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Die westdeutsche Nachkriegsentwicklung sei als rechtsstaatlich-demokratische Erfolgsgeschichte zu begreifen. Dieser These, die der liberale Soziologe Ralf Dahrendorf im Jahr 2002 publiziert hat, widerspricht der hannoversche Politikwissenschafter Joachim Perels. Auch er hält das Institutionengefüge der Bundesrepublik für demokratisch. Aber in seinem Buch »Entsorgung der NS-Herr-schaft?« verweist Perels auf die verheerende »Tiefenwirkung der fortwirkenden Hypothek des Dritten Reiches«. Wie ein »Lähmungsgift« habe der Nazi-Ungeist rechtlicher Willkür Jahrzehnte über den 8.Mai 1945 hinaus auf die staatliche und gesellschaftliche Entwicklung Westdeutschlands eingewirkt – nicht zu ihrem demokratischen Vorteil. »Zwischen der wesentlich auf den Grundrechten beruhenden politischen Ordnung und den herrschenden Bewußtseinsformen bildete sich ein jahrzehntelang wirksamer Widerspruch heraus, der die Geltung der rechtsstaatlichen Freiheits-prinzipien blockierte«, schreibt Perels. Faktenreich belegt er diese Blockade vor allem am Beispiel der Nachkriegsjustiz(politik), die die meisten NS-Mörder und Schreibtischtäter ungeschoren oder mit »Streichelstrafen« davonkommen ließ. Die Ahndung der Staatsverbrechen des »Dritten Reiches« blieb, wie Perels zeigt, nicht zufällig »ein Torso«. Ein »Entsorgungskartell«, zu dem unter anderen der Justitiar der SS, Werner Best, gehörte, ersann juristische Konstruktionen, um die Täter straffrei zu stellen – bis auf wenige Einzelverfahren blieb selbst das Personal des Reichssicherheitshauptamtes, der Kommando- und Organisationszentrale für Millionen von Tötungsverbrechen in ganz Europa, unbehelligt. Eines der Opfer war der Vater des Autors. Friedrich Justus Perels wurde – wie man im Buch eher beiläufig erfährt – im Alter von 35 Jahren von den Nazis ermordet. Der Volksgerichtshof hatte den Justitiar der Bekennenden Kirche als Mitverschwörer des 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt. Vor allem jüngere Leser dürften bei der Lektüre dieses Buches mit Erschrecken erfahren, wie sehr Konrad Adenauers Forderung von 1952, »mit der Nazi-Riecherei Schluß zu machen«, in der Bundesrepublik Wirkungsmacht entfaltet hat. Erst 1998 fand der Bundestag endlich die Kraft, alle NS-Unrechtsurteile aufzuheben. Zuvor hatte der Gesetzgeber schon 1949 und 1954 Straffreiheit für NS-Täter beschlossen, die unter anderem Körperverletzung mit Todesfolge und bestimmte Tötungsdelikte begangen hatten. Diese Beschlüsse bedeuteten auch, so Perels, daß »die Amnestieregelungen der Regierung Hitler für die staatlichen Straftäter in der Reichspogromnacht weitgehend wieder in Kraft gesetzt wurden«. Ein Bundestagsbeschluß von 1968 hatte zur Folge, daß selbst Täter, die direkt an den Massenmorden beteiligt waren, als bloße »Gehilfen« der politischen Führung eingestuft wurden – so beispielsweise im 1981 abgeschlossenen Majdanek-Prozeß der stellvertretende Lagerkommandant. Perels macht diese skandalöse rechtliche Bewertung der kriminellen Strukturen des Hitler-Regimes als Element des gesellschaftlichen Gesamtprozesses kenntlich. Seine Studien, die im Buch um mehrere biographische Skizzen über Antifaschisten wie Martin Niemöller und Fritz Bauer und um kritische Interventionen gegen die Zerstörung der Erinnerung an den Holocaust ergänzt werden, dürfen nicht ohne Folgen bleiben. Insbesondere die Geschichtswissenschaft sollte sich aufgerufen fühlen, die Kontinuität der Nazi-Vergangenheit in der »Erfolgsgeschichte« der Bundesrepublik nicht länger zu bagatellisieren. Joachim Perels: »Entsorgung der NS-Herrschaft? Konfliktlinien im Umgang mit dem Hitler-Regime«, Offizin-Verlag, 386 Seiten, 22.90 €
Erschienen in Ossietzky 12/2005 |
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