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Sie war von 1836 bis 1875 Wohnsitz des gelehrten Landwirts Karl Rodbertus. Ein Grabstein auf dem Jagetzower Friedhof, dem ehemaligen Gutspark, weist ihn als »königlich preußischen Staatsminister« aus und verschweigt dabei, daß Rodbertus diese Ministerwürde 1848 von einer bürgerlich-demokratischen Revolutionsregierung erhalten hatte. Die Inschrift verrät auch nichts darüber, daß er nach der Niederschlagung der Revolution aus Berlin ausgewiesen wurde und in Jagetzow jahrelang unter Polizeiaufsicht stand. Bestimmend für seine geistige Entwicklung war eine unter dem Einfluß der französischen Julirevolution 1830 unternommene große Bildungsreise; fast zwei Jahre hielt sich der junge Jurist und Sozialforscher im aufgewühlten Frankreich sowie in Holland und in der Schweiz auf. Er machte Bekanntschaft mit den verschiedenen Strömungen des großeigentumskritischen französischen Sozialismus; vor allem von der Gedankenwelt Saint-Simons und der des in der politischen Ökonomie epochemachenden Krisentheoretikers Sismondi wurde er tief berührt. Seine von der Augsburger Allgemeinen Zeitung 1837 entsetzt zurückgewiesene Erstlingsschrift »Die Forderungen der arbeitenden Klassen« ist ganz im Geiste dieser Vordenker geschrieben. Bemerkenswert sind die geistigen Beziehungen zum 20 Jahre jüngeren Ferdinand Lassalle, der den Jagetzower zum bedeutendsten Nationalökonomen des Jahrhunderts erklärte. Gegenstand ihrer brieflich geführten Diskussion war auch das von Lassalle verfaßte »Arbeiterprogramm«, das kurz danach in Leipzig zur Gründungsurkunde des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins wurde. Zu der 1842 in Neubrandenburg herausgebrachten Schrift »Zur Erkenntnis unserer staatswirtschaftlichen Zustände« äußerten sich auch Marx und Engels in kritisch anerkennender Weise. Besonders der sogenannte vierte Band des »Kapitals«, die »Theorien über den Mehrwert«, bietet auf mehr als 100 Seiten zahlreiche positiv kritische Bezüge auf die theoretische Arbeit des Jagetzower Gutsbesitzers, dem Marx im ersten Band des »Kapitals« bescheinigte, »das Wesen der kapitalistischen Produktion durchschaut« zu haben. Ganz anders reagierte die offizielle akademische Wissenschaft. Bei Gustav von Schmoller, Mitglied der Herrenhauses und der Preußischen Akademie der Wissenschaften, kann man lesen, daß die Schriften »von Rodbertus, Lassalle und Marx ... lediglich spekulative Ergebnisse der Lektüre von Ricardo und den älteren Socialisten« seien. Lassen wir schließlich Rodbertus selbst sprechen: Proudhons Kampfparole »Eigentum ist Diebstahl« aufnehmend und weiterführend erklärt er den von ihm so bezeichneten »Despotismus des rentierenden Eigentums« folgendermaßen: »Eigentum (Grund- und Kapitaleigentum) ... ist Diebstahl, Sklaverei, Mord. Wenn Grund- und Kapitaleigentum deshalb Diebstahl ist, weil es den Produzenten einen Teil ihres Produktwertes raubt, Sklaverei deshalb Mord, weil sie den Menschen um seine freie Entwicklungsfähigkeit bringt, so herrscht selbst in den demokratischen Institutionen, die bei Grund- und Kapitaleigentum auch für den Arbeitslohn den ›freien Verkehr‹ beibehalten, nicht bloß Diebstahl, sondern auch Mord. Denn solange die Arbeiter ... von den Früchten der zunehmenden Produktivität ausgeschlossen sind, werden sie auch um ihre freie Entwicklungsfähigkeit gebracht. Ihre materielle Lage wird mit Gewalt – der Gewalt der Dinge – auf dem Niveau des notwendigen Unterhalts und ihre moralische und geistige Entwicklung auf dem ihrer materiellen Lage festgehalten. Bei freier Konkurrenz für den Arbeitslohn besteht also auch noch im Grund- und Kapitaleigentum die Sklaverei wesentlich fort.« An anderer Stelle heißt es gegen zeitlos übliches Freiheits-Gesäusel: »Die Verehrer der heutigen Zustände täuschen sich nur allzu sehr, wenn sie gegen die Sozialisten Eigentum, Freiheit und Gleichberechtigung zu verteidigen wähnen. Wenn, bei Grund- und Kapitaleigentum, der Verkehr, auch in Bezug auf die Verteilung, auf den Lohn, der freien Konkurrenz überlassen ist, sind gerade diese Güter bis zu Unkenntlichkeit verunstaltet. Nur die Aufhebung des Grund- und Kapitaleigentums, nur Kommunismus an Boden und Kapital, bei einer nationalökonomischen Organisation, wie ich sie oben geschildert habe, vermag die Schmälerung jener Güter (also: Eigentum, Freiheit und Gleichberechtigung; G.R. ) gründlich zu beseitigen, diese selbst vollständig dem Einzelnen zu sichern ... Ich gestehe offen, ich glaube an die dereinstige Aufhebung des Grund- und Kapitaleigentums, Geschichte, Gegenwart und Wissenschaft haben diesen Glauben gleich sehr bei mir begründet« (»Erster socialer Brief«, Berlin 1850). Zu seinem 200. Geburtstag sei hier also die Lese- und Handlungsempfehlung gegeben: Rodbertus statt Rürup.
Erschienen in Ossietzky 16/2005 |
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