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Gedacht war es vor allem als stille Reserve für Tournee: Von nennenswerten Bankgebühren war nicht die Rede gewesen, und ein Postamt, woselbst man – ebenfalls gebührenfrei – abheben oder einzahlen konnte, gab es damals noch überall. Praktisch. Der Kontostand war nie besonders hoch und die Umsätze eher gering. Ein Notgroschen eben. Gelegentlich waren ein paar Einzahlungen von Fans zu verzeichnen, die ein Buch oder eine CD, signiert vom Autor, hatten beziehen wollen. Die Einlage döste jahrelang – zinslos natürlich – vor sich hin. Kürzlich erhielt ich wieder einen Kontoauszug. In einem Anfall von Größenwahn – Geiz ist geil, und selbst die reichen Leute müssen ja doch auch noch sogar auf die vierte Stelle hinterm Komma achten – habe ich mir das Papier ausnahmsweise genauer angesehen und dabei festgestellt, daß einem durchschnittlichen Habensaldo von 677.04 € Bankgebühren von 121.- € jährlich gegenüberstanden. Im Klartext bedeutet dies rund 18 Prozent »Zinsen«, die ich der Bank dafür zahlen muß, daß ich ihr vertrauensvoll meine paar Kröten überlassen habe. Dann verleiht das Institut diese Summe einem anderen, kreditbedürftigen Kunden großzügig zu 17 Prozent. Macht zusammen 35 Prozent für die Bank. Anders gerechnet: Ein ALG II-Bezieher, der – soweit ihm das überhaupt möglich ist – monatlich 10 Euro zur Seite legt, um sie »für Notzeiten« der Bank in Verwahrung zu geben, könnte das Geld auch gleich verbrennen. Besser täte er daran, sich alljährlich zu Weihnachten nach guter alter Millionärssitte seine Zigarre mit einem Hundert-Euro-Schein anzustecken. Dann hätte er dank ersparter Bankgebühren sogar noch zwanzig Euro für den Erwerb der Zigarre übrig. Nichts Neues soweit: das traditionelle Bankgeschäft eben. Genaueres ist längst bei den Klassikern Jesus (dem mit den Händlern und Wechslern), Marx oder Brecht nachzulesen (Reihung in chronologischer Abfolge; D.K. ). Ich für meinen Teil habe, dem allgemeinen Sparkurs Rechnung tragend, vor kurzem der Postbank die Subventionen entzogen beziehungsweise das Konto gekündigt. Offensichtlich hat mein entschiedenes Vorgehen sogar Signalwirkung gehabt und das Geldinstitut in Panik versetzt. Schon zwei Wochen später nämlich reagierte die Postbank öffentlich mit einem bescheidenen Inserat: »Geldtips mal einfach. 0.00 €. Einfach die besten Dinge umsonst mitnehmen.« Umsonst? Mitnahmementalität. Wer hilft dazu? »Das kostenlose *) Privatgirokonto inklusive VISA Card und Wertpapierdepot« natürlich. Sixtewoll. Es lohnt sich eben auch für die Bankkunden, mal ordentlich aufzumucken! Voll freudiger Genugtuung darüber hätte ich beinahe das Sternchen im Text und die dazugehörige sehr klein gedruckte Fußnote übersehen: » kostenlos für alle Privatkunden mit bargeldlosem Geldeingang ab 3000.- € im Monat.« Ach so, eine Sozialreform mal wieder. Nach üblichem Muster: Nur wer mehr besitzt, darf die guten Dinge umsonst mitnehmen. Wer weniger hat, muß entsprechend mehr abgeben. Ein ALG II-Bezieher soll für seine lächerlichen 341 Mäuse, die ihm die Agentur monatlich überweist, eben gefälligst blechen. Mal ehrlich: Was will so einer auch mit dem kostenlosen Wertpapierdepot? Darf ein Hartz-Vierer überhaupt Aktien besitzen? Na also. Und die VISA Card ist schließlich nicht für Minijobber oder gar Ein-Euro-Sklaven gedacht. Soll man den Banken Vorwürfe machen, nur weil sie sich strikt und seriös an die Vorgaben des Berliner Reformkurses halten? Bedenklicher erscheint mir das jüngste Inserat der Postbank: »Gewinnen mit der Nationalelf.« Wie denn das? Und wozu? Wir sind doch schon Papst? Langt das nicht? Nein, sie meinen es ernst: »Das exklusive Festgeld zum FIFA Confederation Cup 2005, Postbank Bonus Volltreffer * bietet Ihnen für 3 Monate Laufzeit neben dem garantierten Basiszins von 1,5 % p. a. einen Zinsbonus, der mit jedem Sieg der Nationalmannschaft steigt. Pro Spiel sind 0,5 % p. a. Siegprämie für Sie drin. Und sollte ein deutscher Spieler Torschützenkönig werden, gibt es noch einmal 1 % p. a. obendrauf. So können Sie insgesamt mit einer Rendite von bis zu 5 % p. a. rechnen.« Ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit gibt es diesmal freilich: Zwar werden per Sternchen wiederum Minderverdiener benachteiligt – »Mindesteinlage 2500 Euro« –, jedoch zum Ausgleich auch die Superreichen diskriminiert: »Höchstbetrag 50 000 Euro«. Nun aber mal grundsätzlich. Der Fall Hoyzer und die in diesem Zusammenhang bekanntgewordenen Milliardenumsätze der Wettbüros haben die Postbank-Oberen offenbar nicht ruhen lassen: Jetzt steigen sie direkt ins Wettgeschäft ein, das bekanntermaßen schon immer eine lukrative Domäne der Mafia war. Ist das noch seriös? Genausogut könnten die Banken mit den ihnen anvertrauten Geldern auch Lotto spielen oder Wetten über den voraussichtlichen Wasserstand der Wolga am 6. März 2006 abschließen. Gibt es keine Bankenaufsicht? Ja, selbstverständlich, aber wer, wenn nicht diese, wüßte sicherer, daß der Kern des Bankgeschäfts seit eh und je im Zocken besteht, wenn auch traditionell mehr an Börsen und auf anderen mehr oder minder dunklen Finanzmärkten, mit all den krummen Touren, die dazugehören. Da geht es schließlich noch um ganz andere Einsätze. Die Postbank-Oberen haben eben nur mal offiziell Farbe bekannt: Roulette-Gewinner ist immer die Bank. Was wäre ihr da vorwerfen? Verleitung zum Glücksspiel? Ach, nur ein bißchen ganz normale Abzocke bei den Doofen. Dabei zeigen sich die Postbänker durchaus als verantwortungsbewußte Geldverwalter: Angesichts des derzeitigen Zustands der Nationalelf ist das Risiko für die Postbank gering. Sollte der unwahrscheinliche Schadensfall deutscher Erfolge und damit millionenschwerer Verluste bedauerlicherweise doch eintreten – nun, dagegen ist man vermutlich versichert. Es wird schon alles gutgehen. Leute, die ihre Ersparnisse im Rahmen des Wettangebots Postbank Bonus Volltreffer nun tatsächlich auf Sieg setzen, sollten allerdings sicherheitshalber doch ein wenig darauf achten, welche Nobelrestaurants auffällig häufig von Schiedsrichtern, Bänkern, Nationalspielern und Versicherungschefs frequentiert werden. * In den Tagesthemen der ARD war zu erfahren, ein Sprecher des Pentagon habe nun doch offiziell zugegeben, daß es im US-Konzentrationslager Guantanamo beim Umgang mit dem Koran seitens der Militär-Aufseher »vereinzelt zu Fehlern gekommen« sei. So habe das Wachpersonal in einem Fall tatsächlich das heilige Buch der Muslime »versehentlich mit Urin bespritzt«. Versehentlich. Das kommt vor. Die GI's hatten doch nur beabsichtigt, auf die Menschenrechtscharta zu pinkeln. Weitere Pointen verkneife ich mir aus Geschmacksgründen. Interessant scheint mir ein anderer Aspekt des Skandals. Die Wochenschrift newsweek hatte als erste Zeitung über die menschenverachtenden Praktiken berichtet. Zum Glück herrscht – wie wir immer wieder hören – in den USA Pressefreiheit. Niemand darf dort Druck auf die Berichterstattung der Medien ausüben, außer selbstverständlich dem Pentagon, Dick Cheney und der Firma Halliburton, der CIA, dem Weißen Haus, gewissen christlichen Fundamentalisten und noch einigen anderen, die einzeln aufzuzählen hier der Platz fehlt. Infolgedessen hatte sich die newsweek -Redaktion schon zwei Tage später von ihrer angeblichen Falschmeldung selbstkritisch distanziert und weltweit um Entschuldigung gebeten. Sie sehe dies auch als nationale Pflicht an. Muß man sich in den USA im nationalen Interesse jetzt eigentlich grundsätzlich für zutreffende Nachrichten entschuldigen? Oder anders: Wird sich das Blatt nun bei den Lesern für die Entschuldigung entschuldigen? * In Österreich hat einer seinen Rücktritt vom Rücktritt erklärt. Es geht mal wieder um einen der alle Jahre wieder fälligen Nazi-Sprüche aus Jörg Haiders Ecke. Diesmal übernahm den Part ein gewisser Siegfried Kampl (68), Kärntner FPÖ-Landtagsabgeordneter von 1982 bis 1994, seit 1991 Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Gurk. Ein guter Christ nebenher, der, ehe er sich zu politischen Themen äußert, nach eigener Bekundung erst mal in die Kirche geht. Bei den »Freiheitlichen« gehörte er im Wortsinne zu den Trägern der Bewegung. Als sich Haider 1986 an die Parteimacht geputscht hatte, war der damals noch Jung-Siegfried einer der beiden Schildknappen, die – es gibt davon ein berühmtes Foto – den sogar von der deutschen CSU zum »Hoffnungsträger« erklärten Jörg ihrerseits auf den Schultern durch die Menge trugen. (Der andere war ein Reinhart Gaugg – natürlich ebenfalls FPÖ-Mandatar –, der später das Wort Nazi öffentlich wie folgt buchstabiert hat: »Neu, attraktiv, zielstrebig, ideenreich« und sich bald darauf – nicht deshalb, sondern eines Alkoholdelikts halber – mit einer saftigen Apanage seiner Partei versehen aus der Politik zurückziehen mußte.) Auf seine älteren Tage erhielt der erprobte Kämpfer Kampl von Mentor Haider das Amt des Bundesrates zugeschanzt, eines Mitglieds der österreichischen Länderkammer also. Zum 1. Juli sollte er routinemäßig Präsident des ehrwürdigen Gremiums werden. Bedauerlicherweise hat Kampl aber auch sprachschöpferische Ambitionen. Er meinte nämlich im Plenum des Bundesrats etwas zurecht-, genauer nach extrem rechts rücken zu müssen. Dabei leugnete er keinesfalls wie in seinen Kreisen üblich die Tatsache von Naziverfolgungen. Er sieht sei nur ein wenig anders: Nach dem Kriege habe es 1945 eine »brutale Nazi-Verfolgung« gegeben. Und Wehrmachtsdeserteure seien als »teilweise Kameradenmörder« anzusehen, nicht also als Mordopfer. Es ehrt das demokratische Österreich, daß daraufhin ein Sturm der Entrüstung einsetzte und Kampl schriftlich seinen Rücktritt mit Datum 31. Mai hinterlegen mußte. Der amtierende Bundespräsident Georg Pehm (SPÖ) bezeichnete inzwischen Kampls peinliche Auslassungen als »absolut inakzeptabel«. Dies hinwiederum nahm Alt-Siegfried zum Anlaß, den Rücktritt vom Rücktritt zu erklären: Seine Ehre sei verletzt worden. Landeshauptmann Haider äußerte im ORF-Interview volles Verständnis für seinen Paladin. Ein anderer alter Kämpfer, der Kärntner Landtagspräsident Freunschlag, legte flugs noch ein Schäuferl nach: Er schloß sich Kampls Nazi-Verfolgungstheorie an – »ein Faktum« – und erklärte bei der Gelegenheit auch noch schnell die schlagenden Burschenschaftler zu den »größten Verlierern des Nazi-Regimes«. Als daraufhin SPÖ, ÖVP und Grüne seinen Rücktritt forderten und es zu Tumulten im Landtag kam, hat er sich – ohne natürlich inhaltlich etwas zurückzunehmen – wie üblich entschuldigt. Kanzler Schüssel übt sich in mutigem Schweigen (denn er braucht ja den Gefolgschafts-Haider als »konstruktiv« für seinen Machterhalt). Jetzt bittet alle Welt Kampl um den Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt von einem der höchsten Ämter der Republik. Manche erwägen sogar schon, kurzfristig die Verfassung zu ändern, um größeres Un-Heil zu verhüten. Fortsetzung folgt. Bürgermeister von Gurk wird Kampl jedoch in jedem Fall bleiben. Man kann also nicht sagen, daß hier eine Karriere vernichtet wird.
Erschienen in Ossietzky 12/2005 |
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