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Sie hätte mehr machen können, es hätte aber auch schlimmer kommen können. Die Ernüchterung setzte sehr früh ein: Als der grüne Abgeordnete Ströbele 1999 auf der Jahreshauptversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger die ersten Monate der Bundesregierung bilanzierte, schlug ihm auch aus dem Kreise liberaler und bürgerlicher Anwälte Unglauben, ja fast Entsetzen entgegen. An keine der großen Erbsünden von 16 Jahren Kohl-Politik wollten sich rot-grüne Rechtspolitiker herantrauen. Besonders im Bereich der Ausländer- und Asylpolitik sollte alles bleiben, wie es Kohl und Kanther angerichtet hatten. Ströbele erklärte dies mit den einprägsamen Worten, daß Maßnahmen, die geeignet seien, die reale Zahl der in Deutschland lebenden Nicht-Deutschen zu erhöhen, von vornherein mit der SPD nicht machbar seien; allenfalls ließen sich Maßnahmen eventuell durchsetzen, die »ausländerneutral« seien. Seine Analyse mag richtig gewesen sein. Nichtsdestotrotz ist es ihm und den anderen Grünen vorzuwerfen, daß sie sich als erklärte Bürgerrechtspartei noch nicht einmal daran versucht haben, in der Bevölkerung ein anderes Klima für eine aufgeklärte Rechts- und Ausländerpolitik zu schaffen. Öffentliche gesellschaftliche Diskussionen wurden fast zu keinem Zeitpunkt gesucht. Gesellschaftliche Kräfte wurden zu selten mobilisiert. Meist war man allenfalls darum bemüht, institutionelle Autorität gegen die »Richtigen« zur Anwendung zu bringen. Paradebeispiel hierfür war das NPD-Verbotsverfahren. Anstatt die gesellschaftliche Stimmung zu nutzen und umfassend über neonazistische, rassistische, antisemitische und nationalistische Positionen in dieser Gesellschaft zu diskutieren und Gegenmaßnahmen mit gesellschaftlichen Kräften wie Kirchen und Gewerkschaften zu überlegen, wurden die Geheimdienste und ein von vornherein auf das Scheitern angelegtes Parteiverbotsverfahren gegen die NPD angestrengt. Doch der größte GAU in sieben Jahren rot-grüner Regierung – mit fatalen Auswirkungen auch für Innen- und Rechtspolitik – dürfte die Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Angriffkrieg gegen Jugoslawien gewesen sein. Denn jeglicher Versuch antiautoritärer und rationaler Politik im Inneren war zum Scheitern verurteilt, weil in der Außenpolitik demonstriert wurde, daß Macht vor Recht geht und zur Lösung von Konflikten auch das Militär wieder eingesetzt wird. Deswegen konnte auch nicht verwundern, daß nach dem 11. September 2001 die Bundesregierung sowohl national als auch international nicht nur alle sogenannten Anti-Terror-Maßnahmen mittrug, sondern Innenminister Schily oft als Protagonist von Repressionsmaßnahmen gegenüber Globalisierungskritikerinnen, AusländerInnen im Allgemeinen und sogenannten Extremisten im Besonderen auftrat. Vor allem auf europäischer Ebene spielte das Bundesinnenministerium eine äußerst unheilvolle Rolle. Nach dem EU-Gipfel im Juni 2001 in Göteborg versuchte Schily die europäischen Innenminister im Kampf gegen GlobalisierungskritikerInnen zu einen. Später wollte er sie auf eine einheitliche Flüchtlingsabwehrpolitik und die Errichtung von Lagern verpflichten. Rechts- und verfassungswidrige Maßnahmen wie der Europäische Haftbefehl und die EU-Terrorlisten, mit denen oppositionelle Gruppen aus vielen Ländern europaweit illegalisiert und staatlichen Repressionen ausgesetzt wurden, waren maßgeblich von Deutschland mitgeplant worden. Demgegenüber verblassen löbliche Initiativen wie die endlich im zweiten Anlauf erfolgte Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren, der Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof und die Einführung des Völkerstrafgesetzbuches wie auch die Gesetze zur Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare; das gilt auch für das leider im Ansatz steckengebliebene Antidiskriminierungsgesetz – auch wenn man all diese Projekte nicht geringschätzen sollte. Das Beste, was man über rot-grüne Politik im diesem Bereich sagen kann und muß, ist, daß es mit einem Innenminister Beckstein noch schlimmer gekommen wäre. Wer dies nicht glaubt, der möge sich in Bayern mit einem Joint erwischen lassen oder sich das Vergnügen gönnen, in einer bayerischen Justizvollzugsanstalt einzusitzen. Hier sind die Unterschiede zwischen Stoiber und Schröder real fühlbar. Lamentieren nützt nichts: Die Bürger- und Menschenrechtsorganisationen in Deutschland haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn sie sich von dem Menschenrechtsdiskurs der Regierung, der von einigen rot-grünen Protagonisten sicherlich auch ernst gemeint war, haben einlullen lassen. So mußten zuletzt die Gerichte, namentlich das Bundesverfassungsgericht, die Rolle des Hüters der Grundrechte übernehmen, gerade dort, wo eine gesellschaftliche Opposition nicht präsent war. Notwendig ist eine Mischung aus radikaler Kritik und pragmatischer Politik. Daran fehlte es. Wolfgang Kaleck ist Vorsitzender des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV)
Erschienen in Ossietzky 17/2005 |
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