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Die dreisprachige Inschrift des Mahnmals – gekrönt von einem weithin sichtbaren Roten Stern – lautete: »Hier ruhen 46 000 sowjetische Soldaten und Offiziere, zu Tode gequält in der Nazigefangenschaft.« Wegen dieser Inschrift wurde das Denkmal zerstört. Die Anzahl der auf der Tafel genannten Todesopfer sei nämlich »weit überhöht«, befanden bundesdeutsche Behörden in einer der heißeren Phasen des Kalten Krieges. Nach allem, was inzwischen bekannt wurde, war die Zahl eher noch zu niedrig geschätzt. Mehr als eine Million Gefangene wurden während des Krieges durch das Lager geschleust, über dessen Bau das Wehrkreiskommando Hamburg und örtliche Bauunternehmer schon lange vor dem Überfall auf Polen Vereinbarungen getroffen hatten. Zu den Praktiken in diesem KZ gehörte es, Gefangene im Winter vor und nach dem Duschen stundenlang nackt im Freien antreten zu lassen. Wer zusammenbrach, dem wurde vom zuständigen Feldwebel Wilhelm Westphal »der Rest gegeben«, das heißt mit einem Schmiedehammer der Schädel eingeschlagen. »3000 Leichen lagen zum Teil wirr übereinander gestapelt im Freien. In den Baracken kauerten unzählige Gefangene dicht nebeneinander auf dem nackten Holzboden in ihren eigenen Exkrementen. Es stank erbärmlich. Viele litten an Typhus, Ruhr und Unterernährung«, berichtet der britische Militärarzt Dr. Hans Engel, der am 29. April 1945 als einer der ersten das befreite Lager betrat, »Stalag X B«, so die Bezeichnung der Wehrmacht für ihr KZ im Elbe-Weser-Dreieck. Ein unfaßbarer Anblick. »Diesen Schrecken werde ich nie vergessen«, sagt der aus Hamburg gebürtige, heute 89-jahrige Arzt – und dabei stockt ihm die Stimme. Sergej Litvin aus der Ukraine: »Überlebt hat nur, wer irgendwo anders zusätzliche Nahrung bekommen konnte – bei westlichen Mitgefangenen oder bei Arbeitseinsätzen in landwirtschaftlichen Betrieben der Umgebung. Viele sowjetische Gefangene wurden krank. Es gab eine Baracke für die Kranken, kein Lazarett, keine ärztliche Versorgung, ihr einziger Ausgang: zum Friedhof«, berichtet er mit ruhiger Stimme. Doch beim Vortrag seines belgischen Mitgefangenen Roger Cottijn muß er weinen. Der erinnert sich: »Bei denen – im Russenlager – herrschte ein Kommen und Gehen. Auch Familien mit Kindern und Jugendliche waren dort inhaftiert. Es gab Wochen, da war der Leichentransporter – ein von Menschen gezogener Pferdewagen, auf den die Toten gestapelt wurden – von morgens bis abends im sowjetischen Lagerabschnitt unterwegs.« Nie wieder Vergleichbares auch nur ansatzweise zuzulassen, ist der gemeinsame Tenor aller Redner bei einem Treffen 60 Jahre danach. Als der Vertreter der US-Botschaft diese Forderung wiederholt, kommt ein Zwischenruf: »Guantanamo!« Auch die niedersächsische Landesregierung hat einen Redner entsandt. Er bringt es fertig, die Denkmalsschändung mit keinem Wort zu erwähnen. Die Organisationen der überlebenden KZ-Häftlinge hatten, unterstützt von dem Bremervörder Geschichtslehrer Klaus Volland, wieder und wieder auf den Frevel hingewiesen. Später wurden auch noch die Steinplatten, die dort zur Bezeichnung von Gräbern lagen, entfernt und verkauft. Um diesen Friedhof für mehrere zehntausend Opfer kostengünstig pflegen zu können, legte man einen fußballfeldähnlichen Rasen an. Die Proteste blieben erfolglos. Nachdem man die Gräber der sowjetischen Opfer einfach umgepflügt hatte, wurden die Gebeine später, soweit sie die landwirtschaftliche Nutzung störten und beim erneuten Pflügen immer wieder hochkamen, eingesammelt und auf einer vielfach kleineren Fläche in vierzehn oberirdischen Haufen – »Sammelgräbern« – gestapelt und mit Erde bedeckt. Der Einfachheit halber – oder waren es andere Gründe? – wurden alle »Umgebetteten«, obgleich sie zum großen Teil Moslems aus Mittelasien oder Juden, in noch größerer Zahl vermutlich keiner Religion zugehörige Mitglieder der Kommunistischen Partei gewesen waren, unter dem Symbol der Russischen Orthodoxie bestattet. Nach dem gleichen Muster wurden die im Lager getöteten jugoslawischen Kriegsgefangenen summarisch unter dem Kreuz der Kirche »vereinnahmt und entsprechend abgelegt«. Die kleine linke Bremer Rundschau erinnerte kürzlich den niedersächsischen Innenminister daran, wies ihn vor allem auch auf die 1956 von seinem Amtsvorgänger betriebene Sprengung des Mahnmals hin und fragte nach Plänen zur Wiedergutmachung des Frevels. Die Antwort des Ministers klang so, als hätten weder er noch sein Haus etwas mit der Sache zu tun, abgebrüht und kaltschnäuzig, wie man es von deutschen Amtswaltern schon seit eh und je zu kennen meint: »Aus den vom Bund bereitgestellten Mitteln nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz) ist die Errichtung von Denkmälern u. a. nicht zulässig. Andere Haushaltsmittel stehen mir für derartige Zwecke nicht zur Verfügung.« Auch wenn es jetzt, da die letzten der jahrelang gewerblich genutzten Baracken des KZ Sandbostel endgültig zusammenzubrechen drohen, nach langen, hartnäckigen und zähen Kämpfen endlich bescheidene staatliche Zuwendungen für eine Dokumentations- und Gedenkstätte gibt, gilt doch offensichtlich weiter die Devise: Bloß nicht daran rühren, sondern abwimmeln, ablenken, abwarten, Gras darüber wachsen lassen. Ein wertvoller Beitrag gegen das Vergessen ist das Buch von Werner Borgsen und Klaus Volland: »Stalag X B Sandbostel. Zur Geschichte eines Kriegsgefangenen- und KZ-Auffanglagers in Norddeutschland 1939 – 1945«, Edition Temmen, 3. Auflage, 288 Seiten, 135 Abbildungen, Dokumente und Karten. Darin wird übrigens auch von einem ebenfalls »verschwundenen« Gedenkstein britischer Soldaten berichtet.
Erschienen in Ossietzky 14/2005 |
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