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Für die Bundeswehr-Verantwortlichen ist das zum Problem geworden, aber sie haben eine Lösung parat: Zur Überwindung der Angst, im uneingeschränkten Freiheitskampf am Hindukusch oder in anderen strategisch wichtigen Gegenden der Welt zu töten oder getötet zu werden, empfehlen sie psychischen Drill und die Verinnerlichung »soldatischer Werte« wie Treue, Gehorsam und »selbstloses Dienen«, wie man auf der Internet-Seite www-german-foreign-policy.com vom 17.1.2005 lesen kann. Seminare dazu gibt es schon seit einiger Zeit, zum Beispiel für die Panzergrenadiere aus der Garnison Munster (Lüneburger Heide) in der Europäischen Akademie im nahegelegenen Bad Bevensen. Sie dauern drei Tage, sind für die Rückkehrer von Auslandseinsätzen verbindlich und finden unter Führung und Beobachtung der Vorgesetzten statt – mit der Besonderheit: Es muß Zivil getragen werden. Der Nachteil dieser Seminare: Sie werden nur zur Nachbereitung der Einsätze angeboten. Diesem Mangel wird die Militärseelsorge demnächst abhelfen. Nach Aussagen des Militärdekans wird sie ihren »lebenskundlichen Unterricht« so umgestalten, daß daraus »kompakte Seminare unmittelbar vor und nach den Auslandseinsätzen werden«. Der »lebenskundliche Unterricht« der Militärseelsorge empfiehlt sich als ein wesentlicher Teil in »der Gesamterziehung der Soldaten« (Selbstdarstellung der Militärseelsorge im Internet unter dem Stichwort »Lebenskundlicher Unterricht«). In der grundlegenden »Zentralen Dienstvorschrift« aus dem Jahre 1959 wurden »sein Sinn und seine Aufgaben« festgelegt. Er findet während der Dienstzeit statt und wird von den »Disziplinarvorgesetzten« überwacht. Wer sich von ihm befreien lassen will, sollte mindestens einmal teilgenommen haben, »um sich ein eigenes Urteil über den Unterricht bilden zu können«. All das ist, wie Hans-Dieter Bamberg in seiner 1970 erschienenen, bis heute unübertroffenen Monographie »Militärseelsorge in der Bundeswehr – Schule der Anpassung und des Unfriedens« feststellte, »unvereinbar mit unserer Verfassung«, in der es im Artikel 140 heißt: »Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer (...) besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.« Doch solche Formulierungen des Grundgesetzes, die den Dienstcharakter des »lebenskundlichen Unterrichts« als verfassungswidrig erweisen, scheinen bisher weder die Militärseelsorger noch den Generalinspekteur noch die Landeskirchen, die die Pfarrer zur Verfügung stellen, zu beunruhigen – wie ihnen auch andere Verfassungsartikel, etwa das Verbot des Angriffskrieges, offenbar gleichgültig sind. Seit 1994 befürwortet die Militärseelsorge wie die evangelische Kirche insgesamt nach 50jähriger Zurückhaltung wieder den »Einsatz militärischer Gewalt«, also Krieg als Mittel der Politik. Die Einschränkung, daß die Bundeswehr nur »im Rahmen der Vereinten Nationen oder von diesen gemäß Art. 52-53 der Charta der Vereinten Nationen ermächtigten oder beauftragten regionalen Organisationen« eingesetzt werden dürfe, stellte sich schnell als wenig ernst gemeint heraus. Als die Bundeswehr 1999 ohne UN-Auftrag am völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien teilnahm, stand ihr, wie in allen deutschen Angriffskriegen im 20. Jahrhundert, die Militärseelsorge unverbrüchlich zur Seite. Und sie wird es auch in Zukunft tun. Dann wird sie in ihren »kompakten Seminaren« auch offen über Töten und Getötetwerden sprechen, nachdem ihr oberster Dienstherr, Minister Struck, der deutschen Öffentlichkeit jüngst mehrfach (so im Handelsblatt vom 6.6.2005) nahegebracht hat, es sei »realistisch«, daß deutsche Soldaten bei NATO- und EU-»Maßnahmen« sterben müßten. In den bisherigen Dienstvorschriften gibt es zwar schon die Unterrichtseinheit »Tod und Sterben«, jedoch soll dort die persönliche Betroffenheit besprochen werden, wenn »ein Kamerad oder Freund tödlich verunglückt« ist. Die Tatsache, daß Soldaten nicht nur durch Unglücksfälle ums Leben kommen können, sondern infolge von Befehlen, war den Verfassern offenbar unbekannt. Für den Einsatz in den kommenden imperialen Kriegen reichen solche Vorschriften also nicht aus. Deshalb wird sich der Generalinspekteur der Bundeswehr zusammen mit seinen theologischen Zuarbeitern etwas einfallen lassen müssen, wie die Militärpfarrer das Töten und das Getötetwerden trotz des 5. Gebotes (»Du sollst nicht töten«) rechtfertigen können. Und das wird ihnen gelingen, so wie es den Kriegstheologen in der Geschichte immer gelungen ist, Kriege und Schießbefehle »auf der Grundlage des christlichen Glaubens« (so die zitierte Internet-Seite) zu begründen. Die Bundeswehrführung vertraut jedenfalls auf die Militärseelsorge, die nach den Worten von Minister Struck »der Hoffnungsanker der Bundeswehr« ist. Auf ihren »Beistand möchte das Verteidigungsministerium nicht verzichten«, verkündete Militärdekan Schütte als gute Botschaft den oldenburgischen Synodalen, und er fügte, etwas unbedacht, hinzu: »Deshalb finanziert das Ministerium derzeit 104 evangelische Militärseelsorger.« 104 evangelische Militärpfarrer, finanziert vom Verteidigungsministerium? Nach Artikel 3 (1) des Militärseelsorgevertragens von 1957 ist das gesetzeswidrig! Dort heißt es nämlich: »Für je 1500 evangelische Soldaten (...) wird ein Militärgeistlicher berufen.« Derzeitig gibt es rund 75 000 evangelische Soldaten, so daß nach Berechnungen in einer epd- Meldung der Bund »eigentlich nur rund 60 Pfarrstellen finanzieren dürfte«, richtig gerechnet sogar nur 50. Doch was sind das schon, das Grundgesetz, Verträge, Haushaltsvorschriften und einfache Mathematik, wenn es darum geht, mit solchen Mehrausgaben die Bundeswehr für ihre weltweiten Einsätze fit zu machen.
Erschienen in Ossietzky 16/2005 |
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