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Noch nicht gefunden habe ich die Parolen »… mehr Schönheit«, »… mehr Liebe« oder »… mehr Glück«, aber häufig sehe ich, was mich besonders beeindruckt: »Mehr FDP, mehr Mut«. Die regierenden Sozialdemokraten stehen nicht zurück, sondern für. »Wir stehen für eine moderne Familienpolitik«, lese ich auf einem ihrer großflächigen Plakate. Auf einem anderen: »Wir stehen für den Gemeinsinn, gegen die Gier«. Und dann: »Wir stehen für den Mut zum Frieden«. Spätestens da hört der Wahlkampf auf, mich zu erheitern. Zu deutlich sind meine Erinnerungen daran, wie Gerhard Schröder gleich nach der Bundestagswahl 1998, als seine Regierung noch gar nicht im Amt war, mit dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton den Kriegskurs gegen Serbien verabredete, wie er im März 1999, als das Bombardement begann, frech behauptete: »Wir führen keinen Krieg«, wie dieser Krieg, der dritte gegen Serbien innerhalb eines Jahrhunderts, mit immer neuen Lügen begründet wurde – und vor allem erinnere ich mich an das, was ich selber in einer Gruppe von Gewerkschaftern damals in Serbien erlebt habe. Ich sehe vor mir die Ruinen des großen Zastava-Autowerkes in Kragujevac, die hunderte Meter hohe schwarze Rauchwolke über dem Chemiewerk in Novi Sad, die Krankenschwestern, die in den Trümmern eines Belgrader Kinderkrankenhauses nach Patientenakten suchen, ich höre noch das wortlose Stöhnen einer überlebenden alten Frau in einem zerstörten Wohnviertel in Aleksinac, spüre noch am Zwerchfell die Wucht der Bombeneinschläge vor allem in den Nächten. Was wir erlebten, war ein einziges schweres Verbrechen (mit schrecklichen Folgen bis heute; s. den Bericht von Ralph Hartmann in diesem Heft). Die dafür verantwortlichen deutschen, britischen, US-amerikanischen Politiker gehören vor den Internationalen Strafgerichtshof. Mit etlichen Mitgliedern der rot-grünen Regierung war ich lange gut bekannt, teilweise befreundet. Vorbei. Und als das Bombardement nach 78 Tagen beendet war, bedurfte es nicht der Gabe des Zweiten oder Dritten Gesichts, um in Ossietzky anzukündigen, nun werde »der Krieg nach innen« folgen. In sieben Jahren Rot-Grün wurde hierzulande die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer. Die Konzerne melden für das vergangene Jahr Rekordgewinne, die Arbeitslosigkeit steigt und steigt (nachdem Schröder einst angekündigt hatte, er werde sie halbieren), die Opfer der verschärften Ausbeutung werden immer dreister drangsaliert (vor allem seit Wolfgang Clement, der Zynismus in Person, die Doppelzuständigkeit für Wirtschaft und Soziales übernommen hat), und dabei vermeidet es die regierende SPD strikt, die sich ausbreitende nackte Armut zu erwähnen. Sie ist so inexistent, wie wir keinen Krieg gegen Serbien geführt haben. Die SPD-Bundestagsfraktion benannte ihren Arbeitskreis Armut in Arbeitskreis Verteilungsgerechtigkeit und soziale Integration um. Dieser kapitalistische Gang der Dinge war längst vorauszusehen. Nie zuvor hatte ein sozialdemokratischer Kandidat die Unterstützung aller großen Medienkonzerne des Landes gehabt wie Schröder 1998, als zunächst zu entscheiden war, wen die SPD als Kanzlerkandidaten nominieren müsse – nachdem Schröder bei einer Urabstimmung der Mitglieder schon einmal durchgefallen war, ein Politiker, den Richard Meng später einmal in der Frankfurter Rundschau mit den Worten charakterisierte, daß »Schröder vom Spannungsverhältnis mit der Tradition der eigenen Partei lebt«. Die SPD ließ sich ihn von den Konzernmedien – die sich auf Sympathiewerbung ebenso verstehen wie auf das Gegenteil – als »Sympathieträger« aufzwingen. Und nun zwingt er sie, sich immerzu zwischen ihm und dem, was Meng die »Tradition« nannte, zu entscheiden, also ihre programmatischen Ansprüche aufzugeben. Auf diese Weise hat er inzwischen fast alles durchgesetzt, was namentlich der bisherige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, von der Politik gefordert hat. Wer die Geschichte dieser Jahre schreiben will, braucht bitteschön nur zu vergleichen: Rogowskis Forderungskataloge, die Schröder abgearbeitet hat, liegen ja noch schriftlich vor. (Der Optik halber waren die Hartz- und Rürup-Kommissionen zwischengeschaltet, die Rogowskis Forderungen unter anderen Namen dem Kanzler aushändigten, wobei dieser jeweils öffentlich versprach, sie »1:1« oder »Punkt für Punkt« umzusetzen.) Jetzt aber, im Wahlkampf, scheint Schröder, nachdem er die SPD erfolgreich zur »neuen Mitte« umgemodelt hat, beinahe ein bißchen nach links zu blinken. Union und FDP ständen für »ungebremsten Sozialabbau«, warnt er. Aber einen so rapiden Sozialabbau wie in diesen sieben Jahren hatte die Bundesrepublik noch nie erlebt. Kann die SPD danach doch noch einmal die Rolle des »kleineren Übels« spielen? Es ist nicht ganz auszuschließen, daß ihr Stoiber und Schönbohm und andere Unionspolitiker, die vielleicht sogar bereit sind, mit Bush den Iran zu zerbomben (wo deutsche Konzerne ähnlich viel investiert haben wie früher auch im Irak), doch wieder zu dieser Rolle verhelfen. Eine persönliche Bemerkung noch: In meiner Hamburger Studentenzeit ging ich wiederholt ins SPD-Haus, um dort Flugblätter des studentischen Aktionskreises gegen Atomwaffen zu hektographieren. Einmal rief mich der SPD-Landesvorsitzende Karl Vittinghoff zu sich, prüfte das Flugblatt, gab die Erlaubnis zur Vervielfältigung mit dem SPD-Gerät und fügte die unvergeßlichen Worte hinzu: »Eins muß aber klar sein: Wir machen das Ganze nur, um den Kommunisten den Wind aus den Segeln zu nehmen.« Das war zu der Zeit, als überall die Unterschriften Erich Ollenhauers und seiner beiden Stellvertreter auf Plakaten mit der Parole »Kampf dem Atomtod« standen. Spätestens von diesem Moment an war für mich klar, daß ich niemals SPD-Mitglied würde.
Erschienen in Ossietzky 17/2005 |
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