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Seiner Freundin schrieb er: »Es macht sehr viel Spaß, wenn man mal sein Kriegsschulwissen und Friedenstheorien in die Praxis übersetzen kann.« Die Freundin aber reagierte sofort ganz anders: »Ich kann es nicht begreifen, daß nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nie begreifen und finde es entsetzlich. Sag nicht, es ist fürs Vaterland.« Die 18jährige Oberschülerin aus Ulm, die sich so selbstbewußt und entschieden äußerte, war Sophie Scholl, seine Freundin seit 1937 bis zu ihrem Tod unter dem Fallbeil im Februar 1943. Der Rundfunkjournalist Hermann Vinke, der schon Biographien über Carl von Ossietzky, Cato Bontjes van Beek und Sophie Scholl geschrieben hat und dem es mit seinem unpathetischen, von Heldenverehrung weit entfernten Stil immer wieder gelingt, Widerstandskämpfer so darzustellen, daß sich vor allem junge Leute mit ihnen identifizieren können, legt nun ein Buch über Fritz Hartnagel vor, das zugleich ein neues, erhellendes Buch über Sophie Scholl und die Weiße Rose ist. Es basiert unter anderem auf vielen Gesprächen mit Sophie Scholls jüngster Schwester Elisabeth, die nach dem Krieg Fritz Hartnagels Frau wurde, und auf der bisher unveröffentlichten umfangreichen Korrespondenz zwischen Sophie Scholl und ihrem Freund Fritz (im Herbst soll sie bei S. Fischer erscheinen). »Du bringst mich in einen großen Konflikt, wenn Du mich nach dem Sinn des ganzen Blutvergießens fragt«, antwortete Offizier Fritz seiner den Krieg strikt ablehnenden Freundin. Sehr offen tauschten die beiden ihre Erlebnisse und Gedanken aus. So erfuhr Sophie Scholl im Juni 1942 von ihm, daß sein Kommandeur von der »Abschlachtung sämtlicher Juden des besetzten Rußlands« berichtet und diesen Massenmord gutgeheißen habe. Sie schrieb ihm: »...wir müssen den Krieg verlieren. Wenn wir jetzt Wollsachen spenden, tragen wir dazu bei, den Krieg zu verlängern.« Nach seiner Beförderung zum Hauptmann klagte er: »Nun bin ich wieder eine Stufe in ein System gedrängt, dem ich am liebsten den Rücken kehren möchte.« Vinke macht deutlich, welche Erfahrungen auf Sophie Scholl einwirkten und sie zur Widerstandskämpferin reifen ließen: Da war die Verwurzelung ihrer Brü-der Hans und Werner in der Bündischen Jugend, der auch Hartnagel angehört hatte; wegen Fortführung der verbotenen Bündischen Jugend waren 1937 nicht nur Hans und Werner, sondern auch Sophie und ihre ältere Schwester Inge Scholl einige Tage inhaftiert. Da war die konsequent humanistische Haltung des Vaters, der freimütig seine Meinung äußerte und dafür einmal wegen »Heimtücke« zur vier Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Da waren die realistischen Kriegsberichte von Hans Scholl wie auch von Fritz Hartnagel, der fast im letzten Moment aus dem Kessel von Stalingrad entkam. Mit wachen Sinnen registrierte sie die immer monströseren Verbrechen des Nazi-Regimes, mit scharfem Ver-stand analysierte sie das Wahrgenommene und dachte die Dinge zu Ende. Und dann bat sie ihren Freund um Geld für ein Vervielfältigungsgerät. Oder um Briefumschläge. Er zahlte, stellte sogar sein Sparkassenbuch Sophies Mutter zur Verfügung, hielt auch nach der Hinrichtung von Sophie und Hans Scholl trotz ausdrücklichen Verbots engen Kontakt zu ihrer Familie – in einer Zeit, als das Fußpflegeunternehmen Dr. Scholl per Zeitungsanzeigen wissen ließ, es gebe keine verwandtschaftliche Beziehung zur Familie Scholl in Ulm. In Vinkes Buch wächst Hartnagel aus der eher passiven Rolle des Mannes, um dessen Freundschaft sich Sophie Scholl bemühte (als 16jährige bot sie an, von Ulm nach Augsburg zu trampen, um ihn zu besuchen), nach und nach in die Hauptrolle eines geschichts- und verantwortungsbewußten Demokraten, der nach dem Krieg in die SPD eintrat, sich bald an den linken Rand gedrängt sah, an den Ostermärschen gegen Wiederaufrüstung und geplante Atomrüstung teilnahm und schließlich – als inzwischen pensionierter Richter – wegen Teilnahme an einer Blockade vor dem Atomraketendepot Mutlangen verurteilt wurde. Ein gutes Buch. Auch ohne Vorkenntnisse leicht verständlich. Gerade deswegen für junge LeserInnen besonders geeignet. Es vermittelt historische, politische, soziale Lehren ohne jede Schulmeisterlichkeit. Vinke hat einen Sinn für anrührende Szenen wie die, wo Hartnagel unter der Uniformmütze einen von Sophie Scholl geflochtenen Blütenkranz trägt. Und für historisch wichtige Einzelheiten wie den Kontakt zwischen den Widerstandsgruppen Weiße Rose und Rote Kapelle. Wenn hoffentlich bald die zweite Auflage vorbereitet wird, sollte der Autor drei Sätze ändern. Wenn er die Schlacht von Stalingrad damit erklärt, daß Stalin und Hitler sich in ihrem Fanatismus gegenseitig hochgeschaukelt hätten, setzt er Angreifer und Verteidiger gleich, was nicht seine Absicht sein kann. Wenn er behauptet, daß »die meisten deutschen Großstädte in die Steinzeit zurückgebombt« worden seien, übertreibt er maßlos, wofür er keinen vernünftigen Grund haben kann (was »verbrannte Erde« bedeutete, kann man in Weißrußland besichtigen). Und das gilt auch für seinen gefährlich generalisierenden Satz: »Rotarmisten ließen ihrer Rache freien Lauf, und nur selten wurden sie von ihren Vorgesetzten aufgehalten.« Sicher läßt sich dann auch die Schreibweise ostdeutscher Städte korrigieren: Jüterbog statt Jüterborg, Rudolstadt statt Rudolfstadt. Hermann Vinke: »Fritz Hartnagel – Der Freund von Sophie Scholl«, Arche Verlag, 272 Seiten, 19.90 Euro
Erschienen in Ossietzky 15/2005 |
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