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Vor ihr zittern die westlichen Industrieländer, weil im Reich der Mitte eine pseudo-kommunistische Diktatur darüber wacht, daß der Kapitalismus unter ihrer Obhut ganz ungehemmt sein Programm der Profitmaximierung durchführen kann – ohne Arbeiter- oder Menschenrechte, Mindestlöhne oder Umweltschutz beachten zu müssen. Wer auf dem Platz des Himmlischen Friedens eine öffentliche Ansprache beginnt, hat maximal fünfzehn Sekunden Zeit, seinen Standpunkt kundzutun. Spätestens dann wird er von den Sicherheitskräften mundtot gemacht. Es gibt dort keine Redefreiheit – die für sich genommen bestimmt kein einziges Problem löst, ohne die aber kein Problem öffentlich wird. Und so gibt es auch keinen Monitor, der die sich abzeichnende Schlußkatastrophe des Turbokapitalismus verhindern könnte. Von China lernen heißt siegen lernen. Also: Verhindert die Monitore! Weg mit ihnen, wo immer sie sich festgesetzt haben! Wie immer sie sich nennen! Einer von ihnen heißt ganz prosaisch Monitor , sitzt beim Westdeutschen Rundfunk und wurde vor kurzem vierzig. Geboren wurde das Politmagazin am 21. Mai 1965, kurze Zeit nach der Spiegel -Affäre, als die junge westdeutsche Demokratie sich vor aller Welt bewähren mußte und daher eine aufmüpfige, investigative Sendung regelmäßig auf ihren Bildschirmen duldete – damals noch schwarzweiß, die Zuschauer wurden »Empfänger« genannt, und die Quote, noch nicht zum allmächtigen Maßstab für Qualität pervertiert, hieß »Zuseherbeteiligung«. Die Erstsendung brachte eine köstliche Satire über den Staatsbesuch der britischen Königin, wobei die Monarchin gar nicht zu sehen war, danach das erste der legendären Kreuzverhöre, in dem der letzte Anwärter auf den deutschen Kaisertitel so unbeholfen und dumm wirkte, daß man ihn schon wieder bemitleiden konnte, und abschließend einen Bericht über ganz normale Menschen, die während der ganz normalen Nazidiktatur die Norm durchbrochen und unter Lebensgefahr vielen Verfolgten Unterschlupf gewährt hatten. Von den über 500 Sendungen sind vor allem die aufgedeckten Skandale in Erinnerung geblieben: Plutoniumschmuggel, Dioxin, Würmer in Fischen, Olympia-Schmiergelder. Aber auch das bleibt: ein Bewußtsein dafür, daß Kritik am Bestehenden machbar ist. Laut einer Umfrage vom Mai 2005 sagten 86 von 100 Befragten, Monitor rege zum Nachdenken an, für 85 deckt die Sendung politische und soziale Mißstände auf, und immerhin 76 sind überzeugt, daß das Magazin mutig sei und den Mächtigen auf die Finger schaue. Bis 1981 war Claus Hinrich Casdorff Redaktionsleiter der »Roten Reichsfernsehkammer«. Diese Beschimpfung, die mehr über den Schimpfenden aussagt als über den Beschimpften, stammt von Franz Josef Strauß, der 1972 kreuzverhört wurde. »Ich bin völlig gelöst«, verkündete er bei Gesprächsbeginn, um dann in den folgenden 21 Minuten, den wohl längsten seines Lebens, völlig die Fassung zu verlieren: »Sie stellen Fangfragen. Alles Fangfragen. Darauf antworte ich nicht!« Auf Casdorff folgte kurz Gerd Ruge, der 1983 vom Pulloverträger Klaus Bednarz abgelöst wurde. Dessen Gehalt, so forderte Theo Waigel, Strauß-Nachfolger an der Spitze der CSU, müsse man »streichen und den Kerl endlich zum Teufel [...] jagen.« Das Gehalt wurde nicht gestrichen, das unbequeme Politmagazin erhielt die Carl-von-Ossietzky-Medaille und den Adolf-Grimme-Preis, aber die Politiker lassen sich nicht mehr kreuzverhören, nicht mal mehr schlicht inter- viewen. Seit 2002 leitet Sonia Mikich die Sendung: »Wir haben ein Anliegen, kritisch, ja radikaldemokratisch zu sein.« In China hätte man sie für diese Worte abgeführt, in Deutschland kürzt man ihr ab 2006 die Sendezeit um ein sattes Drittel. Denn die Bundesrepublik muß sich nicht mehr als funktionierende Demokratie, sondern als unkritischer Wirtschaftsstandort beweisen. Um reinen Abwasch zu machen, betrifft die Kürzung gleich alle sechs Politmagazine des ersten Programms. Für das »Netzwerk Recherche« ist diese Kürzung »der empfindlichste Schlag gegen den kritischen Hintergrund-Journalismus in den vergangenen Jahrzehnten«. 100 bis 200 Beiträge weniger im Jahr werden die Magazine ab 2006 produzieren. Mit der allmächtigen Quote konnte man Monitor nicht beikommen, sein Marktanteil lag im vergangen Jahr bei 12,2 Prozent. Also argumentierte ARD-Programmdirektor Günter Struve anders: mit der Quote der nachfolgenden Tagesthemen . Die erreichen durchschnittlich 11,3 Prozent der Zuschauer, könnten aber noch 300 000 dazugewinnen, wenn Ulrich Wickert eine Viertelstunde früher beginnt. Und da Politmagazine wie Monitor für Struve lediglich »hinreißende Farbtupfer« im albern-harmlosen Wandgemälde namens ARD sind, müssen sie eben ein Drittel ihrer Sendezeit opfern. Übrigens: Wickert, der selbst einmal Berichte für Monitor drehte, wünschte der Sendung zu ihrem vierzigsten Geburtstag sechzig Sendeminuten pro Woche.
Erschienen in Ossietzky 14/2005 |
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