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Traditionelle Methoden des staatlichen Mordes wie Enthauptung und Steinigung sind im Rahmen des US-geführten humanitären Krieges gegen das irakische Baath-Regime Gott sei Dank abgeschafft worden. Aufregend oder komplex ist das alles nicht. Aber kontrovers, da hat die NYT ganz recht, war der Prozeß schon lange vor seinem Beginn. Ein gerichtliches Verfahren gegen Saddam könnte nützlich sein: wenn rechtsverbindlich geklärt würde, wer seine Hintermänner waren, deren Interessen er jahrzehntelang vertreten hat; wenn der menschliche, materielle und völkerrechtliche Schaden gerichtlich geahndet würde, der durch die Diktatur und auch durch ihre Entmachtung entstand; wenn der Anspruch des Ex-Diktators und seiner Mitarbeiter auf ein faires Verfahren verwirklicht würde, wie es Artikel 10 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert. Hintermänner, Wiedergutmachung, faires Verfahren: Fehlanzeige. Bereits vor mehr als einem Jahr schrieb der US-amerikanische Sozialwissenschaftler Noam Chomsky im Toronto Star : »Die Regierung Bush hat ihre Absicht offen eingestanden, den Rest der bestehenden Weltordnung abzuwickeln und die Welt mit Gewalt zu regieren, wobei der Irak ein Demonstrationsprojekt darstellt.« Es sei »praktisch unvorstellbar«, daß Saddam Hussein einen fairen Prozeß bekommt. Die Geschichte von Saddams Hintermännern ist rasch erzählt, wird aber während des Sondertribunals keine Rolle spielen: Sie reicht bis zu den US-Präsidenten Eisenhower und Kennedy zurück. Der Irak war bis 1958 eine pro-westliche Monarchie. Dann gelangte durch einen Putsch General Abdel Karim Kassem an die Macht. Die USA unterstützten ihn als Gegenspieler des ägyptischen Staatspräsidenten Nasser. Doch Kassem wollte den Irak zur regionalen Vormacht ausbauen und fing Streit mit Kuweit an; also ließ Kennedy dort eine Terrororganisation aufbauen, stattete kurdische Rebellen mit Waffen aus und wies die CIA an, den General mit einem vergifteten Taschentuch umzubringen. Als das fehlschlug, versuchten die US-unterstützten Terroristen es mit einem Coup. Kassem bekam einen kurzen Prozeß und wurde hingerichtet; seine Leiche stellte man im irakischen Fernsehen aus. Die neuen Machthaber sollten nach dem Willen der Vereinigten Staaten von der Baath-Partei kommen, die großen Einfluß im Militär hatte und sich durch ihren rigorosen Antikommunismus auszeichnete. Saddam Hussein, der schon 1958 an einem Attentat auf Kassem beteiligt gewesen war, kehrte mit gerade 25 Jahren aus seinem Exil in Kairo zurück und stieg – mit dem Segen der Vereinig-ten Staaten – schließlich zum diktatorischen Staatschef auf. Von Präsident Bush jr. 2003 zum Abschuß freigegeben, steht der angeblich aus einem Erdloch gezerrte Saddam ausschließlich unter US-Bewachung. Nun wird ihm unter US-amerikanischer Anleitung der Prozeß gemacht – von einem Sondertribunal, dessen Richter auch bei Fernsehübertragungen unsichtbar bleiben sollen. Das Verfahren wird so kurz wie möglich gehalten: Schon für den ersten Anklagepunkt – Husseins Verantwortung für 50 Morde im Dorf Dujail, wo er 1982 knapp einem Attentat entkam – kann der Ex-Diktator hingerichtet werden. Wenn alles nach dem Willen der irakischen Regierung abläuft, wird sein Todesurteil noch vor der Abstimmung über die neue Verfassung vollstreckt. Konstrukteur des Sondertribunals ist Salem Tschalabi, der vor 41 Jahren in Bagdad zur Welt kam und an den US-Eliteuniversitäten Northwestern, Yale und Columbia Jura studierte. Ein Komitee des von den USA eingesetzten irakischen Regierungsrates bestimmte Tschalabi im April auch noch zum Vorsitzenden des Tribunals. Zuletzt hielt er sich jedoch in Großbritannien auf und verweigerte die Rückreise in den Irak – wird ihm doch der Mord am Generaldirektor des irakischen Finanzministeriums vorgeworfen, wofür ihm die Todesstrafe droht. Das Tribunal hat ausdrücklich nicht die Aufgabe, sich mit dem Tatbestand des Angriffskrieges zu beschäftigen – sonst käme vielleicht noch heraus, welche westlichen Mächte hinter dem irakischen Angriff von 1980 auf den Iran standen. Iraks Nationaler Sicherheitsberater Al Rubaie hat verkündet: »Wir werden uns auf den kriminellen Aspekt der Anklage konzentrieren und es dabei belassen.« Saddam wird also keine Gelegenheit erhalten, während des Prozesses peinliche politische Geheimnisse auszuplaudern. Er ist überdies weder wegen Förderung des Terrorismus noch des Besitzes von Massenvernichtungswaffen angeklagt, obwohl diese angeblichen Vergehen doch kürzlich noch als Kriegsgründe für die USA herhalten mußten. Staatschef Dschalal Talabani hat, obwohl er eigentlich gegen die Todesstrafe ist, seinem Stellvertreter die Unterzeichnung von drei Todesurteilen gegen Schwerverbrecher erlaubt und damit die Hinrichtung als Höchststrafe rechtzeitig vor Prozeßbeginn wieder eingeführt. Saddam weiß, daß er seine letzten Wochen erlebt. Er hat sein Verteidigerteam bis auf dem irakischen Anwalt Khalil Dulaimi aufgelöst, schreibt an seinem politischen Testament und will in die Geschichtsbücher als Märtyrer eingehen. Sein Todesurteil fiel bereits am 17.12.2003 im US-Fernsehprogramm ABC , als Präsident Bush sagte: »Ich finde, er verdient die ultimative Strafe.« Da bedarf es keiner Wahrheitsfindung mehr.
Erschienen in Ossietzky 18/2005 |
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