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Wütend ging der noch einmal zum Mikrofon und beschimpfte Kuby als »Kollaborateur«, rannte vom Podium weg aus dem Saal und knallte die Tür zu. »Bravo, Herr Oberleutnant!«, riefen ihm die Studenten nach. An diesem Januartag 1959 habe ich mit Erich Kuby zum erstenmal gesprochen, nur kurz. Sieben Jahre später war ich mit ihm zusammen in einer Redaktion, dem Stern , und wir blieben es für sechzehn Jahre. Er war der einfallsreichste Journalist, und er wußte genau, an welcher langen Leine wir arbeiteten: »Die Verleger schlürfen ihren Champagner aus den Gehirnschalen der Journalisten.« Ihn konnte man schwer an der Leine halten. Der großen Öffentlichkeit ist er nicht durch seine Journalistik bekannt geworden, sondern durch seinen Film »Das Mädchen Rosemarie«, 1958. Heute muß man jungen Lesern wohl erzählen, wer das war: eine Frankfurter Edelnutte mit Sportcabrio, ermordet von Unbekannten. Ein nie aufgeklärter Mord. Kuby legte seinen Film so an, daß nur eine Schlußfolgerung übrig blieb: Es waren Täter aus der feinen Gesellschaft – der Kapitalismus ist zu jedem Verbrechen fähig. Die feine Gesellschaft zog ihn vor Gericht, als er in einem Hörspiel ein anderes Verbrechen aufdeckte (das er miterlitten hatte): wie der Fallschirmjäger-General Bernhard Ramcke gegen Ende des Krieges Tausende deutscher Soldaten durch sinnlose Verteidigung der französischen Festung Brest in den Tod jagte. Statt Ramcke wegen Mordes zu bestrafen, gab ihm die Hamburger Justiz das Forum für einen Beleidigungsprozeß gegen Kuby. Den allerdings verlor Ramcke. Wir kamen ungefähr zur selben Zeit zum Stern , dessen beste Zeit damals begonnen hatte. Nie vorher war er so politisch gewesen, nie nachher wurde er es wieder. Der Stern selbst machte Politik, und Erich Kuby war der stärkste Beweger. Noch im März 1968 waren 61 Prozent der Bürger gegen die Anerkennung der DDR, 21 Prozent dafür. Und 50 Prozent wollten auf keinen Fall die Oder-Neiße-Grenze anerkennen. Der Stern war Geburtshelfer der neuen Ostpolitik. Das ging nicht ohne Kämpfe in der Redaktion. Man kann diskutieren, ob Henri Nannen von dieser Linie überzeugt war oder zu ihr gedrängt wurde von uns, von Redakteuren wie Erich Kuby, Gerhard Gründler, Heinrich Jaenecke und auch Manfred Bissinger. Mit Peter Scholl-Latour oder Johannes Gross (die Bertelsmann-Chef Mohn nach Nannens Weggang in die Redaktionsleitung spedierte) wäre solch eine politische Linie nicht möglich gewesen. Der Stern stand im Zenit. Die Auflage war ein Rekord und widerlegte die These des Verlegers Gerd Bucerius: »Willst du die Auflage erhöhen, so mußt du das Niveau senken.« Erich Kuby war auch ein liebenswerter Spinner. Er hatte es gern mit den großen Namen und der feinen Lebensart. Als er 1941 in einem kleinen Erdloch vorn an der Front in Rußland lag, »so groß, daß sich ein Mann auf dem Boden ausstrecken kann, während der andere wacht«, bekam er einen Brief »von Mama« über ein Hauskonzert am Bodensee, »Frack und Kerzen«. Und notierte, mitten in Dreck und Lebensgefahr: »Ich beschließe in diesem Augenblick, mir einen Frack machen zu lassen.« Ich fragte ihn, als sein Tagebuch »Mein Krieg« 1975 erschien, ob er sich nicht lächerlich vorgekommen sei. Er zuckte mit den Achseln: »Das war mein Optimismus.« Dann kamen die »Hitler-Tagebücher«, mit denen der Stern jahrelang rechte Leser abzocken wollte. Wir machten diesen Kurs bergab nicht mit, der Exodus der liberalen politischen Redakteure begann. Henri Nannen tönte zwar: »In einem Jahr redet kein Mensch mehr davon.« Er wußte noch nicht, daß er mit seiner Glaubwürdigkeit am Ende war. Erich Kuby rechnete in einer Vollversammlung des Stern scharf mit ihm ab. Als Nannen 1996 starb, schrieb Kuby ihm einen Nachruf: »Ich gehörte für sechzehn Jahre dazu, weil sie einen Chef hatten, der mangels dingfest zu machender politischer Überzeugung liberal war und seinen Schreibern keinen Maulkorb verpaßte. Für eine ganze Weile gefiel es ihm sogar, daß der Stern zu Rudi Dutschkes Zeiten fast ein Hausblatt der Achtundsechtziger geworden ist – wobei er sich vom damaligen Bissinger, lang ist's her, gängeln ließ wie Brandt von Bahr.« Erich Kuby schrieb für den Freitag seine Kolumne »Der Zeitungsleser«, bis er, 95 Jahre alt, am 10. September in Venedig gestorben ist.
Erschienen in Ossietzky 19/2005 |
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