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Die erste Strophe der deutschen Nationalhymne würde es auch tun. Außerdem steht noch die Sache mit Albert Speer an, in dessen Arme MRR geschubst wurde, entweder von Fest oder von dem Verleger Wolf Jobst Siedler – vielleicht auch vom Osterhasen. Und der Spiegel erst, der sich jetzt erkühnt, den Spitzenjournalisten JF zu fragen: »Warum nimmt der Holocaust in Ihrem Werk stets einen so kleinen Raum ein?« Welche Schärfe. Welch ein unbeirrbar aufklärerischer Journalismus. Tage zuvor schminkten FAZ -Feuilletonchef Frank Schirrmacher und Spiegel- Chefredakteur Stefan Aust höchstselbst in besagter FAZ den Hitler- und Speer-Biographen zum Dritten im Bunde auf. Frack schlägt sich, Frack verträgt sich. Aust ist vom konkret -Linken soweit nach rechts gerückt, daß er naturgemäß mit Sieburgs Nachlaß in der FAZ zusammenklumpen muß. Die einst getrennt marschierenden Gene vereinigen sich wieder. Im Spiegel freilich fragt der Spiegel den Fest unerschrocken und direkt: »Sie treibt nicht die Frage um, wie Speer Ihnen gegenüber behaupten konnte, von Auschwitz nichts gewußt zu haben?« Fest erwidert: »Wie kann Joschka Fischer behaupten, er habe von den Vorgängen in Kiew nichts gewußt?« Noch jemand da, der Speer mit Fischer entlastet? Auf den Vorhalt, weshalb Fest das »Entstehen des Speer-Mythos« nicht verhindert habe, entgegnet er: »Kein kritischer Beobachter ist damals mit begründeten Zweifeln an die Öffentlichkeit getreten ...« Hier stellt Fest sein Lichtlein untern Scheffel. Als er Speer zum bürgerlichen Ehren-Nazi erhob, hatte er alle Hände voll damit zu tun, Rainer Werner Fassbinder als antisemitischen Linksfaschisten zu diffamieren ( FAZ 19. 3. 1976 ). Der da so anklagend auf die Linke verwies, konnte selbstverständlich nicht ahnen, daß Albert Speer, für den er über ihn schrieb, ein Nazi-Verbrecher war. Der tüchtige FAZ- Herausgeber fertigte ihm einfach ein gutes Gewissen an, damit das deutsche Bürgertum nicht etwa glaube, seine Hitler-Anbeter seien alles braune Grobiane und blutbefleckte Henkersleute gewesen. Aber nein, es gab richtig distinguierte Kulturmenschen aus bester Familie darunter. Reichs-Architekten eben. Fest ist gewiß die beste Instanz für die neue Willensbildung der Berliner Republik. Schon am 20. 4. 1985 leitartikelte er in seinem Blatt über »Sinn und Niederlage«: »Das gebrochene Verhältnis der Deutschen zum 8. Mai tritt in diesen Tagen immer neu in Erscheinung. Vorausgesetzt wird dabei, daß die Sieger des Krieges uneingeschränkten Anlaß hätten und nicht gefangen seien im Zwiespalt zwischen Gefühlen von Befreiung, Trauer, Schuld, der alles deutsche Zurückblicken so ausweglos macht.« Warum »alles deutsche Zurückblicken so ausweglos« ist, erklärte Fest uns auch, »weil nämlich Roosevelt ... in einer Mischung aus Großmannssucht, Naivität und zynischer Gedankenlosigkeit Stalin fast jedes Zugeständnis machte.« So wurden wir wegen des Zynikers Roosevelt nicht schon 1945 wirklich befreit. Abgesehen vom US-Präsidenten sind es sonst immer Juden, die für alle Übel verantwortlich gemacht werden. Fest rechnete in der FAZ vom 29. 8. 1986 auch vor, »daß unter denen, die der schon bald in Chaos und Schrecken auslaufenden Münchner Räterepublik vorgestanden haben, nicht wenige Juden gewesen waren«; wie viele Katholiken oder Protestanten beteiligt waren, zählte er nicht auf. Die Nazis hoben halt auch immer nur die Juden und Kommunisten hervor. Dann wollte Fest den Philosophen Ernst Bloch »als Vordenker des Totalitarismus« erledigen. Das ging selbst dem Spiegel zu weit, der es freilich als »geistige Holzhammertechniken« verniedlichte. Am 9. 3. 1991 zitierte Fest in der FAZ , Bloch habe 1980 versichert: »Über Mangel an revolutionärer Unruhe brauchen wir keine falschen Sorgen zu haben.« Ingrid Zwerenz fragte daraufhin bei der Zeitung an, wie der gewiß eloquente Ernst Bloch 1980 etwas versichert haben könne, wo er doch nachweislich 1977 verstorben war. Diese Erkundigung vom 10. 3. 1991, das Totenreich betreffend, blieb leider unbeantwortet.« Da wir gerade bei Fests Übergriff ins Totenreich anlangten, sei an Rainer Werner Fassbinder erinnert, den Fest als moskaubübischen Linken entlarvte. Als es darauf Einwände gab, der exzessive Filmemacher sei mitnichten ein Linker, argumentierte die FAZ- Edelfeder, Fassbinder sei doch mit Zwerenz befreundet, also links, und den Vorwurf des antisemitischen Linksfaschismus untermauerte er mit dem schlagenden Argument, Fassbinder habe seinem Chabrol-Essay diesen Zwerenz-Satz vorangestellt: »Es gibt nichts Schöneres als die Parteinahme für die Unterdrückten, die wahre Ästhetik ist die Verteidigung der Schwachen und Benachteiligten.« Als sich nach Fassbinders Tod im Jahr 1982 die Gelegenheit bot, mit der FAZ- Giftfeder abzurechnen, schrieb ich: »Danach sind Fassbinder und Zwerenz also fast so links wie Jesus Christus, und das genügt, beide aus der Gemeinschaft Rechtgläubiger auszuschließen.« Damals nahm ich mitunter an, Fest sei ein schwarzer Humorist, heute wird mir klar, er ist zur germanischen Eiche der Berliner Republik des Jahres 2005 aufgewachsen. Angela Merkel und ihre Stoiberer werden der Restlinken schon zeigen, wo Fest den Most holt. Als er im Kapitalblatt noch munter die Seiten füllte, beklagte er mit einem dußligen Ernst-Jünger-Zitat, daß in Stalingrad mit der Wehrmacht zugleich Europa besiegt worden sei. Er hat's halt mit den Geistesgrößen, feiert jede Jünger-Dummheit, rät dem von den Nazis mit Ermordung bedrohten Ernst Bloch, eine »selbstkritische Betrachtung unter dem Titel ›Bruder Hitler‹ zu schreiben«, und fühlt sich durch Fassbinders Film »Warum läuft Herr R. Amok?« potzblitz zum Amoklauf aufgerufen. In Fests Anti-Utopie-Buch »Der zerstörte Traum« findet sich der Vorwurf, Blochs Hauptwerk enthalte »Seiten der offenen Sympathie mit dem Islam sowie mit der Idee des Heiligen Krieges ...« Den bösartigen Sermon bot die FAZ als Vorabdruck an, und so wird alles klar: Fassbinder war antisemitischer Linksfaschist, Günter Grass teilte den Deutschen die Rolle des »ewig schuldbeladenen Volkes« zu, Günter Gaus war »unsäglich«, und der von Hitler zum Juden erklärte Roosevelt machte Stalin so naiv wie zynisch unerträgliche Zugeständnisse. Blochs Sympathien für Islam und Heiligen Krieg werden so pauschal in die Gegend gestreut wie die Angriffe auf die anderen Autoren. Vielleicht geriet dem Argwöhner Blochs Titel »Avicenna und die Aristotolische Linke« ins Blickfeld. Bei seiner hysterischen Linken-Angst, der Phobie gegenüber den 68ern, knallen ihm schon angesichts des Wortes »Linke« die Sicherungen durch. Tatsächlich finden sich bei Bloch Aussagen wie die zur »doppelten Befreiung der vorderasiatischen Völker vom halbkolonialen Zustand und von der eigenen geistigen Erstarrung ...« Der Revolutionsallergiker Fest reagiert darauf mit konterrevolutionärer Panik, zumal dieser Avicenna auch noch ein Araber ist. Daß er schon vor tausend Jahren lebte, hätte Fest von seinem Hätschelkind Ernst Nolte erfahren können, denn der gehört zwar zur gleichen Klasse historischer Nachsitzer, kennt sich aber wenigstens mit den Zeitangaben und Epochen aus. Zurück zum Edel-Nazi: Da nun auch die etablierten Meisterschreiber dieser havarierenden Republik nicht mehr verschweigen können, was die kleine Linkspresse seit Jahr und Tag sagt, daß Fest seinen Speer so exkulpierte, wie der sich einst in Nürnberg um den Galgen herumlog, darf die bestsellernde FAZ- Koryphäe mit seitenlangen Abschweifungen behaupten: »Speer hat uns allen eine Nase gedreht.« Mit dem durch nichts zu rechtfertigenden »uns allen« nimmt er wie üblich das werte Maul zu voll. In Wahrheit führte Fest wie Speer die Leser an der Nase herum. Das mag für unsereinen entweder eine gigantische Verarsche oder einfach verachtenswert sein, es gibt jedoch noch ein Drittes: Die Herren von der schwarzen Mitte suchen ein ganzes Volk an der Nase herumzuführen. Dieser J.F., der bei Kriegsende noch den Junghelden mit Stahlhelm und Seitengewehr spielen durfte, sieht sofort rot, ignoriert jemand das traditionelle Kommando Stillgestanden. Fest verkörpert das deutsche Grundmuster des Hasses auf die Linke und der Furcht vor ihr. Dieser Herr will 1945 weder besiegt noch befreit worden sein. Als Mitarbeiter am Drehbuch zum Film »Der Untergang« biegt er sich Hitler nach Gusto zurecht, damit alle Bedingungen, die den Führer zum Bauchredner des deutschen Imperialismus werden ließen, im Dunkeln bleiben können. So folgt auf den ersten Untergang von 1918 der zweite von 1945, und für einen dritten bleibt auch noch Platz. Die totalen Krieger im Ungeist stimmen auf die nächstbesten Kriege ein. Es riecht ein wenig wie Anfang der dreißiger Jahre, als sich die Eiserne Garde von Carl Schmitt über Ernst Jünger bis Martin Heidegger auf den Kulturbruch vorbereitete. Damals stiegen die Buchverkäufe Jüngers in jene steilen Höhen wie die Auflagen und Auswirkungen von Speer und Fest heutzutage. Damals konnte die Linke in Deutschland nur mit Gewalt zerschlagen werden. Für die gegenwärtige SPD genügt ein Fliegenwedel, denn der Antifaschismus wurde seit langem zum Feind erklärt. Weil uns aber die post- wie pränationalistischen Ruinenbaumeister von Jünger über Speer bis zu Fest und Nolte inzwischen quer im Halse stecken, empfehle ich dagegen Ernest Mandels luzides Buch »Der Zweite Weltkrieg«, ISP-Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISDN 2 – 88322-137-0. Für die deutsche Ausgabe fügte Mandel einen trefflichen Anhang zum Historikerstreit hinzu. Und siehe da – welch ein Panoptikum tut sich auf – an herausragender Stelle die Rechtsintellektuellen Fest und Nolte.
Erschienen in Ossietzky 14/2005 |
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