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Lösen wir das Rätsel mit einem Satz von Hubert Burda: »Wenn der Begriff ›par excellence‹ auf einen Journalisten zutraf, dann auf Peter Boenisch.« Komisch nur, daß Burda diesen Supermann 1988, nach gerade zwei Arbeitsjahren, aus seinem Verlag entfernen ließ. Ehrliche Worte kamen ausgerechnet von Knut Teske, dem Leiter der Journalistenschule Axel Springer, der seinem ehemaligen Welt -Chefredakteur folgendes ins Kondolenzbuch schrieb: »Wenn er den Raum betrat [...] nahm man Haltung an [...] Boenisch duldete niemanden neben sich [...] Ganz Ungeduld, haßte er Einwände und verachtete Bedenkenträger. Die Differenzierung war seine Sache nicht.« Wer noch deutlichere Worte lesen will, muß lange suchen. Die Süddeutsche Zeitung schrieb vor Jahrzehnten über Boenischs Texte, sie gehörten »zum Schmutzigsten, was nach dem Kriege in deutscher Sprache in einer demokratischen Zeitung publiziert wurde«. Heinrich Böll nannte ihn einen »Plattitüdenkrieger«. In der FAZ hieß es damals, Springers Mann fürs Grobe sei »weder ein politischer Kopf noch ein begabter Schreiber«. Doch in den ersten Jahren dieses Jahrtausends wandelte sich Boenisch zum Großen Alten Mann des deutschen Journalismus, der in Talkshows gefällig lächelte und sich auf dem diplomatischen Parkett für die deutsch-russische Freundschaft engagierte. So war Günter Wallraff einsamer Rufer in der Wüste, als er 2002 daran erinnerte, daß Boenisch »Schlagzeilen wie Schlagstöcke zu handhaben wußte« – vor allem als Chefredakteur von Bild , dessen Auflage er zwischen 1961 und 1971 auf über fünf Millionen trieb. Nie wurde überprüft, wie viele Menschen der Bild -Leitbulle in Ruin und Tod getrieben hat; zu den prominentesten Opfern seiner Hetze zählen Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke. »Schwachsinn« – das war bis zuletzt sein Kommentar, wenn man ihn der Altersmilde verdächtigte. In der Tat war nicht Boenisch weiser, sondern die Welt um ihn herum radikaler geworden. Alle politischen Lebensträume waren ihm in Erfüllung gegangen: Der Kommunismus war besiegt, die DDR verschwunden; Deutschland rückte deutlich nach rechts, Bild wurde bundesrepublikanisches Leitmedium; und die Politiker der 68er-Generation demontierten sich selbst. So konnte der »Vollblutjournalist« (G. Schröder) die militante Vergangenheit des Außenministers auf einmal mit Nachsicht betrachten: »Fischer war, wie er war, und er ist, wie er ist. Heute entscheiden allein seine diplomatischen Ergebnisse« – deren Krönung bleibt der erste deutsche Angriffskrieg seit den Wehrmachtsfeldzügen. Und in seinem letzten Kommentar (»Danke, Kanzler!«) nahm der rechte Meinungsmacher Gerhard Schröder gönnerisch vor dem Vorwurf in Schutz, er habe seine Koalition zu einem kalten Staatsstreich gegen sich selbst angestiftet: »Wieso Mißbrauch? Und was ist daran undemokratisch?« Ein Radikaler wie Boenisch konnte das wirklich nicht verstehen. Daß er sein Publikum als »Primitivos« verachtete, war ein Akt der Projektion, denn kaum einer konnte so primitiv denken und schreiben wie er. Mit ihm verliert das deutsche Spießertum einen seiner erschreckendsten Repräsentanten – einen Januskopf, der im Press-Büro Millionen LeserInnen zu Deutschenliebe und Fremdenhaß anstiftet, aber nach Feierabend die Oberen Zehntausend mit feinem Zwirn und klar lackierten Fingernägeln beeindruckt, abgöttisch seine Mutti liebt und heimlich Gedichte schreibt. Seinen ersten von dreizehn Orden erhielt der 1927 in Berlin geborene Sohn eines großbürgerlichen Ingenieurs und einer jüdischen Ukrainerin im Alter von nur 17 Jahren – das Eiserne Kreuz. Als Soldat im Luftnachrichten-Regiment und Fallschirmspringer erlebte er das Ende des Zweiten Weltkrieges; der dabei erworbene militärische Kommando-Ton hielt durch ihn Einzug in westdeutsche Zeitungen: »Kurze Sätze knallten hart und trocken wie Schüsse«, beschrieb einmal ein Journalist diesen Stil. Zu Boenischs Wehrmachtsprägung paßten auch seine Zinnsoldaten-Sammlung, sein ständiges Duzen derer, die ihn zu siezen hatten, und der lange, schwarze Ledermantel, den er als Kanzler Kohls Pressesprecher 1984 demonstrativ während des Staatsbesuches in Israel trug. Auschwitz dürfe nicht für die Tagespolitik instrumentalisiert werden, gab er damals mit boshafter Ironie von sich. Boenisch hatte Kohl schon 1976 und 1980 als Wahlkampfberater gedient, bevor er 1983 Regierungssprecher wurde. Dafür opferte er sogar seine Duzfreundschaft zu F. J. Strauß, dem er viel zu verdanken hatte, beispielsweise den Bayerischen Verdienstorden: »Es ist fast tragisch, daß eine langjährige ungetrübte Freundschaft dadurch zerstört worden ist.« Tragisch. Aber eben nur fast. Er fiel auf – mit flapsigen Sprüchen und Scherzen, nicht aber mit Faktenkenntnis. »Es ist gut, daß die Leute wenig denken. Jetzt muß Politik nicht mehr exzessiv verkauft werden«, verteidigte sich der Fachmann für publizistische Exzesse, bevor er 1985 seinen Posten räumen mußte. Geheime Berater-Honorare von Daimler-Benz, die er jahrelang unversteuert in die Schweiz geleitet hatte, machten ihn für Kohls Saubermann-Politik unhaltbar. Er ging auf Vortragsreise, machte kurz Zwischenstation bei Burda, kehrte dann – nach dem Tode Springers, mit dem er sich 1981 verkracht hatte – zum Springer-Verlag zurück. Die neue Führung berief ihn später in den Aufsichtsrat, warf ihn wieder hinaus, hielt ihn aber als Kolumnisten. Die Menschen vergaßen. Sein Ansehen wuchs. Zuletzt geriet Boenisch doch noch unter die Knute langhaariger Anarchisten, die ihm als alleinerziehendem Vater das letzte Lebensjahr zur Vorhölle machten: Seine Töchter, vier und sieben Jahre jung, rissen ihn aus seiner wichtigtuerischen Großmannsexistenz und zwangen ihn ein Stück weit ins wirkliche Leben. Er mußte ihnen das Frühstück bereiten, aus Büchern vorlesen und sogar mit ihnen beten. Die Mädchen hielten ihn so auf Trab, daß er ein Buchprojekt über alle bisherigen Bundeskanzler streichen mußte. Gut gemacht, Mädels! möchte man ihnen zurufen. Und: Laßt Euch nicht kleinkriegen von der Paten-Tante Springer, die Euch ab sofort bevormunden soll. Toten soll man nichts Schlechtes nachsagen, also wollen wir Pepe B. danken: dafür, daß er seine über viele Jahrzehnte heimlich gezüchteten Lyrikgewächse immer unter Verschluß gehalten hat. Die hetzerischen Schlagzeilen und Kommentare aus seiner Edelfeder brachte, zumindest auszugsweise, ein anderer heraus: Heinrich Böll, der 1984 mit »Bild Bonn Boenisch« 200 journalistische Ergüsse seiner Titelfigur analysierte. Fazit: »Primitiv-Bonmotismus in Meinungsmulm gehüllt«. Hoffentlich legt der Verlag Kiepenheuer & Witsch den Band bald wieder auf – allein schon, damit die Legendenbildung um den Mann endet, der sein Großes Verdienstkreuz tatsächlich für »außerordentliche Verdienste um die Freiheit der Medien« erhalten hat.
Erschienen in Ossietzky 15/2005 |
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