Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Ein privater, aber leicht besoffener ArchitektLothar Kusche Wie Sie mich hier sehn, bin ick nämlich aust Fensta jefalln. Wir wohn Hochpachterr, da kann sowatt vorkomm. Es is wejn den Jleichgewicht... Es handelt sich nämlich bessüchlich der Wahlen...
Kurt Tucholsky: »Ein älterer, aber leicht besoffener Herr« (1930)
Im späten Frühling dieses Jahres fand alles mögliche statt, das ist ja nicht nur im Frühling so, aber diesmal gab es auch eine Debatte, eine prinzipielle Debatte, sozusagen eine prinzipielle Generaldebatte darüber, ob der 8. Mai für uns ein Tag der Befreiung war. Oder nicht. Oder ob dieser 8. Mai überhaupt ein Tag der Befreiung genannt werden und als solcher gefeiert werden dürfe. Die Debatte über die Bezeichnung »Tag der Befreiung« fand, soweit ich mich erinnere, besonders in Berlin-Zehlendorf und der näheren Umgebung statt, und zwar speziell in Kreisen, die in Debatten über Befreiung, Freiheit, Marktwirtschaftsfreiheit, Manövrierfreiheit und Steuerfreiheit eine gewisse Jonglierfreiheit beanspruchen. Artisten sind bekanntlich sehr ehrbare Leute. Die Jongleure im Varieté oder Zirkus pflegen ihre Hüte, Bälle, Flaschen oder Bierfilze nicht nur in die Luft zu werfen, sondern auch sehr elegant wieder aufzufangen. Die letztere Kunst ist den Wort-Jongleuren ganz unbekannt. Sie bringen keine Ordnung in eine scheinbare Unordnung (auf der Bühne oder in der Manege). Sie bemächtigen sich irgendwelcher Begriffe, von denen sie keinen Begriff haben, irgendwelcher Jahreszahlen und historischer Daten, mit denen sie nicht rechnen können, und schmeißen, so schnell es geht, alles durcheinander. In Kleinmachnow, der großen Gemeinde südwestlich von Berlin, lebt auch Fritz G. Weigert, ein Architekt und, wie es scheint, ein Amateur-Historiker, der »jrade aust Fensta jefalln« ist, weil er sich »nämlich bessüchlich« der neueren Geschichte etwas machte, das er für Gedanken hält. Die fixierte er in einem Brief, aus dem die Berliner Zeitung für Freunde des schwarzen Humors (F. G. W. ist Mitglied im CDU-Vorstand seines Wohnorts) zitiert hat: »Stalins rote Horden haben uns vom Faschismus befreit? Weiß Gott nicht! Niedergeknüppelt, geschunden und jahrzehntelang ausgebeutet haben sie uns. Sie haben uns nicht befreit, sondern erobert. Sie haben eine schreckliche Ideologie durch eine ebenso schreckliche ersetzt.« Nun wende der freundliche Leser etwas Geduld auf, um sich diesen seltsamen Text (zur Vermeidung von Irrtümern) noch einmal zu vergegenwärtigen. Dankeschön. Hier eine kleine Information über Weigert. Er richtete seinen Brief an Herrn Axel Mueller (CDU-Gemeindevertreter in Kleinmachnow). Der Architekt ist zwar dort zu Hause, aber geboren wurde er in Neumarkt (Oberpfalz), und zwar anno 1949. Bekanntlich haben Stalins rote Horden die Bewohner der Oberpfalz (das Kleinkind Fred G. Weigert eingeschlossen) niedergeknüppelt, geschunden und jahrzehntelang (nach Einführung der schrecklichen kommunistischen Gespenster-Ideologie des toten Karel Iljitsch Marrxx) ausgebeutet und alle Brauereien trockengelegt. Nur wenige Oberpfälzer konnten fliehen. Architekt Weigert schlug sich hungernd nach Kleinmachnow durch; unterwegs nährte er sich mühsam von getrockneten Schlagwörtern. »Er ist durch und durch ein verwurzelter Demokrat«, sagte Herr Tauscher, der auch in der Kleinmachnower CDU Wurzeln geschlagen hat. W.s Brief sei »eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Der 8. Mai ist der Tag der Befreiung von der NS-Gewaltherrschaft, aber er blieb es nicht für ganz Deutschland.« Für die DDR im Machtbereich Stalins sei der 9. November 1989 der Tag der Befreiung gewesen. Unsere Befreiung von Stalin geschah also überraschenderweise 36 Jahre nach Stalins Tod. Auch eines der schönen Geschenke von Helmut Kohl? Weigert sagte der Presse: »Wir dürfen nicht wegschauen und müssen sehen, was wirklich war.« Das dürfte ihm wohl nicht mehr gelingen. Man muß aber sehen, was wirklich los ist. Nicht nur in Kleinmachnow.
Erschienen in Ossietzky 14/2005 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |