Ulrich Sander, Polizisten bei Journalisten

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Polizisten bei Journalisten

Anfang Juli erschien in Bochum die Polizei bei Mag Wompel, Chefredakteurin des elektronischen Nachrichtendienstes LabourNet , bei dessen Redakteur Ralf Pandorf und beim Vorsitzenden des LabourNet -Trägervereins, Wolfgang Schaumberg, durchsuchte die Räume und beschlagnahmte sämtliche Computer (Laptops, Server, Ersatzgeräte), viele CD-ROMs, Disketten und Teile des archivierten Schriftverkehrs. Ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit, ein glatter Bruch des Zeugnisverweigerungsrechts, das den Medien Vertrauensschutz für ihre Informanten zusichert. Begründet wurde die Polizeiaktion damit, daß im Herbst vorigen Jahres gefälschte Briefe der Agentur für Arbeit aufgetaucht waren. Die Fälscher hatten den Namen LabourNet mißbraucht.

Ein schlimmer Fall. Noch schlimmer: Er ist kein Einzelfall. Ähnliches erlebte ich selber anderthalb Jahre zuvor: In meine Wohnung in Dortmund und ins nordrhein-westfälische Landesbüro der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten drangen zehn Beamte des polizeilichen Staatsschutzes ein, um Papiere, Dateien, eine ganze Festplattenkopie zu beschlagnahmen. Begründung: Es waren gefälschte Briefe der »Zentralstelle im Lande NRW für die Bearbeitung von Nationalsozialistischen Massenverbrechen« aufgetaucht, in denen die Staatsanwaltschaft ehemaligen Angehörigen der für Massaker in Italien und Griechenland verantwortlichen Gebirgstruppen mitteilte, gegen sie werde neuerlich wegen Kriegsverbrechen ermittelt. Weil ich als Journalist und Sprecher der VVN-BdA über diese Verbrechen recherchiert und gemeinsam mit jungen Historikern Anzeige gegen die Verdächtigen erstattet hatte, wurde ich flugs als Urheber der gefälschten Briefe verdächtigt und der »Amtsanmaßung« bezichtigt. Die Justiz ermittelte mehr als ein Jahr lang. Bis heute hat sie meine Unterlagen und die der VVN-BdA nicht zurückgegeben.

Ein dritter Fall aus den letzen Wochen: In München wurden bei Nick Brauns, dem Korrespondenten der Tageszeitungen junge Welt und Neues Deutschland , umfangreiche Dateien polizeilich entwendet und kopiert, die Kopien wurden nicht zurückgegeben. Zur Begründung genügte hier eine ungeprüfte Anzeige von Neonazis. Durch Akteneinsicht können diese nun Einblick in das Archiv dieses antifaschistischen Journalisten erlangen; die kopierten Unterlagen stehen den Anwälten der Neonazis zur Verfügung. Die Einspeisung in Dossiers und Archive der Geheimdienste ist aufgrund des Paragraphen 18 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jederzeit möglich.

Das Vorgehen gegen antifaschistische Rechercheure und linke Journalisten, deren Arbeit dadurch schwer behindert wird, erinnert an die Spiegel -Affäre und müßte alle Medien alarmieren. Doch eben weil es sich gegen Linke und Antifaschisten richtet, herrscht Ruhe im Blätterwald.