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Mit Eichel senken sie die Steuern der Reichen, um wegen des dadurch herbeigeführten Geldmangels sogleich mit Hartz und Rürup die Staatsausgaben zu drosseln. Daran beteiligen sich auch jene Abgeordneten, die einst als »Rote« angetreten waren und heute nur noch als Fehlfarben durchgehen; nicht einmal mehr von ihren gehabten »Bauchschmerzen« oder vom »Zähneknirschen« dürfen sie noch reden. Und wieder möchten sie sich als »Linke« positionieren und tun so, als hätten wir mit Schröders Neuwahltrip die Chance zum »kleineren Übel« gegenüber der Merkelei. Vielleicht könne man gar das Steuer in Richtung soziale Gerechtigkeit herumreißen! Aber wie soll das funktionieren, wenn diese Volksfreunde die fiskalischen Vorgaben weiterhin den Kapitalfreunden überlassen? Im jetzt vorliegenden »Wahlmanifest der SPD« ist die Kapitulation derer, die immer noch »linke Politik« für die SPD reklamieren, in den steuerpolitischen Kernaussagen dokumentiert, wenn auch mit vielen halben Wahrheiten und ganzen Lügen drapiert. Voller Stolz wird gleich zu Anfang eine Erfolgsbilanz aufgemacht: »Unsere Politik hat den Standort Deutschland und die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig gemacht … Kein Land der Welt exportiert mehr als wir. Staatsquote und Lohnnebenkosten sinken. Nie waren die Steuer-sätze in Deutschland niedriger als heute… Die mehrstufige Steuerreform ist das größte Steuersenkungsprogramm der deutschen Nachkriegsgeschichte.« Wahnhaft befreien diese Sozialdemokraten das Kapital von Steuerpflichten, machen dadurch den Sozialstaat arm und ärmer und bejubeln sich dafür. Irrsinn. Es stimmt: 2004 betrug die Steuerquote am Bruttoinlandsprodukt gerade noch 20 Prozent, vier Prozent weniger als im Durchschnitt der neunziger Jahre. Eichels Steuervermeidungsgesetze bewirkten, daß Bund, Länder und Gemeinden auf mehr als 80 Milliarden Euro jährlich, zumeist Steuergeschenke an die Reichen, verzichten müssen. In der EU der 15 führt Deutschland die Steuerdumping-Liste an – vor Irland und Griechenland. Wenn man unter »die deutsche Wirtschaft«, von der die SPD in der zitierten Passage spricht, nur die großen, multinational agierenden Konzerne, Banken und Versicherungen versteht, kann man Rot-Grün tatsächlich eine gute Standortpolitik bescheinigen (allerdings war es gerade diesen Unternehmen auch in Kohl-Zeiten schon recht gut gegangen). Mit den erlassenen Steuermilliarden kaufen die Konzerne sich ein weites Firmennetz in aller Welt zusammen, die Finanzdienstleister investieren das Geld ihrer reichen Kunden zum Beispiel in US-Staatsschulden und gewährleisten so die Finanzierung der Kriege der Imperialmacht. Aber die Exportindustrie trägt nur mit knapp einem Drittel zur Wirtschaftsleistung dieses Landes bei; 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts müssen auf dem Binnenmarkt erwirtschaftet werden, und für die Binnenkonjunktur war die rot-grüne Steuer- und Sozialkürzungspolitik ein permanentes Dämpfungsprogramm: Die staatlichen Investitionen tendieren gegen Null, der Öffentliche Dienst wurde einer verheerenden Schrumpfkur unterzogen, Arbeitslose, Rentner, Kranke bleiben zunehmender Verarmung überlassen, das Lohnniveau ist gesunken. Das Ergebnis ist volkswirtschaftliche Stagnation mit immer schärferer Spaltung zwischen arm und reich und der höchsten Arbeitslosigkeit seit 1945. Eine dreiste Lüge leisten sich die Manifestler, wenn sie behaupten, sie hätten bei ihrer Steuerpolitik die »soziale Balance immer gewahrt«, und »insbesondere« hätten »private Haushalte mit geringen bis mittleren Einkommen sowie Familien profitiert«. Die geänderten Lohn- und Einkommenssteuersätze haben zwar auch im unteren Bereich alle entlastet, aber nicht die RentnerInnen, Arbeitslosen, SozialhilfeempfängerInnen. Und auch den Klein- und Mittelverdienern bringt die Steuerermäßigung in der Regel weniger, als ihnen zugleich durch erhöhte Krankheitskosten, Kindergartengebühren, kommunale Abgaben und so weiter genommen wird. Ganz anders als im unteren und mittleren Einkommensbereich wirken sich die Steuerentlastungen für die Gutverdienenden aus. Infolge der Progression beträgt deren Steuerersparnis das Doppelte bis Dreifache. Zudem wurde der Höchststeuersatz von 53 Prozent, wie er 1999 galt, auf jetzt 42 Prozent gesenkt; bei einem Jahreseinkommen von einer Million Euro macht dieses zusätzliche Steuergeschenk mehr als 100 000 Euro aus. Wenn eine Partei derartig die Realität verdreht und das eigene Tun verleugnet, überrascht es kaum, daß ihre Vorschläge für steuerpolitische Korrekturen ausgesprochen dürftig ausfallen. Den Irrweg der Steuersenkung will die SPD sogar noch fortsetzen. Sie plant eine weitere Senkung der Körperschaftssteuersätze von 25 auf 19 Prozent – obwohl schon heute nur elf Prozent (unterboten einzig von Griechenland) tatsächlich gezahlt werden. Die Beteuerung, im Gegenzug würden Steuerschlupflöcher gestopft, ist völlig unglaubwürdig. Die SPD will bis zu einer bestimmten Höhe Handwerkerrechnungen für jeden Steuerzahler als Vorwegabzug gelten lassen – Gegenfinanzierung? Sie will »Handwerker und kleinere Betriebe« von der Gewerbesteuer freistellen und bei Betriebsübergabe die Erbschaftssteuer erlassen – Gegenfinanzierung? Sie kündigt eine einheitliche Besteuerung für alle Betriebe an (ob Kapital- oder Personengesellschaften) – was wahrscheinlich eine Angleichung an den unteren Steuersatz bedeutet. Viel mehr fällt der SPD in Sachen »Gerechte Steuern« (so eine Kapitelüberschrift) nicht ein. Und der kleine populistische Knaller am Schluß kann nur als Beruhigungspille für die ehemals Linken gedacht sein: Die SPD will sich für eine um drei Prozent höhere Besteuerung von Einkommen über 250 000 Euro bei Ledigen oder 500 000 Euro bei Verheirateten stark machen, nachdem gerade am 1. Januar diesen Jahres mit Eichels jüngster Reform die Steuer auf hohe Einkommen um exakt drei Prozent gesenkt worden ist. Eine Umkehr? Aber nein, so ernst ist das nicht gemeint, denn sofort wird das Schlupfloch benannt: Wer sein höher liegendes Einkommen via Finanzdienstleiter durch irgendeinen Betrieb laufen läßt, soll nicht betroffen sein… Das Kapital kann mit der geschröderten SPD zufrieden sein. Stromlinienförmig auf den Kurs der Bosse und Banker getrimmt, bietet sie sich zu weiterer Schmutzarbeit an: zu weiterer Umverteilung von unten nach oben. Da versteht es sich von selbst, daß frühere Forderungen nach Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die in allen anderen Industriestaaten gezahlt werden muß, mit keinem Wort mehr erwähnt werden. Die Kapitalbesitzer werden sich mit Hilfe der SPD/CDU/CSU/GRÜNE/FDP bald ganz aus der Mitfinanzierung des Gemeinwesens verabschieden können. Der neoliberal instrumentalisierte Staat, dessen Hauptaufgabe dann darin besteht, die Arbeiterinnen und Arbeiter und all jene, die auf Sozialtransfers angewiesen sind, ängstlich und ruhig zu halten, muß von diesen auch noch selbst bezahlt werden. Ob sie alle sich weiterhin Sand in die Augen streuen lassen?
Erschienen in Ossietzky 15/2005 |
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