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Wer nicht darauf warten mag, daß die Neid-Mentalität breiter Bevölkerungskreise durch weitere Reformen gebrochen wird, der kann sich jetzt preisgünstig in der Park Avenue einmieten – so heißt nämlich eine neue Zeitschrift, die ab Oktober monatlich zur Sprache bringen will, was die Bestverdienenden hierzulande wirklich bewegt. Die Preview-Ausgabe liegt bereits vor. Aber orientiert sich Park Avenue wirklich »am Interesse der wirtschaftlich-sozialen Eliten«, wie Gruner+Jahr-Vorstand Bernd Buchholz beteuert? Ein kapitalistischer Zeitschriftenverlag will vor allem Profit erwirtschaften; seine Leserschaft, die durch ein geeignetes redaktionelles Umfeld geködert wird, ist ihm Mittel zum Zweck. Je mehr junge, wohlhabende, konsumorientierte LeserInnen zu einer Zeitschrift greifen, desto mehr spendable Anzeigenkunden plazieren ihre geleckten Werbebildchen in den Heften. Dies ist das Interesse, an dem sich auch die Macher von Park Avenue orientieren. Damit das aber niemand bemerkt, behauptet Chefredakteur Alexander von Schönburg im Editorial, alle Mitarbeiter hätten seit langem nach einer Zeitschrift gesucht, die sie wirklich lesen wollten: »Wir haben die Suche aufgegeben und machen dieses Magazin nun selbst.« Ein stolzer Spruch, doch Park Avenue kann damit nicht gemeint sein, denn wenn eine Zeitschrift gelesen werden soll, muß man vorher Buchstaben hineintun. Und daran mangelt es im »Magazin über Menschen, die interessant und relevant sind« – wie auch an Menschen, die interessant und relevant wären. Wer in dem bilderreichen Heft lange genug blättert, findet irgendwann einen Essay von Willi Winkler. Den Text kann man lesen, wie man will – vorwärts, rückwärts oder überhaupt nicht –, hinterher ist man genauso schlau. Man weiß dann nur, daß Winkler auf ironische Weise geistreich erscheinen will. Interessant ist allerdings seine Erklärung für die erneute Aufspaltung der Gesellschaft in oben und unten: »Zur rechten Zeit sind deshalb den Soziologen wieder die Unterschichten eingefallen.« Aha! Die Armen gibt es gar nicht, die hat die mächtige Soziologen-Mafia einfach frei erfunden! Drei Sätze weiter heißt es jedoch: »Die Unterschichten haben keinen Geschmack, sie sitzen bierwampert im Unterhemd vor dem Fernseher und verzehren die Feierabend-Pizza ohne Silberbesteck.« Vielleicht amüsiert das die »wirtschaftlich-soziale Elite«. Der Schauspieler Tom Cruise erzählt nicht nur, wie wertvoll Scientology ist, man erfährt auch endlich, wie er lacht: »HE HA HA HA HA [...] Ha ha ha ha [...] HA HA HA HA HA!« Das ist investigativer Qualitätsjournalismus vom Feinsten. Und wenn es dann noch heißt: »Er hat dichtes Haar, gesunde Zähne und ausdrucksstarke Augen«, macht der Park Avenue- Werbespruch plötzlich Sinn: »Ganz oben. Ganz vorn. Und ganz nah dran.« Diese Zeitschrift schaut den Promis nicht nur aufs, sondern ins Maul. Fehlen nur noch Röntgenbilder oder, als Perfektionierung der Arschkriecherei, Fotos von der letzten Rektoskopie. Größte Heiterkeit erzeugt, wenn auch unfreiwillig, Gustav Seibt, der seine Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung offenbar in einem Bratfett-Preisausschreiben gewonnen hat: »Kreisrund dehnt und wölbt Welt sich um Ich, über Ich, unter Ich. Ich ist mächtig [...] Macht=Ich. Viel Macht, viel Ich.« Man ahnt, was der Dichter sagen will, und staunt, daß er es nicht kann. Zuletzt ist man ihm aber doch dankbar für seine hellsichtige Selbsteinschätzung: »Meine Schlauheit fad«. Stimmt. Das wäre übrigens ein passender Titel für die ganze Zeitschrift gewesen. Wem das noch nicht genügt, der kann ein Literatur-Häppchen von Martin Mosebach naschen. Und wirklich: Der Vorabdruck aus seinem demnächst erscheinenden Roman macht Appetit. Auf noch mehr Fotostrecken. Von denen bietet Park Avenue jede Menge: Mode-, Promi- und Reklamebilder. Letztere sind meist daran zu erkennen, daß jugendliche Foto-Models überteuerten Plunder wie Handtaschen, Parfümfläschchen oder Luxusuhren vors Kameraobjektiv halten. Und all das ist auch noch ethisch angereichert: »Shoppen wird politisch und Geldverdienen moralisch.« Früher hatte von Schönburg noch eine ganz andere Botschaft verbreitet. In einem Buch über »stilvolles Verarmen« hatte der kleine Bruder der Regensburger Fürstin Gloria gepredigt: »Wir haben uns derart an Wohlstand und Wachstum gewöhnt, daß jetzt alle über unseren wirtschaftlichen Abstieg jammern – dabei liegt im Konsumverzicht das wahre Glück.« Er hat sich wieder anders besonnen. Zuletzt freut man sich doch über die neue Zeitschrift: Wer sich mit seinen Millionen Geltung kaufen will, hat keine bessere Zeitschrift verdient. Und eine schlechtere ist kaum vorstellbar. Einziger Kritikpunkt an Park Avenue ist der Preis: 72 Euro für zwölf Hefte – das ist viel zu billig. Tausend Euro wären angemessen. Denn wer dumm und reich genug ist, solchen Hochglanz-Müll zu konsumieren, der hat es auch verdient, daß ihn der strauchelnde Gruner+Jahr-Verlag nach Strich und Faden ausplündert.
Erschienen in Ossietzky 13/2005 |
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