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Niemand scheint sich mehr daran zu erinnern, wie solche Beschwichtigungspolitik einst in den Abgrund des Zweiten Weltkrieges geführt hat. Ein Beispiel dafür ist die in der Öffentlichkeit völlig vergessene Aggression Italiens gegen Äthiopien im Jahre 1935, an die hier erinnert sei. Im Dezember 1934 hatte Italien auf äthiopischem Gebiet bei Ual Ual (Ogaden) einen schweren Grenzzwischenfall provoziert, um einen Vorwand für den späteren Überfall zu schaffen. Während Mussolini sich demagogisch für eine friedliche Lösung aussprach, befahl er bereits am 30. Dezember, die Streitkräfte auf den Krieg vorzubereiten, dessen Ziel »die vollständige Eroberung Äthiopiens sein« werde. Mit Äthiopien wollte der italienische Imperialismus sein ostafrikanisches Kolonialreich vollenden, um dann »die Kolonialkarte Afrikas zu ändern und damit die Frage der Neuaufteilung der Welt praktisch zu stellen«. In einem Geheimvertrag mit Mussolini gab der französische Außenminister Pierre Laval bereits am 7. Januar 1935 in Rom grünes Licht für die Annexion – als Gegenleitung für die italienische Unterstützung der Pariser Mittelmeerpolitik. Den Briten, die um ihre angrenzenden Kolonien Kenia und Uganda sowie den anglo-ägyptischen Sudan fürchteten, versicherte Mussolini, daß ihre »Interessen in Ostafrika nicht beeinträchtigt würden«, was ihm die britische Duldung seiner Kriegspläne einbrachte. Bereits im Februar begann die Verschiffung der 400 000 Mann starken Kolonialarmee nach Eritrea und Somalia. Im April traf sich Mussolini in Stresa am Lago Maggiore mit den Regierungs-chefs Frankreichs und Großbritanniens, um die Verletzung des Versailler Vertrages durch Deutschland zu erörtern; trotz der italienischen Kriegsvorbereitungen stand die Äthiopienfrage nicht auf der Tagesordnung. Es begann die Politik des »Appeasement«, der Beschwichtigung, mit der die Öffentlichkeit über die Aggressionsabsichten Mussolinis hinweggetäuscht wurde. Noch am 18. September versicherte der »Duce«, er wolle einen Konflikt vermeiden. Am 2. Oktober ließ er die Maske fallen und kündigte den Eroberungsfeldzug an, der am nächsten Tag ohne Kriegserklärung begann. Der von Paris und London beherrschte Völkerbund verurteilte zwar am 7. Oktober Italien als Aggressor, verhängte jedoch nur wirkungsschwache Sanktionen und überließ Äthiopien seinem Schicksal. Vom Embargo für kriegswichtige Handelsgüter war das für Luftwaffe und Panzer entscheidende Erdöl ausgenommen. Deutschland erklärte sich formell für neutral, verweigerte Zwangsmaßnahmen und interpretierte die italienische Aggression als einen »Rassenkonflikt« und »gerechten Kampf«. Damit bereitete Hitler das Bündnis mit Italien in Gestalt der späteren »Achse Berlin-Rom« vor. Die USA, nicht Mitglied des Völkerbundes, brachen die Beziehungen zu Rom nicht ab und lieferten dem Aggressor Erdöl. Nur die UdSSR forderte, jegliche Zufuhr von Erdöl nach Italien und zum Kriegsschauplatz zu unterbinden und zu diesem Zweck die Durchfahrt durch den Suezkanal zu sperren. Der Völkerbund ignorierte die Anträge, und Mussolini konnte ungehindert ans Werk gehen. Hitler konnte sich in seinen Plänen bestärkt sehen, in das Rheinland einzumarschieren und Österreich zu besetzen; auch bei der deutschen und italienischen Einmischung in den spanischen Bürgerkrieg blieben Paris und London passiv. Der Weg zum Münchener Abkommen und weiter in den Abgrund des Zweiten Weltkrieges war frei. Äthiopien war ein für afrikanische Verhältnisse entwickelter Staat, der über eine Armee von 550 000 Mann verfügte, welche die Offensive trotz der großen italienischen Überlegenheit an Flugzeugen, schwerer Artillerie, Panzern und Fahrzeugen sowie massiver Luftangriffe auf Städte und Dörfer zum Stehen brachte. Der »Duce ließ daraufhin im Februar 1936 über den äthiopischen Stellungen 350 Tonnen Yperit abwerfen. Die meisten der während des Feldzuges getöteten 275 000 Äthiopier wurden Opfer des Giftgases. Der Kolonialarmee gelang danach der Durchbruch. Am 5. Mai 1936 zog sie in Addis Abeba ein. Zwei Tage vorher hatte Kaiser Selassie das Land in Richtung London verlassen. Mussolini bildete aus Äthiopien, Eritrea und Somaliland die Kolonie Italienisch Ostafrika. Vittorio Emanuele III. setzte sich die äthiopische Kaiserkrone auf, und der römische Klerus feierte Mussolini als »wunderbaren Duce, der das Kreuz Christi in alle Welt trägt«. Für das Kapital waren reiche Rohstoffquellen erobert worden: Eisen, Kupfer, Mangan, Schwefel, Nickel, Platin und Gold. Die verschiedenen Stämme unter Führung ihrer Ras (Fürsten), aber auch selbständige Partisanenabteilungen, die sich vor allem aus früheren Soldaten und Offizieren zusammensetzten, leisteten in den schwer zugänglichen Bergregionen und Wüstengebieten Widerstand. Nachdem Marschall Graziani, Generalgouverneur von Italienisch Ostafrika, einen Attentatsversuch unbeschadet überstanden hatte, befahl er ein Massaker, dem am 19. Februar 1937 allein in der Hauptstadt 30 000 Menschen zum Opfer fielen. Das Kolonialregime sperrte viele Tausende Äthiopier in Konzentrationslager, wo die meisten elend zu Grunde gingen. Keine italienische Nachkriegsregierung hat sich je für die faschistischen Kolonialverbrechen entschuldigt, geschweige denn Wiedergutmachung geleistet. Die Aggression gegen Äthiopien ist bis heute unbewältigte schwarze Vergangenheit. Bei dem Historiker Angelo Del Boca liest man: »Die Anwendung von Gas zum Beispiel blieb nicht nur für die gesamte Dauer des Faschismus ein Geheimnis, sondern wird auch heute noch von der großen Mehrzahl der Italiener in Zweifel gezogen.« Näheres zum Thema findet man auch in dem soeben von Kurt Pätzold und Erika Schwarz im PapyRossa Verlag herausgegebenen Sammelband »Europa vor dem Abgrund«.
Erschienen in Ossietzky 18/2005 |
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