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SPD-Bundestagsabgeordneter, anonym. – Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge haben Sie im vertraulichen privaten Gespräch erklärt: »Ich bin nicht bereit, Schröder den Gefallen zu tun, ihm das Mißtrauen auszusprechen.« Das finden wir gehässig. Wir haben die begründete Vermutung, daß Sie wiederholt, dem Artikel 38 Absatz 1 des Grundgesetzes zuwiderhandelnd, Schröder zum Gefallen Gesetzesentwürfen zugestimmt haben, denen Sie mißtrauten. Und nun wollen Sie, um Schröder eins auszuwischen, die letzte Gelegenheit verstreichen lassen, sich ehrlich zu machen.

Gerhard Schröder, mißtrauisch geworden. – Der Spiegel plauderte Ihr vertrauliches Gespräch mit dem Bundespräsidenten aus: »Ich kann meinen innerparteilichen Gegnern nicht trauen«, haben Sie Horst Köhler anvertraut, gemeint war: Sie könnten sich auf das Nein Ihrer Kritiker in der SPD-Fraktion nicht verlassen, wenn Sie die Vertrauensfrage stellen. Deshalb sollen SPD-Minister mit Bundestagsmandat sich bei der Abstimmung ihrer Stimme enthalten. Bei Wählerinnen und Wählern haben Sie es doch geschafft, daß die ihr Mißtrauen Ihrer Politik gegenüber zum Ausdruck bringen, und nun diese lästige Vertrauenssucht bei einigen Abgeordneten...

Hans-Christian Ströbele, gar nicht mandatsmüde. – Unter dem bewährten Label des linksgrünen Einzelkämpfers wollen Sie wieder für den Bundestag kandidieren, und das mit der Forderung: »Wir müssen an die Vermögen der Reichen ran.« Gerhard Schröder das Mißtrauen auszusprechen, dazu allerdings sehen Sie nach eigener Aussage »keinen Anlaß«. Wieso auch, Ihr Kanzler hat sich ja alle Mühe gegeben, an die Reichen ranzukommen. Wenn auch nicht an deren Vermögen, dafür hat er ja Sie.

Oskar Negt, traurig. – Sie beklagen die »tragische Situation« der rot-grünen Bundesregierung: »Auch die besten Absichten schlagen ihr nicht zu Buche.« Ein so nahes Verhältnis »zur Wirtschaft und ihren Wünschen hatten sonst nur konservativ-liberale Regierungen«, und »selten gab es ein so abgekühltes Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften. Trotzdem bleibt die Massenarbeitslosigkeit so hoch wie ehedem.« Das Rätsel läßt sich lösen: Wegen, nicht trotz dem.

Otto Schily, forsch wie immer. – »Alle demokratischen Parteien müssen untereinander koalitionsfähig sein«, sagten Sie der Bild -Zeitung. Auszunehmen seien aber PDS und WAGS. Wir entnehmen dem, daß Sie gern Innenminister in einer Großen Koalition werden wollen, im Koalitionsvertrag könnte dann ja festgeschrieben werden: Otto Schily entscheidet, ob eine Partei als demokratisch anzuerkennen ist.

Joseph Fischer, auf Entziehungskur. – Nun rennen Sie wieder. In welchem Zustand Sie Ihr Ministerium führten, das war Ihnen egal. Für den Wahlkampf aber, offenbarten Sie bei »sehr wenig Fisch mit sehr wenig Salat und sehr stillem Wasser« dem Tagesspiegel , wollen Sie nicht »zu fett« sein. Denn im Langlauf sind Sie gut, entdeckte das Berliner Blatt: »Am Donnerstag hat er im Bundestag noch einmal zu Kosovo gesprochen. Es ist das Thema, mit dem alles begann, der lange Lauf Deutschlands zu sich selbst, gewissermaßen. Damals, 1998, Rot-Grün steckte noch in Kinderschuhen, erfolgte der Paradigmenwechsel in der Außenpolitik – die Beteiligung der Bundeswehr an internationalen Militäreinsätzen. Er hat ihn an vorderster Front durchgedrückt. Das reicht fürs Geschichtsbuch.« Richtig, so sollen Sie eingehen. Ins Schreckensbuch deutscher Geschichte. Für immer – ohne Neuauflage.

Erschienen in Ossietzky 12/2005