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Kennedy ein knappes Jahrzehnt zuvor feierlich bei seiner Amtseinführung deklamierte: »Frag nicht, was dein Land für dich, sondern was du für dein Land tun kannst.« Beide Appelle sind unerfüllt geblieben, da hat auch die Überzeugungskraft dieser charismatischen Politiker nicht geholfen. In der Bundesrepublik wurde der Aufruf zum Wagnis erstickt in parlamentarischer Routine, niedergetrampelt vom Herdentrieb der Mandatsträger, blockiert durch den Allmachtsanspruch der sogenannten Volksparteien. Aus dem grundgesetzlichen Parteienprivileg, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ist sehr früh – mit Hilfe der Obrigkeit gewohnten schweigenden Mehrheit – ein alle Lebensbereiche durchdringender Alleinanspruch geworden. Das recht abstrakte Prinzip der repräsentativen Demokratie, in der gewählte Abgeordnete per Generalvollmacht den Willen des Volkes ausführen sollen, ist zur Parteienwillkür degeneriert, ihre Mandatsträger, den Bürgern entfremdet, sind zu einer Kaste von Politik-Funktionären geworden, für die das Prinzip gilt, daß die Partei immer recht hat und alles bestimmt. An Orwells »Farm der Tiere« zu erinnern, ist keine Übertreibung. Wie groß die Kluft zwischen Wählern und Gewählten geworden ist, zeigt die herbeimanipulierte Bundestagswahl, die ohne Rücksicht auf das erst Ende August gesprochene Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nach Methode 08/15 angelaufen ist. Mit inhaltsleeren Plakaten aus der PR-Branche, ausgelutschten Parolen wie »Vertrauen in Deutschland« oder »Ich will Deutschland dienen« und mit unerfüllbaren Wahlversprechen. Von der angekündigten schonungslosen Offenheit keine Spur. Kein Wort der herrschenden Parteien über die illusionären Pläne, blühende Landschaften in der vereinnahmten DDR zu schaffen oder die Zahl der Arbeitslosen noch in dieser Wahlperiode zu halbieren. Nichts zu den in allen Lagern umstrittenen Reformen, die bisher vorwiegend zu Lasten der Kleinverdiener, Rentner und Arbeitslosen gegangen sind. Als nützliche, weil augenöffnende Lektüre zu diesen Themen ist das Taschenbuch von Walter van Rossum über »Meine Sonntage mit Sabine Christiansen« zu empfehlen (erschienen bei Kiepenheuer & Witsch, 185 Seiten, 8.90 €), das präzise und schonungslos die totale Anpassung der Gesellschaft an die Bedürfnisse der Wirtschaft aufdeckt. Es zeigt Tatsachen, die von den herrschenden Parteien vehement geleugnet werden. Doch die Gesellschaft in ihrer Mehrheit weiß längst, daß sie von ihren führenden Politikern in allen Parteien im Stich gelassen ist. Wenn nicht verraten, so doch verkauft an die Kapitalisten-Ideologie: »Was gut ist für die Wirtschaft, ist auch gut für die Gesellschaft.« Die repräsentative Demokratie in der Bundesrepublik ist gescheitert, mißbraucht und zu Tode manipuliert von ihren nutznießenden sogenannten Volksparteien. Das Ende von Demokratie ist es keineswegs. Im Gegenteil. Es ist eine Gelegenheit, Ernst zu machen mit der Aufforderung, mehr Demokratie zu wagen. Ein Appell an alle wahlfähigen Bürger. An die in Treue fest zu ihrer Partei Stehenden, wie an die Wechselwähler, Wahlabstinenzler und Wahlmüden. Sie dürfen sich nicht länger damit abspeisen lassen, in regelmäßigen Abständen ein paar Kreuze auf vorgedruckten Wahlzetteln machen und das dann als demokratischen Akt empfinden zu dürfen. Man muß dazu keine neue Partei gründen oder in eine der bestehenden eintreten. Als erster Schritt genügt es, sich einzuklinken in den urdemokratischen Prozeß der Kandidatenwahl. Das wird nicht von heute auf morgen gelingen, doch es ist nicht unmöglich, und das Grundgesetz erlaubt es. Nicht mehr allein die Parteien sollen entscheiden, wer sich zur Wahl stellen darf, um dann unter das Joch sinnentleerter Parteidisziplin gezwungen zu werden. Wer mit einem Mandat der Wähler in die parlamentarischen Gremien der Republik einziehen und Politik machen will, wird sich in öffentlichen Veranstaltungen im Wahlkreis dafür den Zuschlag der Wahlbürger holen müssen. Es ist eine Wahl vor der Wahl und vor den Augen der Bürger und damit das Ende der Parteisoldaten und anonymen Hinterbänkler. Und auch das Ende der lähmenden Inzucht in den Parlamenten. Aber der Anfang von mehr Demokratie. Wenn wir wirklich daran interessiert sind.
Erschienen in Ossietzky 18/2005 |
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