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Er erreichte die dritthöchste Stelle im Staate: Präsident des Föderationsrats (vergleichbar mit dem Bundesrat). Schon Mitte der 90er folgte sein Abstieg. Warum? Für einen Normalsterblichen ist es schwer, solche Vorgänge zu durchschauen. Nun erfahren wir, daß sich Schumejko leidenschaftlich nicht nur um das Allgemeinwohl gekümmert hat. In höchsten Regionen angelangt vergaß er auch sein privates Wohl nicht. Der selbstlose Demokrat nahm heimlich die Datscha des einstigen Politbüromitglieds Suslow in Pacht. Er hätte sie sich auch gern angeeignet, aber die Privatisierung dieser Liegenschaften im Moskauer Prachtareal Troizko-Lykovo ist gesetzlich verboten. Die Residenz samt sieben weiteren Bauten (darunter zwei Wohnhäusern), zwei Lauben, einer Sauna, Tennisplatz, zwei Badestränden und so weiter steht auf einem 11,5 Hektar großen Gelände mit Bäumen an der Moskwa. Bis 2004 genoß Schumejko die Annehmlichkeiten hinter den sechs Meter hohen Mauern. Dann erschien ein neuer Herausforderer: der damalige Minister-präsident Michail Kassjanow, bekannt unter dem Spitznamen »Zwei-Prozent-Micha«, den ihm die Medien zu Zeiten seiner Tätigkeit im Finanzministerium zuerkannt haben, weil er damals von den Empfängern genehmigter staatlicher Ausgaben jeweils zwei Prozent verlangt haben soll. Mit ihm konnte sich der in politische Vergessenheit geratene Schumejko nicht anlegen; er mußte das gemütliche Nest räumen. Bei der Inventur wurde den staatlichen Prüfern schwindlig vor Augen – nicht wegen Wertsachen, die sie zu sehen bekamen, sondern wegen solcher, die fehlten. Es schien, als wäre ein Heuschreckenschwarm eingefallen. Verschwunden waren elf Kühlschränke, acht Fernseher, das ganze Mobiliar, das Geschirr, Bettwäsche, Lampen – insgesamt 4300 Gegenstände. Sogar die Bürsten fürs Klo-Putzen waren mitgegangen worden. (Ein Ausnahmefall? Ein Witz? Aber nein! Der berühmte Regisseur Ljubimow erzählte jüngst von Erlebnissen bei einem Besuch im Kreml. In einer Toilette entdeckte er grob gebrochene Seifenstücke. Er amüsierte sich darüber. »Hier gibt es nichts zu lachen«, entgegnete ihm ein Kreml-Wächter düster. »Sonst wird die Seife geklaut.« Inzwischen hat Kassjanow als Regierungschef (Nummer 2 der Hierarchie) den Suslow-Nachlaß trotz aller Verbote privatisiert – mittels einer Kombination, auf die selbst Schach-Großmeister neidisch wären. Erster Zug: Per Verordnung läßt Kassjanow das Objekt in die Verwaltung des ihm unterstehenden Ministeriums für Staatseigentum überführen – durchaus legal. Zweiter Zug: Das Ministerium ist berechtigt, ab und zu einige Objekte zum Verkauf auszuschreiben. So wird die Auktion vorbereitet. Dritter Zug: Unsere Tycoons mit ihren Milliarden könnten jedes Angebot überbieten. Was kann man tun, damit sie ausgeschlossen bleiben? Es ist gesetzlich vorgeschrieben, daß der Verkauf einen Monat vorher in den Medien (egal in welchen) angezeigt wird. Kassjanow läßt also eine Anzeige aufgeben, aber in einer unbekannten Fachzeitschrift, deren Auflage gleich in der Druckerei restlos aufgekauft wird. Vierter Zug: An der Ausschreibung sollen mindestens zwei Bieter teilnehmen. In diesem Fall sind es ganze drei. Zwei Scheinfirmen gehören Kassjanow und seiner Frau, die dritte repräsentiert sein Geschäftsfreund Michail Friedman, Chef der Alpha-Bank, der dafür mit einer anderen, ebenfalls unveräußerlichen Datscha belohnt wird, der des früheren KP-Chefs Tschernenko. Das Ausschreibungsverfahren ist das gleiche. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, zu welchem Preis der Ex-Premier das schöne Eigentum erwarb. Für 32 Millionen Rubel – obwohl 830 Millionen als Mindestpreis festgelegt worden waren. Das ergibt einen Profit von 96 Prozent – nicht die bescheidenen zwei Prozent von früher. Nun läßt der stolze Besitzer die alte Residenz abreißen, um etwas Neues zu errichten. Dem Duma-Abgeordneten Alexander Hinstein ist zu verdanken, daß diese Tatsachen publik wurden. In den überwiegend von Oligarchen finanzierten Medien wurde sofort gemunkelt, die Veröffentlichung sei von oben inszeniert – als Rache an Kassjanow, der kurz zuvor der Presse seine Ambition auf das Amt des Präsidenten offenbart hatte. Das ist durchaus möglich. Aber schmierig bleibt die Geschichte allemal, ob nun Hinstein den Artikel in höherem Auftrag veröffentlichte oder nach eigener Recherche.
Erschienen in Ossietzky 15/2005 |
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