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Die Namen Otto Brenner und Georg Leber standen zeitweilig für politisch autonome gewerkschaftliche Gegenmacht einerseits und Gewerkschaft als sozialpartnerschaftlich orientierter Ordnungsfaktor im Kapitalismus andererseits. Schon damals spielte die Dachorganisation der Gewerkschaften, der DGB, eine ähnlich glücklose Rolle wie heute, woran einzelne Personen, in die Strukturen eingezwängt, wenig ändern konnten. Wer koordinieren soll, ohne entscheiden zu können, muß herumeiern. Daß die früheren Konflikte auf einem höheren politischen Niveau ausgetragen wurden als die heutigen, hängt gleichfalls nicht allein von den handelnden Personen ab. Schließlich haben ein großer Teil der DGB-Gewerkschaften und der DGB selbst mehr oder weniger den ideologischen Wandel der Nachkriegs-SPD von einer antikapitalistischen Anspruchspartei über das Godesberger Programm zur neoliberalen Regierungspartei programmatisch nachvollzogen. Aber als Problem bleibt, daß Gewerkschaftsmitglieder und solche, die es werden wollen und sollen, die Politik ihrer Organisationen aus der Perspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerten und weniger aus parteipolitischem Kalkül. Deshalb haben viele ehren- und hauptamtliche Gewerkschaftsfunktio-närinnen und -funktionäre ihre Loyalität zur SPD aufgekündigt und sind dabei, eine alternative politische Formation zu entwickeln. Die Regierungspolitik der SPD mit Hartz I bis IV und Agenda 2010 hat die emotionalen und intellektuellen Bindungen vieler Gewerkschaftsmitglieder – das mitunter irrationale politische Heimatgefühl – an diese Partei überfordert und gekappt. Trotz aller Verrenkungen der Gewerkschaftsführungen, der arbeitnehmerfeindliche Charakter der Regierungspolitik war und ist nicht mehr zu leugnen. Schon bei der Verkündigung der »Agenda 2010« drohte der Bundeskanzler den Gewerkschaften mit gesetzlichen Einschränkungen des Tarifvertragsrechts, falls sie den Unternehmen nicht durch tarifvertragliche Öffnungsklauseln die Möglichkeit geben, vom Flächentarifvertrag abzuweichen. Erst nach gewerkschaftlichen Protesten, darunter auch betrieblichen Aktionen, verzichtete die Regierung trotz entsprechender Vorschläge der konservativen Oppositionsparteien auf eine gesetzliche Änderung. Der Vermittlungsausschuß setzte stattdessen den Tarifvertragsparteien ein Frist von zwölf Monaten – die nach Auffassung der FAZ eine Gnadenfrist war –, um Öffnungsklauseln zu vereinbaren. Wie es die Arbeitgeber, CDU/CSU und FDP wollten, drohte der Bundeskanzler, das Tarifvertragsgesetz – vor allem das »Günstigkeitsprinzip«, nach dem Tarifverträge zwar über-, aber nicht unterschritten werden dürfen – zu ändern sowie im Betriebsverfassungsgesetz den Vorrang des Tarifvertrags vor Betriebsvereinbarungen zu beseitigen. Alles Regelungen, die heute im Wahlprogramm der CDU/CSU erneut aufgestellt und zu Recht vom DGB als verfassungswidrig kritisiert werden. Nachdem Schröders rotgrüne Koalition erste Schritte zur Beseitigung der sozialversicherungsrechtlichen Vorsorge für Krankheit, Invalidität, Arbeitslosigkeit, Unfall und Tod getan hat, wird jetzt eine weitere Errungenschaft, die den besonderen Kräfteverhältnissen nach dem Sieg über den Faschismus zu verdanken ist, zur Disposition gestellt. Die Mitbestimmung, vornehmlich die Unternehmensmitbestimmung, war in der Wirtschaft von vergleichbarer Bedeutung wie in der Sozialpolitik die dynamische Rente und im Arbeitsrecht die durch das Grundgesetz garantierte Tarifautonomie. Diese Errungenschaften waren gemeint, wenn man vom Sozialstaat sprach; sie markierten die Unterschiede zwischen den Klassenverhältnissen der Weimarer und der Nachkriegsrepublik. Doch seit unter Adenauer – nach gewerkschaftlicher Androhung eines Generalstreiks – die paritätische Unternehmensmitbestimmung bei Kohle, Eisen und Stahl gesetzlich verfaßt wurde, haben sich die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen gravierend verändert. Die Rolle des Kapitals vor und während der beiden Weltkriege und die Mitwirkung namhafter Vertreter der großen Konzerne an der Machtübernahme des Faschismus sind weitgehend aus dem Geschichtsbewußtsein verdrängt. Was 1945 noch klar war – daß wirtschaftliche Macht niemals wieder zur politischen Macht werden sollte – galt schon nicht mehr, als durch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 die paritätische Besetzung der Aufsichtsräte abgeschafft wurde. Der CDU-Politiker Kurt Biedenkopf hatte damals in einer Kommission die Vorarbeit geleistet; als Gegner der Parität hatte er sich für die Vorbereitung gesetzlicher Regelungen zu ihrer Beseitigung empfohlen. Und ausgerechnet ihn bestellte auch Schröder jetzt als Vorsitzenden einer neuen Kommission für die »Reform« der Mitbestimmung. So besteht die konkrete Gefahr, daß in der nächsten Wahlperiode die Mitbestimmung – ähnlich wie Tarifautonomie und Sozialstaat – derart ausgehöhlt wird, daß sie nur noch als denkmalgeschützte Fassade weiter besteht. Der SPD-Parteiführung und ihren trojanischen Pferden im Gewerkschaftsapparat geht es angesichts des Auftretens einer linken Partei zur Bundestagswahl um Schadensbegrenzung. Arbeitsteilig produziert die Parteispitze Sprechblasen mit Erinnerungswert an antikapitalistische Positionen von früher, während der Bundeskanzler die Politik des Sozialabbaus bekräftigt. Den Gewerkschaftsmitgliedern machen es ihre Führungen nicht leicht, diese Strategie zu durchschauen. Zu tief sitzen die tatsächlichen und behaupteten Gemeinsamkeiten der Vergangenheit: vom »Bündnis für Arbeit«, das einst ein IG-Metall-Vorsitzender blauäugig initiierte und das Schröder in ein »Bündnis für Arbeit , Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit« überführte (wobei Arbeit und Ausbildung schnell zum Opfer der Wettbewerbsfähigkeit wurden), bis zur Kritik am »Heuschreckenkapitalismus«. Wenn es gelingt, den Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und dem außerparlamentarischen Widerstand gegen den Sozialabbau auch im Parlament eine Stimme zu geben, würde das auch die Perspektiven der Gewerkschaftspolitik verändern. Die rot-grüne Politik war eben im Verhältnis zum offen neoliberalen Programm von CDU/CSU und FDP nicht das kleinere Übel, sondern dessen Vorbereitung. Eine möglichst starke Linkspartei, außerparlamentarisch verwurzelt, böte die Chance, das gewerkschaftspolitische Spektrum zu erweitern. Es würden bessere Bedingungen dafür geschaffen, das zu entwickeln, was die Gewerkschaften vom eigenen Anspruch her schon immer gewesen sein wollten: eine autonome, parteipolitisch unabhängige, aber politisch um so aktivere Massenorganisation der abhängig Beschäftigten. Ewald Wehner war Mitglied des geschäftsführenden Vorstands der Deutschen Postgewerkschaft
Erschienen in Ossietzky 17/2005 |
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