ bei mir wenig Eindruck. Ich traue mir nicht, dem Werk größere Chancen zu geben. Der anderen Strassmann-Oper »Dunkelrot« schon eher. Die beiden Künstlerinnen greifen ein gewichtiges Gegenwartsthema auf: Asyl in Deutschland. Mahjouba Mint Mamlouk aus einem afrikanischen Land, wo Armut herrscht und gefoltert wird, begehrt Asyl in Deutschland. Die Schwarze stößt auf engmaschige Gesetze und verständnislose Menschen, auf Rassismus und auf hilflos gute Menschen wie einen Beamten, der ihr als letzte Möglichkeit die Ehe anbietet. Schließlich rettet sie die Dolmetscherin, freilich nur nach Irgendwo. Das ist ein schöner Märchenschluß, der wenig für die Realität taugt, aber humane Möglichkeiten erkennbar werden läßt. Schwer zu erkennen ist freilich die titelgebende Figur »Dunkelrot«. Eine Art Hoffnung? Zum schweigen verurteilt? Traditionsorientiert sind »Helle Nächte« von Peter Sabbagh (Libretto: Volkhardt Preuß). Darin erscheinen einem Sterbenden allerlei Frauengestalten aus der Weltliteratur (Dostojewskis Nastenka, Shakespeares Ophelia, die Kriemhild der Nibelungen, die Olympia von E.T.A. Hoffmann, aber auch eine Petra Kelly), aus denen schließlich eine wird, die ihn tötet. Das ist wirr, ich kann damit wenig anfangen. Stärker wirkt »Morbus teutonicus« von Alexander Strauch (Libretto: Siegfried Gerlich). Im vergangenen Jahr kamen mir schon Eichmann und Brunner, die professionellen Judenmörder, als Bühnengestalten monströs vor. Aber sie gehören zur Personnage großer Geschichtsstoffe, auch die Monster Shakespeares wurden erst hundert und mehr Jahre nach ihren Untaten zu Figuren auf der Bühne. Nun also Hitler, Himmler, Göring, Goebbels, dazu Eva Braun. Das ist fast schwarzes Theater, bitterböse Satire, wenn sich die NS-Führer gegenseitig belauern, Hitler vegetarische Vorträge hält, Göring Himmler beschimpft und zwischendurch die »Endlösung« beschlossen wird. Im Film sind uns die NS-Größen inzwischen oft begegnet – doch Hitler als Operngestalt? Ich kann mich nur an Paul Dessaus Oper »Einstein« erinnern. Aber nun wendet sich also auch dieses von Natur aus langsame Genre rauher Geschichte zu. Auch die Musik hat mich fürs erste überzeugt, auch wenn da noch manches der Verfeinerung bedarf. Ein handfestes Stück mit Erfolgsaussicht ist »Grete Minde« nach Fontane von Soren Nils Eichberg (Libretto: Constanze John). In Tangermünde wird zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges nach einem verheerenden Stadtbrand eine junge Frau hingerichtet, Unter Folter hat sie ein Geständnis abgelegt, aber alle Umstände sprechen für ihre Unschuld. Fontane schuf aus dem Stoff eine spannende Novelle, John und Eichberg machten daraus eine aufregende Oper zwischen Rache und Versöhnung, Liebe und Haß. Doch das Denken der Figuren, oft auch ihre Sprache wirken antiquiert. Das ist immer ein Problem bei der Gestaltung historisch weit entfernter Stoffe. Diese Autoren sollte man zum Erfolg ermuntern. Viel Spaß gab es in »Kater, erzähl mir ein Märchen« von Mario Wiegand (Libretto: Marec Béla Steffens). Ein kräftiger Opern-Ulk! Mit dem Abonnenten als Hauptperson (»Siebzehnmal die Zauberflöte/Öfter noch die Lust'ge Witwe«), singenden Enten und Elefanten und einer Litfaßsäule, die »niemals ins Theater« geht. Nur zu, an komischen, gar lustigen Opern fehlt es immer. Kurz: Die Opernwerkstatt bewährt sich. Was gab es noch bei der diesjährigen, der nunmehr fünfzehnten Rheinsberger Kammeroper? Eine konzertante »Norma« von Bellini mit sehr gutem Gesangsensemble; vor allem muß man sich den Namen der Koreanerin Hyon-Ju Park merken, er wird bald neben Gruberova und Nestrepko stehen. Eine ausgegrabeen Oper von Telemann, »Der geduldige Sokrates« – kaum erwähnenswert ist. Humperdincks »Hänsel und Gretel«, ein Ladenhüter, den Kinder noch lieben können, des Stoffes halber. Zum Glück war hier die Inszenierung von Kai Kuntze intelligenter als das schmalbrüstige Werk. Ein Höhepunkt war der Auftritt der Hexe (Julia Kirchner). Die vom Künstlerischen Leiter Siegfried Matthus beschworene Opernkrise läßt auch diese wichtige Institution nicht ganz unbehelligt. Der Geldmangel wird spürbar. Das Wetter war diesmal ungünstig. Zum Glück gibt es die Halle, und ein größeres Theater soll auf dem Gelände des Hafendorfes gebaut werden. Also freuen wir uns schon auf die Kammeroper 2006 und alle folgenden.
Erschienen in Ossietzky 19/2005 |
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